TechTäglich:
Videochat-Anbieter diskriminieren Frauenstimmen
Vor dem Mittagessen die wichtigsten Meldungen des Tages – das ist TechTäglich, die Technik-Kolumne von W&V. Heute mit weiblicher Benachteiligung in Videochats und mit dem Tod von Dichter William Shakespeare.
Videochats: Zoom & Co. diskriminieren weibliche Stimmen
Frauen werden am Arbeitsplatz häufig nicht nur in Sachen Gehalt benachteiligt – sondern auch in Videochats wie Zoom, Microsoft Teams oder Webex. Laut einer Studie klingen weibliche Stimmen in solchen Programmen meist weniger ausdrucksstark, kompetent und charismatisch als die der männlichen Gesprächsteilnehmer. Grund ist die Sprachkomprimierung, die für die Übertragung der großen Datenmengen erforderlich ist. Ähnlich wie bei MP3-Musik werden hierfür bestimmte Frequenzbereiche beschnitten. Dabei dünnen die Algorithmen vor allem höhere Frequenzen aus, die für die Wiedergabe weiblicher Stimmen entscheidend sind. Studienleiter Ingo Siegert von der Uni Magdeburg erklärt, wie das funktioniert: "Bisher wird in der Audioverarbeitung mit vorher festgelegten Frequenzbereichen gearbeitet, die den stimmlichen Unterschieden der Geschlechter – vor allem der höheren Stimme von Frauen – nicht immer Rechnung tragen." Dies sei ein umso größerer Nachteil, "weil Videokonferenzen oft unter suboptimalen Licht-, Haltungs- und Blickverhältnissen stattfinden".
Die Untersuchung (hier als PDF), an der auch Wissenschaftler der dänischen Universität Sønderborg beteiligt waren, kommt nach Analyse der Sprachsignalkompression zu einem klaren Fazit: "Der negative Effekt auf das wahrgenommene Charisma betraf weibliche Sprecherinnen deutlich stärker als männliche Sprecher." Tests haben gezeigt, dass Zoom & Co. Stimmhöhe, Stimmumfang und Klangtiefe von Sprecherinnen so ungünstig wiedergeben, dass ihren Stimmen dadurch wesentliche emotionale Komponenten fehlen. Die taz munkelt, dass dieser "Gender Bias" nicht zuletzt daran liegt, dass solche Software nach wie vor meist von männlichen Programmierern entwickelt wird. "An der Entwicklung von Informationstechnik sind nun mal vor allem Männer beteiligt. Im Jahr 2018 waren beispielsweise im deutschen IT-Bereich nur knapp 17 Prozent aller Angestellten Frauen", erklärt Lisa Hanstein von der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin (EAF). "Wir haben mit dem neuen Wissen nun die Chance, nachzusteuern", fordert Wissenschaftler Ingo Siegert.
Apple-Geheimnis: Ex-Designer Jonathan Ive am neuen iMac beteiligt
Air ist wieder da! Design-Legende Jonathan Ive, der Schöpfer des Ur-iMac, von iPod, iPhone und iPad, hat sich zwar Ende 2019 von Apple verabschiedet. Am Design des neuen bunten iMac war der 54-Jährige Engländer aber noch – oder wieder – beteiligt. Das berichtet Wired unter dem Titel "Der iMac von 2021 ist ein großartiger Familiencomputer, dank Jony Ive (mal wieder)." Das Tech-Magazin will erfahren haben: "Ive war am Design des neuen iMac beteiligt, obwohl er Apple 2019 verlassen hat." Apple bestätigt zwar tatsächlich eine Mitarbeit von Ive – verrät aber nicht, ob der Einfluss noch aus der Ive-Ära vor Ende 2019 stammt, oder ob der Design-Guru jetzt reaktiviert wurde.
Weil die Entwicklung solcher Geräte oft Jahre dauert, könnte "Sir Jony" die Grundlagen für den neuen Rechner noch in seiner Zeit als Apple-Designchef gelegt haben. Ebenso denkbar ist aber, dass Apple jetzt auf Ives eigene neue Firma LoveFrom zurückgegriffen hat. Die Designagentur, von der bisher recht wenig zu hören war, soll Apple als Kunden im Portfolio haben. Details bleiben aber bisher ein Geheimnis, wie AppleInsider schreibt. Der neue Bunt-iMac ist mit 11,5 Millimeter so spektakulär schmal, dass das Design allemal zur Handschrift von Jonathan Ive passen würde. Er war nicht nur für seine schmeichelnde Stimme in zahllosen PR-Videos berühmt – sondern auch für seine Obsession, Geräte immer dürrer und "Air"-artiger zu gestalten, bis an die Grenze der Benutzbarkeit, siehe seine Pannen-Tastatur in den MacBooks der letzten Jahre.
Amazon steckt Mitarbeiter in "Anti-Stress-Zelle"
Schon wieder Ärger bei Amazon: Die Aufregung um die Pinkel-Flaschen, in die sich Mitarbeiter aus Zeitnot erleichtern mussten, hat sich gerade erst gelegt. Und nun geraten die Arbeitsbedingungen beim weltgrößten Online-Kaufhaus schon wieder ins Gerede. Diesmal geht es um eine Art Telefonzelle, die gestresste Mitarbeiter in den Logistikzentren aufsuchen sollen, wenn sie sich vom unerbittlichen Arbeitstempo überfordert fühlen. Amazon nennt die Anti-Stress-Zellen beschönigend "AmaZen" und beschreibt Sinn und Zweck so: "Während der Schichten können die Mitarbeiter AmaZen-Stationen besuchen und sich kurze Videos mit einfach zu befolgenden Aktivitäten zum Wohlbefinden ansehen, darunter geführte Meditationen, positive Bestätigungen, beruhigende Szenen mit Klängen und mehr."
