Interview:
„Die Konzepte von morgen entstehen heute“
Nicht nur der Sport muss sich durch die Coronakrise neu erfinden, sondern auch das Sportsponsoring, fordert Inka Müller-Schmäh, Geschäftsführerin der Vereinigung Sportsponsoring-Anbieter e.V. VSA.
Frau Müller-Schmäh, wie geht es dem Sportsponsoring in Corona-Zeiten?
Dem Sportsponsoring geht es ähnlich wie dem Sport: Die Coronkrise hat uns – wie viele andere Bereiche des öffentlichen Lebens – hart getroffen. Und stellt uns vor noch nie dagewesene Herausforderungen. Dabei ist die Gesamtdauer der Corona-bedingten Einschränkungen ein relevanter Faktor. Momentan sehen wir erste ermutigende Entwicklungen nach dem Lockdown. Trainings werden Schritt für Schritt wieder möglich, die Bundesliga ist weltweiter Vorreiter und zeigt, wie der Einstieg in Wettkämpfe gelingen kann, weitere Ligen und Sportarten werden in den nächsten Wochen mit angepassten Konzepten folgen. Es liegt aber noch ein sehr langer Weg vor uns, bis wir von einer „neuen Normalität“ sprechen können. Dabei hilft allen Beteiligten, was wir im Sport gelernt haben: Teamgeist, gemeinsam durchzuhalten und Hindernisse zu überwinden.
Wie reagieren die Sponsoren in der Krise?
Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Die Sponsoren sind längst Bestandteil der Sportfamilie. In der Regel haben unsere Mitglieder sehr stabile und belastbare Beziehungen zu ihren Partnern aufgebaut, die auch unter den gegenwärtigen Umständen gut funktionieren. Viele Sportarten finden derzeit noch nicht oder in Sonderformaten statt. Umso wichtiger sind kreative Konzepte, wie der Sport auch mit den momentanen Einschränkungen ausgeübt und präsentiert werden kann.
An welche Konzepte denken Sie?
Nicht nur der Sport muss sich in gewisser Weise „neu erfinden“, sondern auch das Sportsponsoring. Die Konzepte von morgen entstehen heute. Wir wollen innovative Wege für das Sportsponsoring aufzeigen, um auch künftig emotionale Geschichten zu erzählen – nach dem Motto: „Gemeinsam schreiben wir Geschichten“.
Haben Sie dafür schon Beispiele?
Es gab bereits in den vergangenen zwei Monaten viele als Reaktion auf die veränderten Rahmenbedingen schnell umgesetzte Beispiele aus der digitalen Welt – ich denke da unter anderem an die Deutsche Eishockey Liga, die ihre große Gala schon vier Wochen nach dem Lockdown virtuell hat stattfinden lassen, die virtuellen FIFA-Formate der Fußballer oder den Ravenol ADAC GT Master-Talk. Es wurden Wettkampfkonzepte angepasst. So wird die Easycredit Basketballbundesliga ihre Saison in einem komplett neuen Format in München fortsetzen, andere Sportarten entwickeln ebenfalls virtuelle Ideen, wie Sporttreiben auch aus der Entfernung miteinander gegeneinander möglich ist. So werden unsere emotionalen Geschichten auch neu geschrieben und erzählt.
Sehen Sie auch Möglichkeiten, gerade jetzt neue Unterstützer aus der Wirtschaft für eine Partnerschaft mit dem Sport zu gewinnen?
Die Gewinnung neuer Sponsoren ist derzeit natürlich eine Herausforderung, aber nicht unmöglich! Es gibt eine große Loyalität bei den aktuellen Partnern, und Fans honorieren es gerade sehr, wenn sich Unternehmen in ihrem Lieblingssport engagieren. Sportsponsoring lebt von Emotionen, und es gibt ja nichts Emotionaleres als den Sport. Jetzt ist die Zeit für neue, innovative und zukunftsweisende Projekte, die Sport und Sponsoren gemeinsam entwickeln.
Welche Handlungsfelder in der näheren Zukunft sehen Sie als VSA?
Der Sport hat eine hohe gesellschaftliche Bedeutung und Berechtigung. Sport ist über alle Bevölkerungsschichten hinweg verankert und spielt eine wichtige Rolle im Leben der Menschen. Darauf bauen wir auf. Wir verstehen Sportsponsoring immer schon als echte Partnerschaft. Gerade jetzt haben wir die Chance, Werte und Nachhaltigkeit zu leben und gemeinsam mit den Partnern gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen. Sponsoren sind längst Bestandteil der Sportfamilie und dabei eine wichtige Stütze des Sportsystems…
… nicht nur des Sportsystems, sondern auch als Wirtschaftsfaktor, oder?
Ganz genau. Wir müssen gleichzeitig darauf aufmerksam machen, dass der Sport auch ein wichtiger Wirtschaftszweig ist, der Konsum veranlasst und Umsätze generiert. Der Sport ist ein wirtschaftlich sehr relevantes Ökosystem, das nicht unerheblich zum Bruttosozialprodukt beiträgt und eben keine reine „Spaßveranstaltung“ darstellt. Wir brauchen mutige Investitionen, innovative Konzepte und eine Vision für unser Geschäft – die VSA wird in diesem Prozess weiterhin wichtige Schnittstelle und Impulsgeber sein.
Inka Müller-Schmäh ist seit Oktober 2012 bei der VSA: Zunächst als Justiziarin und seit Januar 2014 als Geschäftsführerin. Davor war sie als Rechtsanwältin bei der Kanzlei Kärgel de Maiziére & Partner in Berlin tätig. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit war von Beginn an das Sportrecht. Seit 1997 war Inka Müller-Schmäh als Schiedsrichterin im Einsatz: erst in der Frauen-Fußball-Bundesliga, seit 1999 in der Herren-Oberliga und -Regionalliga sowie 2008 bei den Olympischen Spielen. Nach zwanzig Jahren in der Frauenbundesliga beendete sie ihre Laufbahn im Sommer 2017. Die Vereinigung Sportsponsoring-Anbieter e.V. (VSA) ist ein Zusammenschluss von Sponsoringrechte-Inhabern, deren Vermarktungsgesellschaften und Agenturen. Die Vereinigung versteht sich als Interessensvertretung der Rechteanbieter und bündelt die Kompetenzen des organisierten Sports, um das Sportsponsoring als notwendige Finanzierungsgrundlage des Sportsystems abzusichern.