SXSW:
SXSW: Wo geht's hier zum Epic Shit?
André Gebel, Chef der Münchner Digitalagentur Coma, ist einer von mehreren hundert Deutschen, die sich auf der Digitalkonferenz "South by Southwest", kurz: SXSW, inspirieren lassen. Seine erste Zwischenbilanz von der SXSW reicht von Obama bis zum Einhorn auf der Straße.
André Gebel, Chef der Münchner Digitalagentur Coma, ist einer von mehreren hundert Deutschen, die sich auf der Digitalkonferenz "South by Southwest", kurz: SXSW, inspirieren lassen. Seine erste Zwischenbilanz von der SXSW aus Austin, Texas.
Man stelle sich einfach mal vor, dass alle verrückten Digital-Agenturen samt deren ewig jung gebliebenen Marketingleitern auf Kundenseite zur gleichen Zeit ihren Betriebsausflug machen. Und das mal nicht in Berlin, Barcelona oder im Valley, sondern in der tiefen Weite des texanischen Hinterlands, in Austin. Damit sie nicht mit den wenigen Einheimischen verwechselt werden, gibt man ihnen noch ein sogenanntes "Badge". Die kleine, im Wind wackelnde Plastikfolie wird zu jeder Gelegenheit getragen und ist das wichtigste Accessoire hier unten. Teilt sie unsere bunte Truppe doch in Platinum, Gold und Economy Class ein.
Also rein in den größten Messe-Zirkus der Welt. Keimzelle der wichtigsten Veranstaltungen ist das Convention Center, doch nicht am ersten Tag, da pilgern ein paar wenige Auserwählte über den Colorado River zum Long Center. Kein Geringerer als der Präsident der Vereinigten Staaten, Barack Obama, hat sich angekündigt. Und das ist hier im tiefrepublikanischen Texas genau sein "Turf". Die junge Elite feiert ihn wie einen Rockstar und Obama zeigt, warum er einst eine Nation im Sturm erobert hat. Er will uns alle rekrutieren für seine Regierung. Solange es einfacher ist, online eine Pizza zu bestellen als zu wählen, besteht noch Handlungsbedarf. Sein Job ist die Bildung von Spezialisten-Teams, die sich um die technische Anbindung einer 300 Millionen-Menschen-Nation kümmern. Facebook und Google sind schon an Bord und wir alle sollen nicht nörgeln, sondern selbst mit guten Ideen um die Ecke kommen. Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei und die glücklichen Zuschauer, die ihr Ticket in einer Lotterie gewonnen haben, sprechen schon jetzt von "Epic Shit".
Doch wo sind die Meerkats, Twitters und Foursquares von Morgen? Meine Spurensuche bringt mich zu einer Veranstaltung namens "Innovation beyond 2016". Hier muss es doch nur so sprudeln vor neuen Ideen. Doch nach 10 Minuten fühlen sich meine Augenlider wie 10 Kilo-Hanteln an und ich steige auf Koffein um. Nicht aufgeben, denn schon geht es weiter mit "Making Epic Shit". Das ist mal 'ne Ansage von Regina Dugan, Vice President bei Google. Damit ist sie direkt unter Obama. Ich habe ein gutes Gefühl. Regina erzählt uns vom Projekt Soli, wo es um ein virtuelles Kontrollsystem geht. Zukünftig werden wir unsere Devices nicht durch Touch und Scroll, sondern lediglich durch das Zusammenreiben der Finger navigieren. Das wirkt im Video jedoch noch etwas ungelenk. Auch nicht mehr ganz so neu ist das Projekt Jacquard, bei dem Google in Zusammenarbeit mit Levi's kleine Platinen in unsere Klamotten einwebt. Wearables sind ein Riesenmarkt, in dem Google vorne mitmischen will. Aber das wollten sie mit ihrem Social Network G+ ja auch schon. Wesentlich spannender finde ich Spotlight Stories. Filmemacher und Künstler wurden aufgefordert, ihre Gedanken zur neuen 360 Grad-Videotechnologie zu verwirklichen. Schließlich erfordern neue Technologien auch neues Storytelling. Kann man sich auch schon auf Youtube anschauen. Zum Schluss der übliche Aufruf zu mehr Innovationen. Zudem sollte man die Angst zu scheitern einfach ignorieren. Ohne Fail keine Innovation. Ja, diese Amerikaner, da haben sie uns einiges voraus.
War das jetzt epic? Bin mir noch nicht so sicher und mache mich auf den Weg zum German Haus. Finanziert durch eine Handvoll ambitionierter Bundesländer, trifft man hier regelmäßig auf die rund 500 deutschen Teilnehmer und kann bei Cocktails, Bier und Kuchen so herrlich über das digitale Blitzgewitter philosophieren. Und da treffe ich auch Peter Kämpf, Leiter F&E bei Stabilo. Und siehe da, er hat den Epic Shit gleich selbst entwickelt und zeigt mir stolz den Prototypen seiner Digi Pen. Ein digitaler Kugelschreiber, der nicht nur mit blauer Mine den Notizblock füllt, sondern per Bluetooth auch gleichzeitig eine Notiz im iPad kreiert. Leider gibt es den Stift noch nicht im Laden, aber Peter Kämpf ist ganz zuversichtlich ihn am Ende des Jahres unter den Weihnachtsbaum zu legen.
Das eigentliche Highlight der SXSW ist eindeutig der bunte Straßenkarneval, der alle Locations miteinander verbindet. Fiedelnde Werwölfe, angefressene Zombies oder ein echtes Einhorn fungieren als lebendige Billboards. Vielleicht ist Live Advertising ja der "next epic shit"? Zumindest sind es die Jungs und Mädels von getservice.com, die mit ihren blauen Zipfelmützen optisch jede Warteschlange bereichern. Sie fungieren als Platzhalter für den wartenden Festivalbesucher, der dann kurz vor Einlass mit seinem realen Avatar tauscht. Schöne Idee für die Zukunft, wäre heute nicht das Ende der Welt. Die US-Serie Mr. Robot mit Christian Slater ruft zur "End of the World Party". Und mit Freibier und Hot Dogs kriegt man auch die bestbezahlten Tekkies rum. Also setze ich meine fsociety Maske auf und freu mich aufs Ende der Welt.
André Gebel ist Vorstand Beratung & Strategie bei der Coma AG, München. Der Diplom-Kaufmann entwickelt mit seinem Team Lösungen in allen Bereichen des Digital-Marketings. Für die Biermarke Franziskaner Weissbier verantwortet die Agentur die gesamte digitale Umsetzung der Markenstrategie. Für Tempo entwickelt Coma digitale Kampagnen und verantwortet den Social-Media-Auftritt. Auch Saturn und Webasto setzen seit vielen Jahren auf Coma. Zu den weiteren Kunden zählen Artdeco, Vodafone, Deutschland Card, Demak Up und der Deutsche Alpenverein.