Junge Zielgruppen:
Generation Z: "Tageszeitung lesen oder Telefonieren finden wir seltsam"
Er ist der Shooting-Star der jungen Generation: Charles Bahr ist 17 und führt erfolgreich seine eigene Agentur, mit der der die ganz Großen berät. Im Interview spricht er über die Generation Z - und erklärt, wie sie tickt.
Charles, Du bist Vertreter der Generation Z und weißt genau, wie diese Generation tickt. Lebt Ihr in einer Parallelwelt neben den älteren Generationen her?
Es kommt ja immer darauf an, wie man 'Parallelwelt' definiert. Wenn man nach dem Medien-Nutzungsverhalten geht, lebt meine Generation definitiv in einer Parallelwelt im Vergleich zu den Älteren. Die Plattformen, die wir nutzen sind vielleicht teilweise die gleichen – aber die Ziele und die Art der Inhalte, die man dort konsumiert, sind total verschieden. Und übrigens auch die Lebensziele.
Was heißt das? Welche Inhalte und Lebensziele habt ‚Ihr‘, die ‚wir‘ nicht haben?
Bei der Gen Y und Gen Z steht die Work-Life-Balance mehr im Fokus und ist nicht nur ein Buzzword, so wie es bei älteren Generationen häufig der Fall ist. Wir legen Wert auf einen Ausgleich, und darauf, dass wir das machen, was uns Spaß macht. Dafür stehen wir dann gerne auch mal eine Stunde früher auf. Wir streben mehr nach Erfolg und Anerkennung, aber auch nach Spaß. Beides bekommt man auch in sozialen Netzwerken.
Wie müssen oder können sich Unternehmen als Arbeitgeber darauf einstellen?
Die großen Konzerne beschweren sich auf der einen Seite, dass die jungen Leute unverschämte Forderungen haben. Auf der anderen Seite werden viele so, wie sie jetzt ticken, aber keine Nachwuchstalente finden! Da passiert gerade eine echte Evolution. Unsere Ansprüche sind komplett anders als das, was geboten wird. New Work wird wichtiger. Und damit meine ich keinen Kicker oder Snacks im Konferenzraum. Das ist eine Sache der Haltung. Wenn es selbstverständlich ist, dass man freitags auch mal Home Office machen kann oder das Unternehmen den Mitarbeitern vorlebt, dass man hier wirklich im Team arbeitet, macht das deutlich mehr aus, als irgendwelche technischen Gegebenheiten, die vielleicht ganz cool sind.
Ist Social Media auch eine Parallelwelt – oder gehört das in Deiner Generation mittlerweile zum ‚echten Leben‘?
Social Media ist unser primäres Kommunikations-, aber auch Unterhaltungsmedium. Dazu brauchen wir eigentlich kein Fernsehen mehr. Die Älteren nutzen Social Media zwar auch, aber nicht so schnell, nicht so intuitiv. Insgesamt kommen wir damit etwa auf die gleiche Bildschirmzeit, die die Menschen früher vor dem TV verbracht haben. In dieser Zeit konsumieren wir aber viel viel mehr Content! In den letzten sieben Tagen habe ich 16 Stunden auf Instagram verbracht! Und lange Videos gucke ich da nicht an (lacht). Unternehmen, die nicht jeden Tag frischen Content in den Netzwerken verbreiten, werden bald den Anschluss an die Gen Y und Gen Z verlieren. Denn was früher ARD, ZDF und ProSieben waren, sind heute Youtube, Instagram und Snapchat. Man braucht aber Durchhaltevermögen, denn nicht jeder Content geht immer gleich durch die Decke. Und der Trend, Content vertikal zu produzieren, kam eigentlich viel zu spät. Das haben immer noch nicht alle kapiert. Content sollte so produziert werden, wie er genutzt wird! Und das ist kein klassisches 16:9-Format mehr.
Was ist mit Facebook?
Das nutzt meine Generation eigentlich höchstens dazu, um nachzugucken, wann die Eltern Geburtstag haben.
Leben Influencer in einer Parallelwelt?
