Cannes Lions:
Diana Sukopp: Tschüss Cannes
Wer internationale Inspiration, Benchmarks, Trendtalks, Workshops, neue Kontakte, Deadpool IRL und mehr in seinem Werberleben sucht, der ist Cannes richtig, sagt Diana Sukopp. Eine ganz persönliche Bilanz.
"Auuuuus", das Spiel ist "aus", Deutschland ist Weltmeister – zumindest in der Film Craft Kategorie. Was für ein sensationell geiler Erfolg für die Serviceplaner. Heute ist der letzte Tag des Festivals und die letzte Chance auf Löwen. Das Toben und Tosen rund um die Cannes Lions an der Côte d’Azur hat also ein Ende, die Croisette wird nun wieder von älteren Herrschaften in weißen Hosen zurückerobert, die Bar Martinez kann ihren Teppich endlich zurücktauschen und ich mein erbärmliches Schul-Französisch-Vokabular aus der neunten Klasse wieder einpacken.
Wir Werber sind Klimaverbrecher?
Und? Hat es sich gelohnt? War es jetzt besser, schneller, höher, weiter als vor der Pandemie? Mir wurde zumindest einiges geboten. Meine Radio & Audio Jury hat den Whatsapp-Kanal, der ursprünglich zu Judging-Zwecken eingerichtet wurde, den Rest der Woche zweckentfremdet für Playlists, Liebesbekundungen, Trendsettings oder aber auch nur feucht fröhliche Partybilder. Die erste Awardshow am Montagabend wurde überraschend von Greenpeace eingeleitet, indem Gustav Martner (Head of Creative bei Greenpeace Nordic) direkt am Anfang die Bühne stürmte, um seinen in 2007 gewonnen goldenen Löwen zurückzugeben und zur "Fossil Free Revolution" aufzurufen. Seitdem ankert die Rainbow Warrior hier in der Bucht sichtbar für alle Strandpartygänger und klagt mittels Multimedia-Projektion alle "Klimaverbrecher" unter den Werbetreibenden an.
Wer aus den Gewinnerarbeiten lernt
Es haben jede Menge Celebrities auf den verschiedenen Bühnen im Festival-Palais ihre Sicht auf Werbung geteilt. Am beliebtesten sicherlich die von Ryan Reynolds, der die Probleme unserer Industrie auf "too much time and money" reduzierte und gleichzeitig die größte Herausforderung (Nachwuchs) mit einer eigenen Nonprofit Organisation bekämpfen wird. Es gab Insights über Gen Z, Purpose und Gamer und die Aufforderung letztere lieber "Player" zu nennen, immerhin nennt man Fernsehzuschauer ja auch nicht einfach "Watcher". Um die kümmert sich Netflix in Zukunft mit einer günstigeren Streaming-Variante, die nun doch durch platzierte Werbung finanziert werden wird, aber immer noch das Ziel, besseren Content als TV zu liefern verfolgt.
Das kündigten sie im Vortrag unter der bescheidenen Headline "The Future of Entertainment" an. Und dann ist da natürlich noch die Ausstellung der besten Arbeiten der Shortlists und Gewinner. Wir kommen nach Cannes, um Kreativität zu feiern, auszuzeichnen und neue Maßstäbe zu setzen. Wer also in diesem Jahr nicht zu den Gewinnern zählte, hat trotzdem Applaus verdient. Ihr habt die Arbeiten abgeliefert, die es in euren Augen verdient haben, sich hier zu messen – auch, wenn es nicht für die besten 3 Prozent der Branche gereicht hat. Wenn ihr aus den Gewinnerarbeiten lernt, wartet in nicht allzu ferner Zukunft ein Cannes Löwe auf euch.
Argumente für Cannes 2023
Wer hier jetzt allerdings eine fundiert recherchierte Festivalzusammenfassung, Trends und Entwicklungen der Kreativ-Branche erwartet, der muss bitte weiter scrollen. Nichts von alledem würde ich mir anmaßen beantworten zu können. Wer aber stattdessen gerne eine Argumentation für sein Zukunfts-Ich in Cannes 2023 hätte – für seinen Arbeitgeber, sein Team, sich selbst, den freundlichen Finanzamt Sachbearbeiter oder auch nur den nächsten Grillabend bei den Eltern, um ungeschickt vom nervigen Thema "wann kommt denn jetzt endlich Nachwuchs?" abzulenken – der ist hier genau richtig. Los geht’s.
Was hat's gebracht? Für einen selbst?
