Brand Suitability:
Warum Sentimentanalyse Ihrer Onlinewerbung nützt
In den vergangenen Jahren war Brand Safety das große Thema. Mindestens ebenso wichtig ist aber auch Brand Suitability, meint Oliver Hülse, Deutschlandchef von IAS. Dabei kann die Sentimentanalyse helfen.
Wo werben und wo nicht? Diese Frage ist in Corona-Zeiten nicht immer ganz so einfach zu beantworten, wenn man nicht Gefahr laufen will, mit seiner Marke in den falschen, imageschädigenden Zusammenhang gebracht zu werden. Immer mehr Unternehmen setzen in der Konsumentenansprache daher auf eine maßgeschneiderte, markenspezifische Optimierung, die den wahren Kontext und das Sentiment einer Seite erkennt, um Inhalte präzise zu klassifizieren und ausschließlich passende Markenbotschaften auszuspielen.
Im Fokus steht nicht mehr allein die Legal Brand Safety, sondern zunehmend die Brand Suitability, d. h. die richtige Platzierung der Werbung im markenkonformen Kontext. Mit Erfolg: Der aktuelle "Media Quality Report" von Integral Ad Science (IAS) zeigt einen weltweiten Rückgang der Anzeigen, die neben unangemessenen Inhalten erscheinen (erstes Halbjahr 2020 verglichen mit dem Vorjahreszeitraum). Doch: Die Anpassung an den Kontext und das Sentiment auf Seitenebene ist nur der erste Schritt der Reise hin zu einer perfekten Brand Suitability. Um die nächste Phase zu erreichen, sollten Marken auch die emotionale Klassifizierung berücksichtigen.
Warum Marketer die Emotionen ihrer Kund*innen auf dem Schirm haben sollten
Ganz klar: Emotionen sind in der Werbung nichts Neues. Marken versuchen seit jeher, emotionale Auslöser zu nutzen, die Konsument*innen in ihren Entscheidungen positiv beeinflussen. Von Anzeigen, die Ende des 19. Jahrhunderts ganz explizit das große Glück versprachen, bis hin zu subtilen modernen Kampagnen, die dieses Glücksgefühl erzeugen wollen, oder die inzwischen zur Institution gewordene Weihnachtswerbung wie beispielsweise die Spots von Coca-Cola oder größerer Supermarktketten: Die Werbeindustrie nutzt traditionell Emotionen, um Verbindungen zu Konsument*innen zu schaffen.
Neben der Kreation steht dabei vor allem der Kontext im Zentrum der emotionalisierenden Ansprache. Aktuelle Studien zeigen deutlich, dass die Werbewahrnehmung direkt durch die Inhalte im Umfeld der Anzeige beeinflusst wird. Die sorgfältige Auswahl digitaler Platzierungen ist daher von entscheidender Bedeutung, um die richtigen Emotionen und Ergebnisse zu erzielen.
Relevanz spielt für den Kampagnenerfolg natürlich weiterhin eine große Rolle. Doch letztlich sind relevante Werbebotschaften nicht genug, um die Werbewirkung auf ein Maximum zu optimieren oder Marken effektiv zu schützen. Wer Werbung auf ein höheres Niveau heben will, muss den entscheidenden Schritt weitergehen und die emotionale Klassifizierung vorantreiben. Es gilt, nicht nur die Brand Suitability, Relevanz und Stimmung von Inhalten in Einklang mit den Angeboten und Markenwerten zu bringen, sondern auch die vermittelten Emotionen tiefer zu ergründen. Auf diese Weise realisieren Marken nicht nur ein besseres Ad-Targeting – und erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit einer starken Zielgruppenbindung –, sie sichern sich auch ein Maximum an Kontextkontrolle und Schutz.
Im Videointerview mit W&V Chefredakteurin Verena Gründel erzählt Oliver Hülse, Deutschlandchef von Integral Ad Science, was die größten Herausforderungen bei Ad Fraud und Brand Safety sind.
Emotion und Werbung passen zusammen
Für die Werbewahrnehmung ist es ein großer Unterschied, ob das Umfeld der Platzierung positiv aufgenommen wird oder ob es konkrete Emotionen wie Liebe oder Freude hervorruft. Das Gleiche gilt für das andere Ende der Skala: Angst und Wut gelten beide als negativ, können in der Werbung aber dennoch mitunter sehr effektive Emotionen sein, die bei passenden Werbebotschaften durchaus positiv auf die Wirkung einzahlen. Nehmen wir z. B. eine Anzeige einer Umweltschutzorganisation, die neben schockierenden oder tragischen Inhalten um das drohende Aussterben einer Tierart platziert wird.
