Influencer Commerce:
Stilnest: Wie Fashionistas Schmuck verkaufen
Das "Verlagshaus für Designschmuck" Stilnest macht Influencer wie Modeblogger und Style-Ikonen zu Schmuckdesignern. Deren Reichweite verhilft dem Berliner Startup zu Millionenumsätzen.
Ein "Verlagshaus für Designschmuck" sein - mit diesem Anspruch gründeten die drei Freunde Michael Aigner, Tim Bibow und Julian Leitloff vor vier Jahren noch aus dem Studium heraus Stilnest. Alle drei Jungunternehmer hatten sich lange mit 3D-Druck beschäftigt und sahen im Online-Handel von Schmuck, den Designer entwickeln und der per 3D-Druck produziert wird, Potenzial. Die dafür notwendige Produktionslogistik war schnell aufgebaut - und das weltweit. Inzwischen verkauft Stilnest nach Europa, in die USA und nach Asien. 30 Prozent seiner Umsätze generiert das Startup in Deutschland, 40 Prozent in Großbritannien und weitere 30 Prozent in den USA.
Wie motiviert man Influencer?
Zwei Jahre nach dem Launch bemerkten die Gründer allerdings: Kooperationen mit Designern sind zwar toll, doch wenn man Influencer dazu motivieren könnte, Schmuck zu kreieren und dafür in ihren Kanälen zu trommeln, könnte der Absatz noch stärker angekurbelt werden. Also gingen die Jungunternehmer auf die Suche nach Fashion-Designern und Fashion-Bloggern, die im Social Web entsprechend Buzz generierten.
"Für uns sind Influencer in zwei Größenordnungen spannend", erzählt Mitgründer Tim Bibow. "Die zwischen 250.000 und einer Million Followern und die ab einer Million bis fünf Millionen Follower." Wer kleiner ist, sei irrelevant, wer größer ist, baue sein Geschäft in der Regel ohne Hilfe von außen auf. Den Micro- und Midi-Influencern allerdings könne Stilnest oftmals bessere Angebote machen als die Konkurrenz, sagt Bibow: "Von anderen Brands bekommen sie vielleicht einmalig mehr Geld, doch bei uns können sie auch ihre eigene Marke stärken und gleichzeitig langfristig Umsätze generieren", so der Tenor.
Und das geht so: Fashionistas wie Anna Saccone oder der Youtube-Star Nilam Farroq kreieren zusammen mit dem Inhouse-Designstudio von Stilnest ihre eigene Schmuckkollektion. Und das ist mehr als nur Name-Dropping: "Wir geben Tipps bei Trends oder Preisen, aber es ist sehr wichtig, dass die Influencer selbst die Kreation übernehmen. Das letzte Wort liegt immer bei ihnen", sagt Bibow. Danach werden die Produkte gefertigt, ein eigener Shop erstellt und die Marketing-Strategie besprochen, um die Influencer zur Produktmarke aufzubauen. Während die Mode-Blogger ihr eigenes Netzwerk nutzen, um ihre Kollektion zu verkaufen, kümmert sich Stilnest um Affiliate Marketing, Performance Marketing, Video-Inhalte oder Lookalike-Audiences bei Facebook. Für die Zukunft hält Bibow auch TV-Werbung für denkbar: "Das ist noch ein Stück weit weg, aber nicht unrealistisch", sagt er.
Wie misst man Influencer-Erfolg?
Mit einigen Influencern erzielt Stilnest heute schon Jahresumsätze von 1,5 Millionen Euro - und das rein organisch. Mit noch gezielterem Marketing, davon ist Bibow überzeugt, ließe sich diese Summe "relativ einfach verdoppeln." Aktuell hat Stilnest rund 30 Influencer-Marken im Sortiment, weitere 20 sollen im Weihnachtsgeschäft gelauncht werden. Ein Team von vier Leuten kümmert sich bei Stilnest nur allein darum, neue Talente zu akquirieren.
Mithilfe eines selbstgebauten Tools wird das Umsatzpotenzial von spannenden Fashionistas genau abgeklopft. Dabei fließen nicht nur Kennzahlen wie Reichweite oder die Like-Ratio in die Bewertung ein. "Viel aussagekräftiger ist für uns die Länge der Kommentare, die Nutzer unter den Postings hinterlassen", sagt Bibow. Denn lange Kommentare lassen auf eine hohe Loyalität seiner Stilikone gegenüber schließen. Und eine hohe Loyalität führt in der Folge auch zu höheren Umsätzen.
Für die Zukunft will Stilnest das Sortiment ausbauen. Weil nicht jeder Schmuck mag, sollen die Fashionistas dann auch Kosmetik oder Accessoires wie Uhren, Sonnenbrillen oder auch Notizbücher kreieren können. Außerdem wollen die Jungunternehmer deutlich mehr in den Launch neuer Marken investieren. Das sieht Gründer Tim Bibow generell als eine der größten Herausforderungen der Zukunft an: "Wie kriegt man jede Woche eine neue Markenwelt hin?"