Grenzüberschreitender Verkauf:
Internationale Retouren: Die wichtigsten Tipps und Tricks für Händler
Onlinehändler, die grenzüberschreitend verkaufen, müssen sich auch mit der Retourenabwicklung auseinandersetzen. Herausforderungen sind längere Laufzeiten, lokale Besonderheiten und außerhalb der EU auch die Rückabwicklung bereits bezahlter Zölle und Steuern.
Grundsätzlich ist eine Retoure aus dem Ausland mit höherem Aufwand verbunden als eine Inlands-Retoure. Dazu zählen nicht nur die höheren Versandkosten und ein erhöhter administrativer Aufwand. Auch die Paketlaufzeiten sollten nicht unterschätzt werden. Ein Artikel, der zwischen Versand und Rückkehr ins heimische Lager sechs Wochen unterwegs ist, steht diese sechs Wochen nicht für einen anderweitigen Verkauf zur Verfügung. Bei Mode-Artikeln kann dies die Weitervermarktung bereits erheblich beeinträchtigen.
Zwar sind die Deutschen Europameister im Retournieren, doch in den anderen Ländern Europas wird ebenfalls häufig Ware zurückgeschickt. Der Anteil an Personen, die innerhalb der letzten 12 Monate online bestellte Artikel zurückgeschickt haben, betrug im Jahr 2020 in Deutschland 56 Prozent. An zweiter Stelle stand Spanien mit 49 Prozent, an dritter Stelle Schweden mit 46 Prozent. Selbst die "Retouren-Schlusslichter" Polen, Norwegen und Finnland kamen jeweils auf 36 Prozent. Die Zahlen stammen aus einer Studie von PostNord.
Retouren bereits im Vorfeld vermeiden
Deshalb, so rät der Versanddienstleister Sendcloud, sollten Händler bereits im Vorfeld daran arbeiten, Retouren zu vermeiden. Die Tipps lassen sich größtenteils auch auf inländische Verhältnisse anwenden, so zum Beispiel Kundenbewertungen auf den Produktseiten oder hochwertige Produktfotos und -videos.
Geht es jedoch speziell um den Versand ins Ausland, rät Sendcloud, auf eine besonders sorgfältige Verpackung sowie auf die korrekte Adressierung der Sendung zu achten. Auch der geeignete Carrier sollte mit Bedacht ausgewählt werden, damit die Ware schnell und pünktlich ankommt.
Da jede Auslands-Retoure ins Geld geht, lohnt es sich ab einem gewissen Sendungsvolumen, in ein Retourenportal zu investieren, mit dem die Reklamationsgründe analysiert werden können. Häufig lassen sich Rücksendungen vermeiden, indem man zum Beispiel dem Kunden einen Rabatt anbietet.
Eine andere Möglichkeit, eine Retoure zu vermeiden, klingt im ersten Moment brutal, kann sich aber durchaus lohnen: Der Händler verzichtet einfach auf die Rückgabe der Ware, anstatt umständlich ihren Rücktransport zu organisieren. Abgesehen davon, dass ein solches Vorgehen sich nur bei vergleichsweise niedrigpreisigen Artikeln anbietet, hat es einen großen Haken: Spricht sich herum, dass man bei einem Shop etwas geschenkt bekommt, wenn man es reklamiert, kann das Nachahmer anlocken.
Verhältnisse im Zielland beachten
Wer im Ausland erfolgreich als Einkaufsquelle auftreten will, sollte bei der Retourenabwicklung nicht hinter den Standard zurückfallen, den lokale Wettbewerber bieten. Eine niederländische Kundin, die ihre Retoure auf eigene Kosten in ein Logistik-Zentrum in Deutschland schicken muss, ist höchstwahrscheinlich für immer verloren. Shopbetreiber sollten daher entweder ein Label für den kostenlosen Rückversand zur Verfügung stellen oder eine Rücksendeadresse im Zielland anbieten. Amazon macht seinen Händlern ein solches Vorgehen übrigens bereits seit Jahren zur Pflicht.
"Händler sollten darauf achten, dass der Versanddienstleister im Zielland ein großes Netz an Paketshops und anderen Rückgabemöglichkeiten hat", empfiehlt Iris Delmee vom Shipping Service Provider Sendcloud. "Ich zum Beispiel wohne in Eindhoven und hätte keine Lust für eine Retoure nach Amsterdam zu fahren", sagt die Niederländerin. Manchmal sei es daher sinnvoll, für den Rückversand einen anderen Carrier zu wählen als für den Hinversand.
DHL etwa bietet unter dem Namen "DHL Retoure International" die Retourenabwicklung aus zahlreichen europäischen Ländern an. Auf der DHL-Website kann man sich den lokalen Versandpartner anzeigen lassen und erfährt, wie viele Rückgabestellen dieser im Zielland unterhält. In Irland arbeitet der Bonner Logistiker zum Beispiel mit der irischen Post AnPost zusammen, die dort 1.400 Annahmestellen unterhält. Wo sich diese genau befinden, man sich auf einer Landkarte anzeigen lassen.
Für eine lokale Rücksendeadresse benötigen Händler entweder eine eigene Niederlassung im Zielland oder sie müssen auf einen Dienstleister zurückgreifen. Sogenannte Package Forwarding Provider wie etwa Shipito bieten Händlern eine Versandadresse im Land ihrer Kundschaft an. Retouren, die an diese Adresse geschickt werden, werden gesammelt und gebündelt an den Händler zurückgeschickt. Vorteil dieser Lösung ist der vergleichsweise geringe administrative Aufwand, der Nachteil sind längere Laufzeiten.
Onlinehändler sollten sich außerdem dringend mit den Regelungen zum Widerrufs- und Rückgaberecht im Zielland vertraut machen. Das britische Verbraucherschutzrecht gewährt zum Beispiel ein 30-tägiges Rücktrittsrecht für online bestellte Waren - die Kosten der Rücksendung muss der Onlineshop übernehmen.
Bei Zöllen und Einfuhrabgaben wird es kompliziert
Erheblich komplexer wird der Prozess, wenn im Fall einer Retoure Zölle und Einfuhrabgaben zurückerstattet werden müssen. Seit dem Brexit ist das auch im Verkehr mit Großbritannien ein Thema. Zwar sieht das Abkommen mit der EU vor, dass man vorerst gegenseitig auf Zölle verzichtet, doch muss für alle Waren, die ins Königreich geliefert werden, Einfuhrumsatzsteuer entrichtet werden.
Diese Steuer kann entweder der Händler vorab begleichen, oder der Paketdienstleister kann sie bei Übergabe der Sendung einziehen. In beiden Fällen steht eine Rückerstattung im Raum, wenn die Ware retourniert wird.
Der Schweizer Fulfillment-Dienstleister MS Direct bietet diese Dienstleistung sowohl für sein Heimatland als auch für UK an, der US-Anbieter Flexport verspricht ein sogenanntes Duty Drawback für zollpflichtige Sendungen in die USA und nach Kanada.
Generell empfiehlt sich für die Retourenabwicklung die Zusammenarbeit mit einem internationalen Versanddienstleister, der verschiedene Zielländer im Portfolio hat und über entsprechende Verbindungen mit lokalen Logistikern verfügt. Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn es keine eindeutigen Schwerpunktländer gibt, in die man versendet. Erst wenn das Sendevolumen - und damit das Retourenaufkommen - in einem Land ein gewisses Maß überschreitet, sollte man sich dort einen lokalen Partner suchen.
Text: Bärbel Edel
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