Kreativprozess:
"Tracking bitte nicht auf Kosten von Kreativität und Werbewirkung"
"Zu Beginn eines guten Mediaplans stelle ich mir immer die Frage, ob ich wirklich meiner Aufgabe als kreativer Berater nachkomme" - sagt Vian Feldhusen von Ultra. Denn Messbarkeit ist nicht alles.
Immer wieder höre ich, dass sich Mediaagenturen fragen, ob sie auf Online- oder Offline-Werbung setzen sollen. Die Antwort darauf ist für mich kein Entweder-oder. Aus meiner Sicht werden Zielgruppen nämlich am besten erreicht, wenn Marken beide Werbekanäle einsetzen – aber eben richtig.
Mein erstes Experiment mit Offline-Werbung startete vor acht Jahre, als ich die Kreativagenturwelt verließ, um mit „Coffee Ad“ ein Unternehmen zu gründen, das erfolgreich zielgruppengenaue Werbung auf Coffee to go-Bechern anbot. Die daraus entstandene Spezialagentur ULTRA wächst seitdem jedes Jahr im zweistelligen Bereich, mit analogen und vermehrt auch kombiniert digitalen Lösungen.
Themen wie Digital Out Of Home (DOOH), Programmatic oder Mobile sind ohne Zweifel die wichtigsten Bestandteile einer guten Mediaplanung. Was dabei allerdings nicht aus dem Blick geraten darf, ist das Thema Experience, also Kreativität in Form von inszeniertem Storytelling.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist es natürlich klar, dass sich eine Werbemaßnahme auch tracken lassen sollte. Aber das darf bitte nicht auf Kosten von Kreativität, nachhaltiger Werbewirkung und letztlich auch des Markenerfolges gehen – weil den Mediaplayern heute mehr denn je die grauen Herren aus dem Controlling im Nacken sitzen. Das zeigt sich zum Beispiel auch darin, dass sich gerade vermehrt Allianzen bilden zwischen Unternehmensberatungen und Agenturen.
Zu Beginn eines guten Mediaplans stelle ich mir immer die wesentlichen Fragen, ob ich wirklich meiner Aufgabe als kreativer Berater nachkomme. Ob ich neben den Cover-my-budget-Maßnahmen auch Mut zeige, um eine Kampagne und damit auch eine Marke und meinen Kunden mit innovativen Mitteln nach vorne zu bringen? Oder ob ich meine Marketing- und Mediaplanung lediglich aufgrund digitaler Trends erstelle, also wegen zahlengetriebener Vorgaben?
Die Zielgruppen sind vor allem digital und mobil unterwegs, mittlerweile ist aber auch sichtbar, dass sie sich beispielsweise durch AdBlocker vermehrt von der digitalen Werbeüberflutung emanzipieren. Der Trend geht ganz klar zu alternativen Gegenbewegungen, die sich mit dem Thema Digital Detox beschäftigen. Das Desinteresse wird immer größer und dadurch verlieren ausschließlich digitale Kanäle an Sympathie und damit auch an Wirkung
Die digitale Überdosis durch Automatisierungen, Programmatics und Chatbots führen schlussendlich dazu, dass etwas anderes an Bedeutung gewinnt: Kreativität und Empathie. Wir brauchen kreativ durchdachte Kampagnen, die neben digitalen, reichweitenstarken und messbaren Komponenten auch unkonventionelle überraschende analoge Maßnahmen im Lebensumfeld der Zielgruppe beinhalten – und die kurzfristig eben nicht messbar sind. Dies können gewöhnliche Ambient- und Guerillamaßnahmen sein, wie Wildposter oder Ballons in Wohngebieten. Und vor allem aber Ideen, die eine Marke oder Kampagne erlebbar machen: durch interaktive PopUp-Stores zum Beispiel, oder Installationen in Kombination mit Virtual-Reality-Elementen.
Für mich geht es immer um einen maximalen Mehrwert im persönlichen Erleben. Online und Offline. Und es geht um Mut zur Kreativität in Form von individuellen Maßnahmen. Die machen am Ende den entscheidenden Unterschied.
Vian Feldhusen war viele Jahre als Kreativdirektorin tätig, heute ist sie eine erfolgreiche Vermarkterin und Targeting-Spezialistin. Die Gründerin und Geschäftsführerin der Berliner Ambient-Media-Agentur ULTRA findet, dass Online- und Offline-Werbung nicht in Konkurrenz stehen sollten. Und warnt vor Controllern in der Medienbranche, die den Kreativprozess killen.