Ultra Fast Fashion:
So funktioniert Shein
Versand in 165 Länder, über 5.000 angeschlossene Produzenten, über 11.000 Angestellte weltweit: Auf der K5 Conference in Berlin gab der chinesische Fast-Fashion-Riese ungewohnt tiefe Einblicke in sein Geschäftsmodell.
Temu und Shein, die chinesischen Manufacturer-to-Consumer-Plattformen, waberten durch den gesamten ersten Tag der diesjährigen K5 Conference. Schon zum Auftakt beschwor Alexander Graf das Ultra Fast Fashion-Schreckgespenst, als er das Publikum mit der steilen These aufschreckte, Zalando sei das "Karstadt der Zukunft, nur ohne Rolltreppen", weil es seine Position als Fashion-Disruptor längst an die neuen Player aus Asien verloren habe.
Erst am Abend des Konferenztages trat eines der Schreckgespenster höchstpersönlich auf die Bühne - in Person von Peter Pernot-Day, Global Head of Strategy and Corporate Affairs bei der Shein Group. Der fasste das Geschäftsmodell seines Unternehmens so zusammen: "Wir sagen den Kundenbedarf akkurat mithilfe von fortgeschrittener Maschine-Learning-Technologie voraus." Oder buzzwordiger ausgedrückt: "We disrupt the fashion industry with AI".
Shein in Zahlen
Der westliche Handel nimmt Shein seit etwa zwei Jahren als Bedrohung wahr; tatsächlich gibt es das Unternehmen schon seit 2012. Heute verkauft es in 165 Länder, arbeitet mit rund 5400 Manufakturen vertraglich zusammen und beschäftigt über 11.000 Angestellte in 19 Ländern weltweit. Über Geschäftszahlen schweigt sich Shein noch aus, ebenso wie über Gerüchte über einen möglichen Börsengang; doch Peter Pernot-Day widersprach zumindest K5-Gastgeber Sven Rittau nicht, als dieser im Bühnengespräch mehrfach die kolportierte GMV-Zahl von rund 20 Milliarden US-Dollar erwähnte.
Der Geschäftserfolg des Unternehmens basiert auf intelligenter Datenauswertung und extrem kurzen Produktionszyklen: So spürt Shein mit automatisierten Technologien aktuelle Modetrends in den sozialen Netzen auf, produziert dann neue dazu passende Produkte in extrem kleinen Stückzahlen (100-200 Stück) und wirft diese auf den Markt. Die Kundenreaktion auf diesen Test-Batch wird sofort in der Produktion verwertet und für Anpassungen genutzt, erst dann kommt das fertige Produkt in großen Stückzahlen in den Verkauf. Von der Entwicklung bis zum Endverkauf vergehen oft weniger als zwei Wochen - und dieser Produktionszyklus wird, je mehr Shein über einen Markt weiß, immer kürzer, so Pernot-Day.
Internationales Unternehmen, lokale Trends
Bei der Auswertung der Trends wertet Shein Daten aus dem jeweiligen Markt aus und versucht, den lokalen Bedarf abzudecken. Um trotzdem schnell liefern zu können, arbeitet das Unternehmen seit Jahren an der Diversifizierung seiner Produktion. So wird Shein-Mode längst nicht mehr nur in China hergestellt, sondern auch in Brasilien und der Türkei, seit kurzem auch in Mexiko und bald in Indien.
Das neu eingeführte Marktplatz-Modell ist eine weitere Maßnahme, mit der Shein auf lokale Gegebenheiten reagieren will: Lokale Hersteller und Modeproduzenten, die mit Shein zusammenarbeiten, sollen Zugriff auf den Datenschatz des Unternehmens erhalten, um so eigene Mode nach dem Shein-Prinzip passgenau fürs lokale Kundenbedürfnis herzustellen und über Shein zu vertreiben.
Aktuell konzentriert sich Shein auf Einstiegspreislagen; der Durchschnitts-Preis für Shein-Produkte liegt bei 7 US-Dollar. Doch das könnte sich in Zukunft ändern; schon jetzt nimmt das Unternehmen mit einer eigenen Kollektion für Geschäftsfrauen geldigere Zielgruppen ins Visier. Die günstigen Preise erreiche das Unternehmen vor allem mit hoher Effizienz in der Produktion und geringen Kostenstrukturen, betonte Pernot-Day - und "nicht durch schlechte Arbeitslöhne".
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