Interview Micro-Influencer:
Relevanz statt Masse - was Micro-Influencer so spannend macht
Micro-Influencer haben vielleicht weniger Follower als die Top Social Media-Stars - bieten aber auch viele Vorteile. Gerade im Tourismusbereich lohnt es sich, über eine Zusammenarbeit mit kleineren Plattformen nachzudenken. Sonja Alefi von "Little Travel Society" erklärt im Interview, warum - und was Influencermarketing mit Streichelkatzen zu tun hat.
W&V: Frau Alefi, Sie stellen auf Ihrem Blog "Little Travel Society" regelmäßig ansprechende und ganz besondere Hotels und Destinationen vor – immer mit dem Fokus auf Kinderfreundlichkeit. Warum sind Influencer gerade im Reisebereich so wichtig und so erfolgreich?
Sonja Alefi: Reisen, Essen - das Leben genießen - sind Themen, die es in den sozialen Medien besonders leicht haben. Schließlich produzieren sie schöne Bilder und Stories. Das spielt Hoteliers und Unternehmen der Reisebranche in die Karten.
Speziell beim Thema Reisen kommt noch ein wichtiger Aspekt hinzu: Influencer wie wir helfen, die enorme Unsicherheit vor der Buchung zu reduzieren. Die recht große Investition in „die schönste Zeit im Jahr“ soll sich ja lohnen. Die Erwartungen sind hoch. Dabei sind es meist die kleinen Details, die das Zeug zum Highlight haben. Zirbenholz-Geruch, Vogelgezwitscher, eine Streichelkatze, ein netter Plausch. Daher versuchen Urlauber vorher, möglichst viele Informationen aus verlässlichen und „neutralen“ Quellen zu sammeln. Aber der Reisemarkt ist unglaublich unübersichtlich.
Blogger lassen Follower in ihre Köpfe und Wohnzimmer - über die sozialen Medien entsteht echte Vertrautheit. So hat eine Empfehlung eines (guten und authentischen) Influencers den gleichen mächtigen Effekt wie ein glücklicher Gast, der seinen Freunden nach dem Urlaub begeistert von seinen Erlebnissen erzählt. Nur eben multipliziert mit der Anzahl der Fans eines Blogs.
Wie läuft die Zusammenarbeit zwischen Influencer und Hotel? Wie finden Influencer zum richtigen Auftraggeber – und umgekehrt, wie findet man den richtigen Influencer, gerade aus dem Mikro-Bereich, die weniger bekannt sind?
Hotels sollten sich unbedingt Zeit nehmen für die Wahl des Influencers. Alles andere läuft dann wie von selbst. Am schnellsten findet man Influencer natürlich dort wo sie sich tummeln: in den sozialen Medien. Facebookgruppen beitreten, Seiten und Blogs zum Thema folgen, nach beliebten Hashtags auf Instagram suchen - das hilft im ersten Schritt, die Szene zu verstehen und sich ein Bild zu machen, wer hier eigentlich mitmischt. Auch eine schnelle Googlesuche (z.B. „Frankreich mit Kind Tipps“, „familienfreundliche Hotels“ oder Suchbegriffe mit „Blog“ oder „Erfahrungen“) bringt Aufschluss. Und schließlich schadet es nicht, mal zu schauen was die Konkurrenz so macht. Mit welchen Bloggern arbeiten ähnliche Hotels und wie war die Reaktion der Community darauf?
Und wie finden Influencer ihre Auftraggeber? Da kann ich nur für uns sprechen. Wir bekommen inzwischen sehr viele tolle Empfehlungen aus unserer Community – das ist natürlich ideal. Zudem halten wir in den sozialen Medien immer Augen und Ohren offen. Und wir arbeiten wir mit einer Handvoll Marketingagenturen, die von ihrem Portfolio her zu uns passen. Es macht richtig Spaß, was da oft für schöne Kampagnen und Kommunikationsstrategien zustande kommen, wenn die Agentur und wir auf derselben Wellenlänge sind. Denn wir überlegen ständig – was könnte unsere Leser interessieren und was nützt den Hotels? Und das bringen wir dann zusammen. Aber auch hier gilt: Wir nehmen trotzdem nicht jedes vorgeschlagene Hotel. Die Marketingagenturen, mit denen wir arbeiten, finde das gut, weil es unsere Glaubwürdigkeit demonstriert.
