Cannes Lions Festival:
Cannes sehen - ohne Lions? Warum das ein guter Plan ist
Nicht jeder, der während des Werbefestivals in Cannes weilt, interessiert sich für die Gewinner der begehrten Löwen. Einer, der sich von den Preisverleihungen fernhält, aber dennoch den Cannes-Aufenthalt schätzt, ist Diederick Ubels, Sage + Archer.
Als Gründer und CEO eines Start-ups aus dem Bereich Adtech hatte ich die Cannes Lions lange nicht als eine relevante Veranstaltung für uns gesehen. Ich hatte den Eindruck, dass ich einfach nur wahnsinnig viel Geld ausgeben müsste, ohne einen großen Nutzen für unser Business daraus ziehen zu können. Dieses Jahr war ich dann das zweite Mal dabei.
Unser Unternehmen wurde vor kurzem von Vistar, einem US-amerikanischen Unternehmen, übernommen. In diesem Zuge wurde ich eingeladen, in Cannes Zeit mit meinen Kolleg:innen aus den USA, APAC und Kanada zu verbringen. Wir, Vistar Media, hatten eine Yacht gemietet, auf der wir viele unterschiedliche Veranstaltungen organisierten. Und ich muss sagen: Nach mittlerweile zwei Besuchen hat sich meine Meinung zu den Cannes Lions fundamental geändert. Ich habe das Festival und alles, was damit zusammenhängt, wirklich lieben gelernt.
Es hat sich in Cannes über die Jahre ein komplettes Ökosystem von Menschen gebildet, die sich rund um die eigentliche Cannes Lions-Veranstaltung treffen. Dieses Ökosystem besteht aus vielen anderen Adtech-Unternehmen, Agenturen, Fachleuten aus der Kreativbranche und Fachverbänden, die alle entweder auch Yachten mieten, auf denen sie Events abhalten, oder Veranstaltungen in anderen Kontexten organisieren. Keiner von ihnen, inklusive mir, hatte dieses Jahr die Absicht, das eigentliche Lions-Festival zu besuchen. Wir waren alle vielmehr außerhalb des Festivals unterwegs und nahmen an den endlosen Abendessen, Partys und Veranstaltungen teil, die manchmal mehr, manchmal weniger Inhalte hatten.
Einige Kreative, die das Festival schon seit Jahren besuchen, sind keine großen Fans dieser Entwicklungen. Sie sehnen sich in die Zeit zurück, in der es ausschließlich um Kreativität ging und keine Lösungsanbieter oder Medienleute vor Ort waren. Für Teilnehmer wie mich ist dieses parallel entstandene Ökosystem rund um das Festival jedoch der entscheidende Faktor, der die Teilnahme auch für ein Adtech-Unternehmen so höchst relevant macht.
Eines der zentralen Themen in Cannes war in diesem Jahr natürlich KI. KI in den Medien, KI in der Kreation, KI in der Entwicklung. In jedem Vortrag, den ich besucht habe, wurde über KI gesprochen. Fachlich hätte ich dieses Wissen sicherlich auch in anderen Zusammenhängen erwerben können. Im Kontext von Cannes war die Präsenz dieses Themas fast schon als ironisch zu sehen, besteht doch der echte Mehrwert des Festivals für viele, mit Menschen in Kontakt zu kommen.
Einzigartig ist dabei das vorherrschende Mindset. Wie drückte es jemand so schön aus? Nach der Rückkehr ins Büro aus Cannes, lautet die erste Frage: Und? Was hast du gelernt und wen hast du getroffen? Jeder, der in Cannes anwesend war, muss schon fast obligatorisch neue Verbindungen und neue Erkenntnisse mit nach Hause bringen.
Dadurch haben während des Festivals alle die gleiche Motivation: Verbindungen schaffen. Dies führt zu einer Art Festival-Mentalität, die Menschen aus so vielen verschiedenen Kulturen und Unternehmen zusammenbringt. In Cannes kommt außerdem auf fast magische Weise nicht selten der Moment des glücklichen Zufalls hinzu. Es gibt so viele Möglichkeiten, jemanden auf einer der Veranstaltungen zu treffen, der sich als entscheidend für das weitere Wachstum des eigenen Unternehmens erweist, eine wichtige neue Perspektive aufzeigt oder mit dem ein Gespräch zu anderen überraschenden Erkenntnissen oder vielleicht einer Kooperation führt.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die einmalige Chance, Branchenexperte aus der ganzen Welt in diesem außergewöhnlich offenem und kollaborativem Umfeld zu treffen, mit ihnen in Kontakt zu treten, voneinander zu lernen, Ideen auszutauschen und wertvolle Verbindungen zu knüpfen, gepaart mit einer Prise des glücklichen Zufalls, den Reiz von Cannes ausmacht.
Sicherlich tragen auch Rosé und die Sonne etwas dazu bei, aber am Ende lieben die Menschen Cannes eben aufgrund dieses einzigartigen Ökosystems. Und das ist auch für mich der Grund, warum ich als Vertreter der Adtech-Branche Cannes mittlerweile wirklich zu schätzen gelernt habe. KI ist eine der disruptivsten Technologien unserer Zeit und hat Einfluss auf jede Branche, die Werbung nicht ausgenommen. Aber eine Veranstaltung wie Cannes bietet etwas, was KI nicht kann – die Verbindung zu echten Menschen. Und über KI haben wir uns am Ende trotzdem endlos unterhalten.
Zum Autor: Diederick Ubels ist Managing Director EMEA Sage + Arche / Vistar.
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