W&V Marketing Convention:
"Marketer müssen sich auf die Schizophrenie im Marketing einstellen"
Nüchtern wie ein Business Intelligence-Experte, leidenschaftlich wie ein Kreativer - das digitale Marketing fordert Marketern einiges ab. Bei der W&V Marketing Convention spricht Marc Opelt, Vertriebschef bei der Otto Group, über diese "Schizophrenie" und die neue Rolle des CMO.
Marc Opelt ist der Spagat gelungen: Mit der Weihnachtskampagne "Weihnachten ist in Dir" hat er die neue "Schizophrenie im Marketing" - wie er das nennt - bewältigt. Auf der einen Seite hat die emotionale Story berührt, auf der anderen konnte die Botschaft zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und bei den richtigen Kontakten ausspielen. "Das erhöht dann natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass der Content vom Nutzer als relevant eingestuft wird", sagt Opelt, Bereichsvorstand Vertrieb bei der Otto Group im W&V-Interview. Bei der W&V Marketing Convention spricht er auch über die neue Rolle des CMO.
Marketing basierte bisher auf kreativen Kampagnen für Kanäle wie TV, Print und Online. Heute steht dagegen die Automatisierung von Werbung im Fokus - und damit die Auslieferung der Werbebotschaft zum richtigen Zeitpunkt an den jeweiligen Konsumenten. Wie müssen sich Marketer darauf einstellen?
Marketer müssen sich auf die Schizophrenie im Marketing einstellen. Einerseits müssen wir mit Hilfe unserer Business Intelligence-Experten nüchterne Datenanalyse betreiben, um etwa die individuelle Ansprache und Ausspielung relevanter Onlinewerbung weiter zu optimieren. Andererseits braucht es im Kampf um die Aufmerksamkeit der Nutzer mehr denn je emotionale Botschaften und kreative Kampagnen.
Geht es tatsächlich nurmehr um den richtigen Zeitpunkt der Botschaft - und nicht mehr um die Emotionalisierung von Massen durch eine Markenkampagne?
Was bringt es der Marke, wenn ich den Nutzer zum richtigen Zeitpunkt auf seiner Customer Journey erwische, ihn mit den Inhalten meiner Botschaft aber nicht erreiche? Allein mit Hilfe von automatisierten Prozessen schaffe ich noch keine Emotionalisierung der Marke. Ohne Frage ist das technologiebasierte und datengetriebene Marketing für die Zukunft sehr, sehr wichtig. Im Hinblick auf die Emotionalität der Marketingbotschaften bleibt jedoch der Mensch und seine Kreativität der wichtigste Faktor.
Was bedeutet das konkret für Händler wie Otto?
Als Onlinehändler bewegen wir uns genau im Rahmen dieser angesprochenen Schizophrenie des Marketings. Der Einsatz von Technologie dient keinem Selbstzweck, sondern hat immer den klaren Anspruch dem Kunden einen Mehrwert zu bieten. Die Folge ist, dass wir trotz unserer Begeisterung für Technologien, Tools und das Data Driven Marketing, nicht elementare Bestandteile der klassischen Marketingarbeit aus den Augen verlieren.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Ich finde, dass uns das mit unserer Weihnachtskampagne „Weihnachten ist in Dir“ schon sehr gut gelungen ist. Einerseits haben wir die vielen Menschen dank unseres Gespürs für eine emotionale Weihnachtsgeschichte erreicht. Andererseits konnten wir die Kampagne mit Hilfe von Tools und Technologie zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und bei den richtigen Kontakten ausspielen. Das erhöht dann natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass der Content vom Nutzer als relevant eingestuft wird.
Durch intelligentes maschinen- und datengetriebenes Marketing wachsen Marketing und Vertrieb immer mehr zusammen. Wird damit der Job des Marketingleiters oder aber der des Vertriebsleiters obsolet?
In meiner Funktion bei Otto übernehme ich tatsächlich beide Rollen. Natürlich muss das nicht jedes Unternehmen so handhaben. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass Marketing und Vertrieb aber mindestens sehr eng miteinander verzahnt zusammenarbeiten sollten.
Welche Kompetenzen muss ein moderner CMO mitbringen?
Der moderne CMO ist im Idealfall der Treiber der Veränderung. Die Auswirkungen der Digitalisierung sind unmittelbar in seinem Verantwortungsbereich spürbar. Hier muss er agieren und reagieren. Sein Job ist es, die gesamte Organisation mitzunehmen und von der digitalen Transformation und der eigenen Wandlungsfähigkeit zu überzeugen. Außerdem braucht der moderne CMO heute ein breites Technologie-Knowhow. Er muss jeden Touchpoint der Customer Journey kennen, in Echtzeit steuern und auswerten können. Besonders zu seinen Experten aus den Bereichen BI und IT sollte er deswegen einen guten Draht haben.
Mark Opelt ist Redner bei der W&V Marketing Convention 2016, die sich dem Thema "Mensch oder Maschine: Marketing zwischen Kreation und Automation" widmet. Sie findet am 7. Juni in München statt.