Sie haben rund 5.000 Abonnenten auf Facebook – was haben Sie, was große Stars mit vielen Followern nicht haben?
Die großen Follower-Könige - das ist zum Teil ein ganz anderes „Paar Schuhe“ als wir. Sie haben perfekt inszenierte Fotos, die fast zu schön sind, um wahr zu sein. Aber nicht für jeden Hotelier das Richtige. Denn wenn eine Familie ihre Reiseplanung angeht, guckt sie dann zuerst solche Seiten an? Wahrscheinlich eher nicht. Mit www.littletravelsociety.de können sich reisewütige Familien identifizieren und vor allem wissen sie, dass wir genau die Informationen bieten, die sie brauchen: „Gibt es Streichelkatzen und ein Babybett? Wie viele Kinder passen in ein Zimmer?“ Unsere Leser kennen unseren Geschmack und wir den ihren. Und das ist schlicht auch der Vorteil von Micro-Influencern. Wenn die Hotels erst mal den Richtigen gefunden haben, sind die Streuverluste sehr gering. Die Zielgruppe ist homogen und passt perfekt zum Hotel. Gerade für kleinere Hotels mit geringerem Budget kann das sehr effizientes Marketing bedeuten.
Wie bleibt man glaubwürdig, auch wenn ein Beitrag bezahlt wurde?
Kein Problem, wie ich finde. Man sollte sich als Influencer aber an ein paar Regeln halten: Bezahlte Beiträge sollten immer gekennzeichnet werden. Das ist nicht nur aus ethischen Gründen wichtig, sondern auch aus rechtlichen. Für Blogger und Influencer gelten nun mal die gleichen Regeln wie für alle anderen Werbungtreibenden. Auch wenn sich einige nicht daran halten. Der Schuss kann aber inzwischen ganz schön nach hinten losgehen. Follower und Leser sind zunehmend kritisch. Das geht sogar soweit, dass Blogger, die einen Urlaub selbst bezahlt haben und Beiträge dazu posten, plötzlich zu Unrecht von ihren Fans angefeindet werden. Weshalb es auch für Kunden von Influencern essenziell wichtig ist, dass die Kooperation transparent kommuniziert wird. Gute Micro-Influencer schreiben in erster Linie für ihre Leser, nicht den Kunden. Ich sollte mich als Influencer nicht für alles bezahlen lassen, sondern auch gut recherchierten Content bieten, der mir nicht gleich Geld in die Kasse spült. Wenn ich in einem Text auch das kleine Seitenstraßencafé und den öffentlichen Park verlinke, wird schnell klar: Da gibt jemand echte Empfehlungen. Sich selbst treu bleiben ist zudem enorm wichtig! Wir sprechen auf Little Travel Society nur Empfehlungen aus, die zu uns und unseren Lesern passen. Das bedeutet auch, dass wir einige Hotelanfragen ablehnen und wir verheimlichen nichts. Wenn uns etwas nicht gefällt, schreiben wir das auch. Das macht doch eine Listung auf einer Nischen-Seite wie der unseren erst so wertvoll. Als Micro-Influencer habe ich weniger Budget und Manpower zur Verfügung als ein großer - da wäre ich dumm, wenn ich mir meine Speerspitzen kaputt machen würde: Spezialisierung, Authentizität und Glaubwürdigkeit.
Welche Fehler machen Werbungtreibende im Influencer-Marketing?
