Screenforce Days 2021:
Sascha Lobo: Die drei Säulen guten Fernsehens
Online-Vordenker Sascha Lobo weiß genau, worin die Kraft des Fernsehens liegt und warum das Medium auch für Jüngere attraktiv ist. Was er der TV-Branche ans Herz legt, erzählt er im Interview mit Moderator Wolfram Kons.
Seine Domäne ist das Internet, aber auch er hat die Wirkung des Fernsehens schon am eigenen Leib erfahren. Sascha Lobo, vor allem als Blogger und Autor mit Schwerpunkt Digitalthemen bekannt, stand Moderator Wolfram Kons bei den Screenforce Days 2021 Rede und Antwort. Dem Vermarktertreffen, das in diesem Jahr virtuell stattfindet, war es wichtig, auch Stimmen von außerhalb der Branche zu Wort kommen zu lassen und mit ihnen über die Zukunft des Mediums zu diskutieren.
Als Twitter seinen Anfang in Deutschland nahm, war Lobo derjenige mit den meisten Followern, doch das Blatt wendete sich, als ihn plötzlich Fernsehgrößen vom Thron stießen. Spätest da war Lobo klar, welche Kraft das Fernsehen auch heute noch hat. Sie beruht seiner Meinung nach auf drei tragenden Elementen.
Die 3 Säulen des TV-Geschäfts
Live-Gefühl
Das Gefühl, bei etwas live dabei zu sein, hat das Fernsehen nicht nur "erfunden" (trotz des Vorläufers Radio), sondern "zur Perfektion getrieben". Da sei das Internet noch lange nicht so weit, räumt Lobo ein. Dabei kommt es gar nicht unbedingt darauf an, dass etwas "live" stattfindet, aber dass es für den Zuschauer dieses Live-Gefühl gibt.
Community
Vor dem Bildschirm formt sich eine Community, die auf ikonischen Persönlichkeiten basiert, die dieser Community unter Einbeziehung sozialer Medien ständig neue Nahrung gibt. So erscheinen etwa in Sozialen Medien über die Woche verteilt Teaser, die dann auf das TV-Event, etwa eine wöchentliche Magazinsendung oder eine Talkrunde hinweisen. TV-Macher sollten diesen Community-Gedanken neu denken und transformieren.
Inszenierung und Eventisierung
Das ist für das Fernsehen "absolut essenziell", findet Lobo. Und es funktioniert auch mit lange geplanten Inhalten wie etwa Filmen und Serien. Auch hier kommt es auf das Zusammenspiel mit Sozialen Medien an.
"Goldenes Kalb Kontext"
Anstatt die Häppchenmentalität im Netz zu beklagen, fordert Lobo, sich auf die Stärken des TV zu besinnen und sich einzugestehen: "Entkontextualisierung ist Standard". In der Pandemie habe es etwa Markus Lanz geschafft, zu einer Instanz zu werden - eine Instanz, die es so nur im Fernsehen geben kann - gemessen an Zitierfähigkeit und Verweisfähigkeit. Das Bewegtbild, das eben noch live zu sehen war, bekommt eine Vielzahl von Ableitungen. Kein anderes Medium könne diese Funktion der Instanz einnehmen.
Zudem vermittle eine Sendung wie Lanz Synchronizität. Der Zuschauer wisse, dass er jetzt etwas sieht, das - gefühlt - die halbe Republik gleichzeitig wahrnimmt - und die andere Hälfte dann später asynchron.
Werbung ist gut aufgehoben im TV-Umfeld
Das Thema Targeting sieht er gleichzeitig als überschätzt und unterschätzt an, vielmehr komme es bei einigen Werbezielen bewusst auf Inszenierung und Relevanz an, wie sie das Fernsehen bietet. So vermittle ein Spot, der während eines Länderspiels laufe, eine ganz andere Größe als eine Vielzahl an Facebook-Spots oder anderer Internetwerbung.
Einen bestimmten Teil an Werbung kann das Internet besser, da lohne es sich nicht, darum zu kämpfen, aber da, wo es nicht nur im Abverkauf geht, sollte das Fernsehen seine Kraft investieren. Ein gutes Beispiel dafür seien die Super-Bowl-Spots. Auch hier sieht Lobo seine Theorie der drei Säulen bestätigt.
Was Sender mit Ladenlokalen gemeinsam haben
Auch wenn einige es vielleicht als Schock-Botschaft verstehen: TV-Sender befinden sich in einer ähnlichen Lage wie klassische Läden. Früher brauchte es einen Grund, um online zu bestellen. Heute hat es sich umgedreht. "Trotzdem gehen auch junge Leute noch in Läden - und schauen fern". TV-Macher sollten darüber nachdenken, wie schaffe ich trotz des Internetangebots das Besondere. "Nicht aufgeben, aber auch nicht größenwahnsinnig werden", empfiehlt Lobo. "Für die guten Dinge muss man lange und hart arbeiten. Das ist die Verantwortung der Medienmacher genau jetzt."