Hier kann der Kontext und die dazugehörige Emotion zum entscheidenden Schlüsselfaktor werden, um einen Call-to-Action auszulösen. Untersuchungen zufolge erinnern sich 68 Prozent der Verbraucher*innen eher an eine Werbebotschaft, die auf den umgebenden Inhalt zugeschnitten ist, selbst wenn die Stimmung negativ ist.
Bereits die Möglichkeit, den positiven oder negativen Charakter des Umfelds zu bestimmen, kann eine wertvolle Entscheidungshilfe sein, welche Botschaft die Anzeige transportieren sollte. Aber wenn es darum geht, welche spezifischen Umgebungen für eine mögliche Platzierung anvisiert werden sollen, sind mehr Details erforderlich. Für eine emotional stimmige Auslieferung ist ein granulares Verständnis der Emotion hinter jedem Wort unerlässlich.
Die gute Nachricht für alle Marketer, die dachten, dass es bei semantischem Targeting allein um den Kontext und die allgemeine Stimmung der Inhalte geht: Auf der Grundlage umfangreicher semantischer Analysen können fortschrittliche Contextual Targeting-Lösungen schon heute sämtliche Wörter mit ihren potenziellen Bedeutungen im gesamten Kontext verknüpfen und so den Marken eine präzise emotionale Lesart liefern.
Wie funktioniert die Technik?
Die menschliche Sprache ist extrem kompliziert – das Sentiment und die Emotionen sind da nicht immer auf den ersten Blick herauszulesen. Neue technische Innovationen machen es jedoch inzwischen wesentlich einfacher, sich darin zurechtzufinden. Marken haben heute Zugriff auf intelligente Tools mit riesigen semantischen Netzwerken, die alle 500.000 Konzepte der Sprache und die Beziehungen zwischen Wörtern und zu verschiedenen emotionalen Kontexten abdecken, die mit mehr als 60 Stufen menschlicher Emotionen verbunden sind.
Mit Hilfe von Kontextkatalogen kann aus dem Text einer beliebigen Seite im Handumdrehen eine maßgeschneiderte Umgebungsmap erstellt werden, in der die tatsächliche Bedeutung jedes darin enthaltenen Wortes angezeigt und die damit verbundene Emotion identifiziert wird. Ein weiterer integraler Bestandteil dieser Auswertung ist eine Kombination aus maschinellem Lernen und ausgefeilten Technologien für ein natürliches Sprachverständnis und die semantische Analyse. So wird z. B. der Unterschied von kleinen sprachlichen Variationen sofort erkannt – von Änderungen in der Zeitform bis hin zur Verwendung eines Punktes.
All dies liefert Marken eine umfassende Echtzeit-Intelligenz, die ein präzises Ad-Matching für mehrere kontextbezogene Faktoren, einschließlich Emotionen, in großem Umfang ermöglicht. Anstatt beispielsweise den übergreifenden Parameter "positive Stimmung" für eine Valentinstagskampagne zu setzen, können Marken eine tiefgreifende Analyse nutzen, die verschiedene Emotionen im Zusammenhang mit dem romantischen Ereignis bewertet. Auf dieser Basis können sie sicherstellen, dass ihre Anzeigen ausschließlich neben Inhalten erscheinen, die von Konsument*innen gelesen oder angeschaut werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit an Geschenkoptionen zum Valentinstag interessiert sind. Und: Potenziell schädliche Platzierungen werden so ebenfalls von Anfang an vermieden.
Als neuer Goldstandard kann die Brand Suitability für unsere Branche somit einen großen Schritt nach vorne bedeuten, um die Mediaqualität und Markensicherheit weiter zu stärken. Jetzt ist es an den Unternehmen, die neuen Möglichkeiten der semantischen Technologie zum Einsatz zu bringen und die richtigen Emotionen gezielt für ihre Werbeplatzierungen zu nutzen.
Über den Autor: Oliver Hülse verantwortet die Geschäftsaktivitäten von Integral Ad Science (IAS) in Zentral- und Osteuropa. Das Unternehmen konzentriert sich darauf, die Mediaqualität für digitale Werbeanzeigen zu optimieren.
Hülse kommt von Rocket Fuel, einem Softwareunternehmen für Predictive Marketing, wo er ebenfalls als Managing Director die Geschäfte in der CEE-Region verantwortete. Zukünftig wird er den Ausbau der Aktivitäten von Integral Ad Science weiter vorantreiben, die Marktposition stärken und neue Märkte erschließen. Der Hamburger begann seine Karriere vor über 20 Jahren als Verkaufsleiter bei der Verlagsgruppe Milchstraße und später bei der Tomorrow Internet AG. Danach war er mehrere Jahre als Vice President International Operations bei der Interactive Media CCSP GmbH und als Geschäftsführer bei der Adconion Media Group beschäftigt.