Die sozialen Medien sind schon oft auch unberechenbar. Mutig sein, ausprobieren, heißt da die Devise. Hotels, die mit Influencern zusammenarbeiten, sind alle am Anfang auch mal auf die Nase gefallen. Das gehört dazu. Ein paar Tipps habe ich jedoch. Zu allererst: Lasst Euch auf keinen Fall von den großen Zahlen blenden! 100.000 Facebookfans und noch mal das Gleiche auf Instagram! Wow! Einige Studien zeigen aber, dass die Reichweite und die Engagementrate mit zunehmender Anzahl der Fans sinkt. Zudem: Fake-Fans kann man ganz einfach kaufen. Um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen, sollten sich Werbungtreibende daher auf jeden Fall erst mal die Kommentare und Likes unter den Posts ansehen. Ist da viel los oder eher gähnende Leere? Und wenn dann der Kontakt zum Influencer hergestellt ist, sollte die erste Frage der Reichweite gelten. Die ist bei kleineren Seiten oft erstaunlich groß. Wir sind zum Beispiel stolz, dass die Beitragsreichweite auf unserer Facebookseite bei meist 100 bis 150 Prozent liegt. Eine weitere Stolperfalle tut sich dann bei der Zusammenarbeit mit dem Influencer auf. Wenn Ihr Euch erst mal entschieden habt für einen Blogger, dann lehnt Euch zurück! Dem Influencer sollte man Spielraum lassen. Natürlich muss ein Werbungtreibender die Möglichkeit bekommen, den Text vorab lesen zu können. Aber ein authentischer Text, der nicht alles in den Himmel lobt, ist viel mehr wert als einer, der sich liest wie ein Werbeplakat. Die Qualitätsunterschiede unter Bloggern sind übrigens enorm. Schließlich kann heute jeder schnell einen Blog aus dem Boden stampfen. Aber ein Blog mit guten Texten und Bildern sowie großer Reichweite benötigt unglaublich viel Zeit, harte Arbeit und Professionalität. Oft handelt es sich daher bei den großen Bloggern um ehemalige Redakteure von großen Magazinen und professionelle Journalisten. Daher: Reine Barter Deals als Bezahlung werden die wirklich Guten auf Dauer nicht anlocken.
Welche Ziele haben Sie als Influencer?
Ganz klar: Dass unsere Community von gleichgesinnten reisenden Familien wächst. Für uns ist der Austausch mit unserer Community wie der Applaus für den Schauspieler. Ein guter Post mit vielen Likes und netten Kommentaren – das macht schon sehr glücklich und lässt die Nachtschichten ein Stück weit in den Hintergrund treten. In welchem Bereich hat man denn sonst als Marketer eine so derart schnelle Reaktion der Zielgruppe? Aber als Influencer muss man auch sehr viel Geduld mitbringen. Wer den schnellen Rubel sucht, sollte ein anderes Business wählen. Der Aufbau einer Community, einer Marke im Internet in einem Haifischbecken wie der Reisebranche – das kostet Zeit. Und beschleunigen kann man das nur bedingt. Für uns steht der Spaß und die Freude an unserer Seite absolut im Vordergrund und dass wir uns aus monetären Gründen nicht verbiegen. Dann haben am Ende unsere Hotels, unsere Leser und wir eine „Win-win-win-Situation“. Und so stellt sich der monetäre Erfolg von Little Travel Society ganz nebenbei von selbst ein.
Ihre ganz persönliche Meinung: Warum boomt Influencer-Marketing im Moment so stark? Vertrauen wir der herkömmlichen Werbung nicht mehr?
Auch wenn es dem Marketer weh tut: Werbung ist für die meisten Konsumenten einfach nur lästig. Das ist ein ständiger Kampf des werbungtreibenden Unternehmens mit den Kunden. Der Kunde versucht Werbung zu vermeiden, Werbeclips zu blocken oder gleich werbefreie Kanäle zu nutzen, der Werbetreibende zwingt dem Kunden aber durch technische Tricks seine Werbung auf. Influencer-Marketing hat da einen ganz anderen Stellenwert. Zum einen muss man den Konsumenten nichts aufzwingen. Sie folgen dem Blogger freiwillig, weil sie sein Format schätzen. Ob mir zum Beispiel auf Facebook von einer Freundin oder einem Blogger interessante Artikel und Links in meine Timeline gespült werden – das ist oft fast schon egal. Solange die Empfehlungen zu mir passen und mir einen Mehrwert bieten. Die Haltung gegenüber Influencern ist daher eine viel Positivere als gegenüber klassischer Werbung. Hinzu kommt: der Absender der Botschaft ist nicht der Anbieter selbst, sondern ein Mitkonsument und Experte, der mit seinem Namen für die Empfehlung steht. Sozusagen die Professionalisierung und Skalierung des Testimonials und der Mund-zu-Mund-Propaganda. Und: Blogbeiträge haben einen nachhaltigen Effekt. Sind die Keywords die richtigen, kann die Zielgruppe einen Blogbeitrag zu einem Hotel oder einen Reisebericht ewig im Netz finden. Besser geht es doch eigentlich nicht aus Marketingsicht?