Interview:
Worauf Marken bei Werbemusik achten müssen
Wer bekannte Musiktitel in seinem Werbespot verwenden möchte, der kommt an einer Synchronisations-Lizenz nicht vorbei. Wie solche Sync-Deals funktionieren und worauf Marken achten müssen, erklärt Experte Jan Schlüter.
Was ist ein Sync-Deal? Wer bekannte Musiktitel in seinem Werbespot verwenden möchte, der kommt an einer Synchronisations-Lizenz nicht vorbei. Doch wie funktionieren solche Sync-Deals? Und worauf muss ich als Marke achten? Experte Jan Schlüter* steht Rede und Antwort.
Herr Schlüter, mal angenommen, ich möchte meinen neuen Werbespot mit dem aktuellen Hit von Justin Bieber untermalen. Was muss ich tun?
Was viele nicht wissen: Wenn man einen Song für einen Werbefilm nutzen will, muss man zwei Rechte anfragen. Das Vervielfältigungsrecht der Tonaufnahme liegt bei denen, die den Tonträger herstellen. Meistens ist das die Plattenfirma, manchmal aber auch der Künstler selbst. Das Urheberrecht für die Komposition derweil liegt in der Regel beim Verleger. Um diese Rechte zu bekommen, kann man entweder einen Dienstleister oder Berater engagieren, oder man kümmert sich selbst darum.
Klingt kompliziert.
Kommt drauf an. Kompliziert wird es, wenn man nicht weiß, wo das Vervielfältigungsrecht liegt. Oder wenn an einem Song mehrere Komponisten mitgeschrieben haben. Dann muss man mehrere Verlage fragen und das kann dauern.
Was kostet so ein Sync-Deal?
Das hängt von vielen Faktoren ab: Wie bekannt die Band ist, ob man gute Kontakte zu den Plattenfirmen und Musikverlagen hat, wie groß die Kampagne ist und wie lange sie angelegt ist. Läuft sie weltweit, nur im Kino oder auch im Fernsehen? Einige Künstler finden Kino ganz toll und geben einen Song unter Umständen für weniger Geld frei als bei einer viralen Aktion, die nur in Deutschland läuft. Generell gilt: Je kleiner der Markt und je kürzer die Laufzeit, desto günstiger kriegt man einen Song. Das fängt bei null Euro an und kann bis in Millionenhöhe gehen. Ein Song von Lenny Kravitz kostet für ein Quartal locker eine halbe Million.
Um Geld zu sparen, nehmen einige Marken mittlerweile Coverversionen bekannter Songs auf.
Genau, in dem Fall muss man nur die Urheberrechte klären, das ist meist günstiger. In Amerika allerdings muss man zusätzlich auch den Künstler beziehungsweise dessen Management fragen, und oft sperren die sich dagegen. In Deutschland nehmen solche Coverversionen gerade zu, in England ist es völlig verpönt. Ich persönlich finde es nur dann gut, wenn das Cover witzig gemacht ist.
Wie finde ich denn den richtigen Song für meinen Spot?
Genau das ist die Kunst. Manchmal meldet sich der Geschäftsführer einer Firma bei mir und sagt: "Kennen Sie Robin Schulz? Den hört meine Tochter den ganzen Tag." Robin Schulz ist ein netter Typ, aber das heißt noch lange nicht, dass seine Musik zu der jeweiligen Marke passt. Alle reden immer vom Corporate Sound, aber den hat in Deutschland fast keine Firma. Bei Soundlogos von Firmen wie Audi oder BMW passieren meiner Meinung nach wirklich gute Dinge. Aber oft entscheidet auch einfach der Cutter, welcher Song zur Geschwindigkeit des Clips passt. Da herrscht in Deutschland wirklich noch Nachholbedarf.
Wie wichtig ist denn die Musikauswahl?
Das kommt ganz drauf an. Enorm wichtig ist sie natürlich, wenn der ganze Spot auf der Musik beruhen soll, wenn es um ein Produkt geht, das mit Musik zu tun hat, oder wenn eine junge Marke richtig angreifen will. Vodafone zum Beispiel wählt meistens sehr gute Musik aus. Toll finde ich auch Spots, die überraschen – mit ganz alter Musik oder Klassikern, die perfekt passen. Der Spot für das Audi S5 Coupé allerdings kommt ganz ohne Musik aus und ist trotzdem super.
Welche Fehler sollte man bei Sync-Deals unbedingt vermeiden?
Die Rechte sollten auf jeden Fall so früh wie möglich geklärt werden. Ich habe es schon erlebt, dass die Dreharbeiten bereits begonnen hatten und sich erst dann um die Musik gekümmert wurde. Vor allem bei großen Songs sollte man sich außerdem zwei bis drei Alternativen überlegen. Wer eine ganze Kampagne um einen Song herum plant, der noch nicht freigegeben ist, bewegt sich auf dünnem Eis. Vermeiden sollte man auch, sich bei Eigenkompositionen zu sehr an einem bekannten Song zu orientieren. Die Verbraucher merken das, und meistens kommt das nicht gut an.
Wie relevant sind Sync-Deals für Bands und Künstler mittlerweile als Einnahmequelle?
Für manche Bands ist das bestimmt wichtig – allerdings kann man seine Karriere darauf nicht aufbauen. Einen Sync-Deal zu landen ist oft auch Glück oder Zufall. Und große Bands wie die Red Hot Chili Peppers oder die Rolling Stones lehnen es meist sowieso ab, dass ihre Musik für Werbezwecke verwendet wird.
Das heißt, Justin Bieber ist womöglich gar nicht zu bekommen?
Das hängt vom Produkt ab. Wenn eine coole Marke wie Porsche oder Apple fragt, sagen viele Bands und Künstler ja. Wenn es um Katzenfutter geht, ist die Ausbeute wahrscheinlich eher mager. Außer man findet einen Künstler, der zufällig Katzenliebhaber ist und das total super findet. Ansonsten muss man selbst etwas komponieren. Auch dafür gibt es zahlreiche Studios und Dienstleister.
*) Jan Schlüter ist seit 1990 in der Musikbranche tätig und hat unter anderem für Major und Indie-Plattenfirmen, im Vertrieb, als Berater sowie als Manager von Bands wie Deichkind und Die Sterne gearbeitet. 2016 gründete er gemeinsam mit zwei Partnern Witty Music. Die Beratungsfirma entwickelt Musikstrategien, kümmert sich um Rechteklärung und komponiert Musik für Werbespots.
Interview: Nadine Wenzlick