Im Idealfall nicht. In der Regel ist es aber so, dass viele Influencer, mit denen Du gerade noch ganz normal gesprochen hast, plötzlich komplett anders reden und sich anders verhalten, wenn sie eine Kamera vor der Nase haben. Man kann sich aussuchen, was man aus seinem Leben mit den anderen teilt – und produziert so auch wieder Parallelwelten. Ich selbst poste meistens, wenn ich essen gehe, unterwegs bin oder arbeite. Mit dem Ergebnis, dass alle denken, ich esse, reise oder arbeite eigentlich nur! Das stimmt aber nicht, nur alles andere teile ich eben nicht auf Instagram.
Grundsätzlich ist ein Influencer aber sicher dann erfolgreicher, wenn er er selbst bleibt – und sich nicht verstellt. So wie übrigens viele Youngfluencer, die jetzt total angesagt sind. Zum Beispiel „Leoobalys“ – sie ist 15 und hat schon 912.000 Follower. Wenn sie ein Video hochlädt, bekommt sie echt abnormal viel Reichweite! Weil sie sich nicht verstellt! Ein Influencer muss so sein, wie er ist. Die Lochis zum Beispiel haben das Gegenteil vorgemacht. Jeder zweite Deutsche kennt die Lochis, sie haben eine riesen Reichweite. Das sind schon fast Stars. Die tragen Uhren für 30.000 Euro und fahren teure Autos – die Zielgruppe ist aber erst 11. Das hat irgendwie nicht zusammengepasst, mittlerweile haben sie aufgehört. Die Geschichten, die ein Influencer erzählt, dürfen eben nicht aus einer Parallelwelt kommen. Wer das gut macht – auch wenn das jetzt komisch klingt – ist Dieter Bohlen. Der ist auf Instagram plötzlich mega angesagt. Das ist zwar schon eine Parallelwelt per se – aber trotzdem ist er authentisch. Und deswegen irgendwie erfolgreich!
Wie wichtig sind Influencer für junge Generationen?
Sie gehören dazu. Was früher die Backstreet Boys waren, sind heute die Influencer. Nur, dass die sozusagen anfassbar sind und man sie auch mal fragen kann, wo sie ihr T-Shirt gekauft haben.
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Die Digitalisierung fragmentiert die Welt – die einen leben in der virtuellen Realität, die anderen schicken noch Faxe. Nimmst Du das als junger Mensch, der mit Smartphone aufgewachsen ist, auch so wahr?
Sagen wir mal so, manche Geschäftsmodelle sind ja immer noch nur so halb digital. Wie die Taxi-App, bei der ich dann den Fahrpreis ja doch wieder manuell eingeben muss oder die digitale Vorbereitung eines Behördengangs. Das macht das normale Leben zumindest mal erträglicher. Was aber wirklich eine Parallelwelt ist, sind E-Mails und Anrufe! Beides sind Kommunikationsmittel, die ich suspekt finde. Denn wann passiert es denn schon mal, dass der Angerufene gerade genauso viel Zeit hat zu telefonieren und in derselben Nutzungssituation ist, wie der Anrufer? Ich nenne das synchrone Kommunikation und finde das schwierig, nicht zeitgemäß. WhatsApp, Slack oder Sprachnachrichten sind doch viel sinnvoller. Und E-Mails gehen in einem Wust aus digitaler Post einfach unter. Ich tippe zum Beispiel keine Emails mehr per Hand, sondern nutze die Diktierfunktion. Überhaupt erledige ich fast alles mit dem Smartphone. Und denke dann nach ein paar Tagen: 'Dein Laptop könntest Du auch mal wieder benutzen…'
Ist Voice-Marketing eine Parallelwelt?
Ja, noch. Aber in zwei bis drei Jahren werden wir alle morgens nach dem Aufwachen sagen: Alexa, Google, sag mir, was heute passiert. Und dann kommt es darauf an, wer uns diese News dann präsentiert. Das wird noch spannend.
Wie finden wir denn alle auf dem gleichen Planeten in ein und dieselbe Welt zusammen?
Am Ende leben wir ja alle in einer Welt und das ja auch ganz harmonisch. Aber jede Generation braucht ihre eigenen Ziele und Rückzugsorte. Wenn meine Mutter plötzlich mit einem Snapchat-Account ankommen würde, wäre das ja auch uncool. Genauso, wie wenn ich plötzlich die Tageszeitung lesen würde!
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