Screenforce Days 2021:
Die TV-Sender definieren ihre gesellschaftliche Rolle neu
Die Zeit des "anything goes" im Privatfernsehen ist vorbei - so formuliert es El Cartel-Chef Andreas Bartl. Auch die anderen Sender positionieren sich mit neuen gesellschaftsrelevanten Formaten. Der W&V Content Talk.
Beim W&V Content Talk am zweiten Tag der Screenforce Days 2021 dreht sich alles um Programmtrends und wie sich die Sender in punkto gesellschaftliche Relevanz derzeit positionieren. Ihre Ansichten dazu teilen Susanne Aigner, Geschäftsführerin Discovery, Eun-Kyung Park, SVP & General Manager Media bei Walt Disney, Andreas Bartl, Geschäftsführer El Cartel Media & RTLzwei sowie Henrik Pabst, Chief Content Officer und Geschäftsführer bei Seven.One Entertainment Group. Die Moderation übernimmt Screenforce-Chef Malte Hildebrandt.
Stehen wir an einer Zeitenwende? Im vergangenen Jahr hat die Gesellschaft nicht nur die Corona-Pandemie verunsichert, sondern auch politische Vorgänge wie der Sturm aufs Capitol. Sie alle haben die Sender zum Nachdenken gebracht und dazu geführt, bestimmte Programmschwerpunkte stärker zu betonen.
Hildebrandt sieht das Fernsehen als "Kitt, der die Gesellschaft in dieser Krise zusammengehalten hat". Aigner betont dagegen eher die Solidarität, die in der Krise durchgetragen hat. Dennoch nimmt auch sie wahr, dass die "Relevanz von Bewegtbild einen enormen Schub bekommen hat". Es biete einen Blick in die Welt, sorge für Ablenkung und stille das Informationsbedürfnis. Aigner erkennt seit Beginn der Pandemie verschiedene Phasen - vom Informationsbedürfnis über den Eskapismus bis hin zum Wunsch, wieder hoffnungsvoll nach vorne zu schauen. "Discovery hat in dieser dritten Phase profitiert", so ihr Fazit.
Zwei Werte sind ihr in dieser Zeit besonders wichtig geworden: Vertrauen - auch in die eigenen Mitarbeiter, in Zuschauer und Kunden. Zuverlässigkeit - beständig, tollen Content zu liefern.
Bei Walt Disney macht man sich schon länger Gedanken über die gesellschaftliche Verankerung, nicht nur bei den Jugendinhalten. Das Ziel, so Eun-Kyung Park: "Bestes Entertainment mit großartigem Storytelling verbinden." Walt Disneys Erbe stehe für Qualität, Innovation und große Geschichten. Gleichzeitig gehe es darum, viele neue Kulturen zu integrieren, aktuelles Zeitgeschehen einfließen zu lassen und neue Themen zu entwickeln. Dazu zählt etwa der World Earth Day. Über Walt Disneys Plattformen wurden etwa eine Milliarde Menschen weltweit erreicht.
"Die Sozialreportagen bei RTLzwei leisten Aufklärung über Armut und sozialschwächere Milieus", ist Andreas Bartl überzeugt. Der Sender wolle nicht nur zeigen, wo Menschen in Not sind und ihnen auf Augenhöhe begegnen, sondern auch soziale Empathie auslösen. Die RTL2: Dokus RTL2
Er erkennt inzwischen eine breite Bewegung, dass Massenmedien sich der gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind. Neben der Pandemie sieht er noch weitere "Triggerpunkte", etwa den Sturm aufs Capitol, der deutlich gemacht habe, dass man Demokratie verteidigen muss. Die Zeit des "Anything goes" im Privatfernsehen sei endgültig vorbei.
Bei ProSieben sorgten Joko und Klaas mit ihrer Sendung zum Pflegenotstand für viel Aufmerksamkeit - und erhielten Lob von allen Seiten. Eine Schiene, die Henrik Pabst weiter stärken will - etwa mit den Köpfen Jenke von Wilmsdorff und Thilo Mischke. Seine Doku über Rechte erhielt den Civis-Medienpreis. Ab Herbst starten Linda Zervakis und Matthias Opdenhövel mit ihrem neuen Format. Eine große Änderung steht außerdem für 2023 an: ProSieben baut in Unterföhrung eine eigene Newsredaktion auf.