Interview: Tim Lobinger: :
Eigensinn statt Normierung: Was sich Sportler von Sponsoren wünschen
Sich mit einem Profi-Sportler zu schmücken, das mögen vielen Unternehmen. Dabei dürfen sie seine Einzigartigkeit nicht zu sehr beschneiden, findet Ex-Hochleistungssportler und Trainer Tim Lobinger.
Tim Lobinger gefällt sich am besten in der Rolle als Trainer. Dort sieht er das große Ganze, was die Welt des Sports ausmacht. Auch Technologien prägen die weitere Entwicklung maßgeblich. Der Ex-Stabhochspringer spricht im Interivew mit W&V über Gesundheitschips im Körper, was sie für den Sport leisten - und warum auch Kleingruppen wieder angesagt sein werden.
Du kennst Sport und Sportvermarktung aus vier Blickwinkeln: des Zuschauers, des Profi-Sportlers, des Trainers und des Managers. Welche ist die Beste aller Welten?
Das Spannende als Sportler ist für mich, dass man Sport und Sportgeschichte beeinflussen kann. Als Trainer lässt sich die Karriere eines Sportlers aus einer anderen Perspektive erleben. Seine Entwicklung aktiv zu begleiten und zu steuern, finde ich großartig. Das hat eine weitaus größere Dimension, als wenn allein der Sport im Fokus steht. Durch das Auge des Zuschauers ist Sport natürlich immer sehr interessant, wenn da auch Leichtathletik nicht ganz vorne rangiert. Das ist gelebte und gefühlte Emotion, die sich im Fernsehsessel oft viel intensiver auskosten lässt als im Stadion. Dort ist das eigene Blickfeld reduziert und man bekommt nicht immer alle Ereignisse sofort mit.
Also sind etwa alle Rollen gleich gut - auch die des Managers?
Meine Rolle als Manager oder auch Berater hat mich bisher am wenigsten ausgefüllt. Im Vergleich zum Trainer hat man viel weniger Einfluss auf den Sportler und weniger Einsichten in seinen Trainingsalltag und seine Leistung. Es viele Berater, die den Sportler deswegen häufig eher behindern statt unterstützen. Das hängt letztlich auch damit zusammen, dass der Manager oder der Berater kein geschützter Beruf ist und es daher weder Qualitätsstandards noch eine professionelle Ausbildung gibt.
Was muss man als Profi beachten, wenn man mit Unternehmen zusammenarbeitet?
Vor gut zehn Jahren haben sich Sportler noch Emotionen und Äußerungen erlaubt, und haben mal ihre politische Meinung kundgetan. Heute leben sie sehr nach Etikette, um einem Unternehmen keinen Schaden zuzufügen, indem sie sich abseits der getroffenen Vereinbarung verhalten. Als Folge dessen ist ihr Privatleben extrem eingeschränkt. Falls es zum Beispiel vertraglich vereinbart ist, dass sie nicht Skifahren dürfen, sie tun es aber doch und werden dabei gesehen, dann ist das Drama da. Während der Sportler früher gerne anecken durfte, ist es heute schwer die Unternehmen zufrieden zu stellen. All diese Normierungen beschneiden den Charakter eines Sportlers. Den braucht er aber, um in seiner Disziplin seine volle Stärke leben zu können.
Was ist Dein Tipp?
Jeder Sportler sollte versuchen sich aus seiner finanziellen Abhängigkeit zu befreien, um der Gefahr zu entrinnen, sich manipulieren zu lassen. Dafür muss er lernen, zu einigen Angeboten und Bedingungen Nein zu sagen. Wenn Unternehmen die eigenständige Persönlichkeit des Sportlers wieder mehr respektieren und schätzen lernen, dann sehe ich eine Win-Win-Situation.
Heute bist Du vor allem als Trainer und Manager tätig: Wie hat sich Dein Blick auf das Sport-Business gewandelt?
Ein Sportler sieht seine Disziplin als den Nabel der Welt. Für seinen Sport hat er eine hohe und recht naive Begeisterungsfähigkeit. Die meisten anderen Dinge werden beiseite geschoben - es bleibt keine Zeit, um nach links oder rechts zu gucken. Erst als Trainer oder Coach sieht man dann das Big Picture und realisiert, wie viel Aufwand ein Wettkampf eigentlich bedeutet. Und wenn man kein Fußballspieler in der Bundesliga ist, ist es meist auch frustrierend zu sehen, dass diese Mühen dann zuweilen nicht honoriert werden. Zum Beispiel in dem ein TV-Team vor Ort ist, um die Momente, für die sich ein Sportler lange vorbereitet hat, festzuhalten.
Einsam oder gemeinsam: Wie treiben wir Sport in zehn Jahren?
Gesundheitschips im Körper zu tragen, wird für Sportler normal werden. Einerseits wird es damit möglich noch ein viel größeres Leistungsoptimum herauszuholen. Andererseits wird dann auch für den Zuschauer im Stadium ersichtlich, wie hoch der Puls von einem Sportler gerade ist: Der Sportler wird für den Zuschauer greifbarer. Doch wird es auch eine Gegenbewegung geben: Menschen werden in Kleingruppen zusammen kommen, um Sport zu treiben - völlig ohne Technologie.
Wie treiben wir Sport in zehn Jahren? Auf diese Frage und andere mehr antwortet Tim Lobinger am 30. April 2019 beim W&V Sportmarketing Summit in München. Hier geht's zum Programm und zur Anmeldung.