Statt die Arbeitsbedingungen nachhaltig zu verbessern, erfindet Amazon also eine Psycho-Zelle für sein Personal. Das sorgt für den nächsten Shitstorm gegen den US-Multi. Eine Twitter-Nutzerin schreibt: "Ich habe das Gefühl, dass existenzsichernde Löhne und Arbeitsbedingungen besser wären als ein mobiler Verzweiflungs-Schrank." Die Arbeitsrechtler von TalkPoverty spotten mit Galgenhumor: "Die Amazon-Arbeiter sterben regelrecht an ihren stressigen Arbeitsbedingungen. Und was macht Amazon? Stellt eine Telefonzelle mit einem Achtsamkeitsvideo für 'Wellness' auf!" Laut Amazon hätten erste Tests aber gezeigt, dass sich Arbeiterinnen und Arbeiter nach einem Besuch der "Achtsamkeits-Zelle" wieder besser auf ihren Job fokussieren können.
Twitter: Schon wieder Schluss mit den blauen Haken
Das ging schnell. Erst vor einer guten Woche hatte Twitter nach vier Jahren Pause den Verifizierungsprozess für seine blauen Haken wieder gestartet. Das begehrte Symbol soll echte, authentische und für die Öffentlichkeit interessante Accounts auf einen Blick kennzeichnen. Doch nun hat Twitter das Verfahren schon wieder (vorerst) gestoppt, weil der US-Konzern mit der Vielzahl der Anträge momentan schlicht überfordert ist. In einem Tweet heißt es: "Wir erhalten eine Flut von Verifizierungsanfragen. Daher müssen wir die Annahme weiterer Anträge erst einmal pausieren, während wir die bereits eingereichten überprüfen. Wir werden die Anfragen aber bald wieder öffnen!" Zusatz: "We pinky swear."
Der "pinke Schwur" mit den zwei kleinen Fingern ist im englischsprachigen Bereich vor allem bei Kindern gebräuchlich. Ihn zu brechen, ist "gegen das Gesetz", wie Gizmodo augenzwinkernd anmerkt. Ein Sprecher des Kurznachrichtendienstes rät Interessenten, den offiziellen Twitter-Twitter-Account zu verfolgen, um zu erfahren, wann wieder Anträge für den blauen Haken angenommen werden. Demnach war es von vornherein geplant, neue Anträge zunächst nur für einen begrenzten Zeitraum zu ermöglichen: "Wir haben bloß nicht gewusst, ob das einen Tag oder eine Woche dauert." Der Antrag funktioniert künftig direkt im Einstellungs-Menü der Twitter-App und kann von dort aus eingereicht werden. Um den blauen Haken zu erhalten, muss ein Konto "authentisch, beachtenswert und aktiv" sein und aus relevanten Bereichen wie Politik, Medien, Organisationen, Marken, Unterhaltung, Sport oder Gaming stammen. Die Voraussetzungen erklärt Twitter auf einer neuen deutschsprachigen Hilfe-Seite.
Argentinien: TV meldet Tod von Dichter William Shakespeare
Johann Wolfgang von Goethe ist bereits seit 1832 tot. Und nun hat uns Corona auch seinen noch wesentlich älteren Dichterkollegen William Shakespeare genommen. Wie der argentinische Fernsehsender Canal 26 meldet, ist der große Engländer nur fünf Monate nach seiner Biontech-Pfizer-Impfung gestorben. Moderatorin Noelia Novillo verkündete die traurige Nachricht so: "Wir haben Neuigkeiten, die uns alle angesichts der Größe dieses Mannes erstaunt haben. Wie wir alle wissen, ist er einer der wichtigsten Schriftsteller der englischen Sprache – für mich der Meister. Ja, das ist er. Er war der erste Mensch, der den Coronavirus-Impfstoff bekam. Und er ist in England im Alter von 81 Jahren gestorben. Bei uns erfahren Sie, wie und warum es passiert ist."
Hier haben die Argentinier allerdings nicht restlos exakt recherchiert. Der Schöpfer von "König Lear", "Macbeth" und "Romeo und Julia" ist nämlich genau genommen bereits seit 1616 tot. In England verstorben ist jetzt sein literarisch mutmaßlich deutlich weniger begabter Namensvetter William "Bill" Shakespeare aus Warwickshire. Der ehemalige Rolls-Royce-Mitarbeiter war im Dezember 2020 tatsächlich der zweite Engländer, der eine Covid-Impfung erhalten hat. Er erlag nun einem Schlaganfall, der aller Wahrscheinlichkeit nach nichts mit der Impfung zu tun hat. Nachdem das Video im Netz steil ging, korrigierte sich Literatur-Laiin Noelia Novillo laut Guardian wenig überzeugend: "Ich habe mich schlecht ausgedrückt. Ich habe einen Punkt, ein Komma und einige Klammern ausgelassen." Das Netz amüsiert sich köstlich: "Lasst uns nicht um William Shakespeare weinen. Er hat sein Leben gelebt, und konnte die Zuneigung der Menschen über Jahrhunderte genießen." Oder auch: "Was für ein Theater um den Tod von William Shakespeare! Aber keiner schreibt, dass er zuletzt so schlecht drauf war, dass er seit Jahrhunderten keinen Erfolg mehr zustande gebracht hat. Überschätzt." Oder auch: Viel Lärm um nichts!