Was? Egoismus? Und dann direkt an erster Stelle? Ja, richtig. Schließlich muss man ja auch im Flieger bei sich selbst zuerst die Sauerstoffmaske aufziehen, bevor man anderen hilft. So auch hier. Jede Argumentation fängt bei und für dich an: was genau ist dir wichtig? Wer internationale Inspiration, Benchmarks, Trendtalks, Workshops, neue Kontakte, Deadpool IRL, andere Perspektiven, einen Job außerhalb Deutschlands, ein wenig lateinamerikanische Leichtigkeit, britischen Humor oder amerikanischen Größenwahn in seinem Werberleben sucht, der ist hier tatsächlich richtig. In welcher Dosis bestimmt jedoch das Budget. Cannes ist und bleibt unfassbar teuer. Wer also auf den internationalen Faktor und das pompöse Drumherum verzichten will, der kann sein ausgewähltes Netzwerk allerdings auch zum Kneipenabend um die Ecke einladen und dort eine Diskussion entfachen, um sich über eine Agentur-Arbeit oder Personalie einen Eindruck zu verschaffen. Austausch tut unserer Branche in jedem Fall gut. Wo auch immer, entscheidest ganz allein du.
Was bringt's der eigenen HR?
Nachwuchsprobleme, Fachkräftemangel, War of Talents – you name it. Die Herausforderungen unserer Branche, Menschen für uns zu gewinnen, sind nahezu übermenschlich. Hier laufen sie alle rum. In Flip Flops – sie sind also noch nicht mal besonders schnell. Kein Wunder, dass hier Headhunter unterschiedlichster Branchen mit Angeboten locken. Fröhlich werden Portfolios ausgetauscht, Whatsapp-Gruppen eingerichtet und LinkedIn-Freundschaften geschlossen – was davon im Arbeitsalltag bleibt, liegt an jedem selbst. Und Ryan Reynolds gründet gleich eine ganze Organisation dafür: Creativeladder.org. Danke, Ryan.
Was hat der CEO davon?
Hier zählen wahrscheinlich eher knallharte Fakten und keine Wünsche. Die kannst du hiermit liefern. Umfragen zufolge ist Kreativität nämlich bereits seit 2010 die wichtigste Fähigkeit, die Manager weltweit bei ihren Führungskräften suchen – sagen Studien von IBM (Quelle: https://www.ibm.com/downloads/cas/1VZV5X8J). Denn Menschen mit kreativen Führungsmethoden sind besser in Entwicklung und Implementierung von Unternehmens-Visionen und Strategien, die richtigen Talente und Ressourcen einzubinden, Ideen unabhängig von Jobtiteln zu fördern, Kollaborationen zu ermöglichen, die Organisation für diverse Perspektiven zu öffnen und das Unternehmen nicht einfach nur für die Gegenwart zu verwalten, sondern für die Zukunft zu gestalten – sagt das Harvard Business Magazin. (Quelle: https://hbr.org/2008/10/creativity-and-the-role-of-the-leader) Und da du diese Zukunft aktiv mitgestalten und dafür beim nächsten Cannes Lions Festival mit CMOs, CEOs und CCOs in den Austausch gehen wirst, beginnt dein 2023 also mit "C". Streich bitte den letzten Teil des Satzes für deinen internen Pitch. Der ist dann doch einfach nur peinlich.
Wie profitieren deine Kunden?
Fernando Machado ist auch hier!
Was bringt es deinem Team?
Creativity matters. Diese Zeilen schreibe ich eher an mein eigenes Team, denn deins kenne ich ja nicht. Aber vielleicht nützt es dir trotzdem. Unser Geschäft ist kreative Exzellenz. Davon leben wir. Ideen, die Menschen dazu bewegen, sich für die Botschaften und Produkte unserer Kunden zu interessieren. Es ist nicht mehr die Frage von B2B oder B2C oder B2B2C….es ist die Ära von H2H, Human to Human. Kreativität ist somit der einfache Shortcut durch die Lautstärke unserer Zeit – und dafür gibt es nun über tausend weitere tolle Beispiele auf den Shortlists der Cannes Kategorien. Und die weltweiten Macher dieser Beispiele findet ihr eine ganze Woche lang an ein und demselben Ort vor – schnappt sie euch. Und bringt euer eigenes Verständnis von exzellenten Ideen, Insights und Umsetzungen zurück in unsere Agenturen, unsere Branche, in Diskussionen mit dem Kunden und bitte auch in das Werbeumfeld von RTL2.
Für deine Eltern (und deren Geschwister oder Nachbarn):
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Und wer den Beitrag bis hierhin gelesen hat, der hat vielleicht sogar das ein oder andere mitgenommen aus diesem Cannes Jahr. C‘est fini – wie der Franzose so sagt. Tschüss Cannes.
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