Essay :
Dmexco 2019: Vertrauenssache
"Trust in you" - das diesjährige Dmexco-Motto lässt sich in mehrere Richtungen deuten. Unser Autor Falk Hedemann erklärt, warum die Digitalisierung auch Vertrauenssache ist.
Es gibt Dinge, die man erst so richtig vermisst, wenn man sie nicht mehr besitzt. Besonders schmerzvoll ist der Verlust immer dann, wenn die Wiederbeschaffung aufwändiger ist, als es die Vermeidung des Verlusts selbst gewesen wäre. Zu diesen Dingen gehört auch das Phänomen des Vertrauens. Angesiedelt irgendwo zwischen Glaube und Hoffnung, drücken wir damit unsere Überzeugung oder unsere Zuversicht aus, dass etwas richtig ist. Der Aufbau von Vertrauen ist daher ein langwieriger und komplexer Prozess, der Verlust geht dagegen mitunter in Echtzeit – und liegt damit voll im Trend der schnelldrehenden Digitalisierungsära.
Vertrauen funktioniert nicht einseitig
Um Vertrauen geht es in diesem Jahr auch auf der Dmexco, deren Macher sich mit "Trust in you" ein Motto gesetzt haben, das sich in viele verschiedene Richtungen deuten lässt.
Zum Beispiel als Appell an die digitale Wirtschaft: "Glaubt an euch, eure Fähigkeiten und Stärken und nutzt die Herausforderungen der Digitalisierung als Chancen!" Eine der vielen Herausforderungen hat zugleich selbst etwas mit Vertrauen zu tun. Gemeint ist die europäische Datenschutz-Grundverordnung, die als DSGVO national und als GDPR auch international das alles bestimmende Thema des vergangenen Jahres war. Der befürchtete und von Teilen der digitalen Wirtschaft angekündigte Untergang des Abendlandes ist völlig überraschend ausgeblieben. Stattdessen hört man heute Stimmen aus den USA, die ähnliche Datenschutz-Initiativen auch für das Land fordern, auf das die hiesige Digitalwirtschaft immer etwas neidisch schielt, weil dort die Datenschutzbestimmungen lockerer sind und den Unternehmen mehr Möglichkeiten lassen.
Und während sich die hiesige digitale Wirtschaft noch vom Datenschutz-Armageddon erholt, verschläft sie einen dadurch ausgelösten Trend. Im Silicon Valley haben die ersten Big Player das drohende rechtliche Damoklesschwert längst selbst in die Hand genommen und schneiden damit alte Zöpfe ab: Der Schutz der Kundendaten ist kein hinzunehmendes Übel, sondern eine lohnenswerte Investition in das Vertrauen der Konsumenten. Eine Belastung für überholte Geschäftsmodelle, aber eine Chance für neue Businessmodelle. Die einen setzen Kundendaten für die eigene kurzfristige Gewinnmaximierung ein, die anderen langfristig zur Optimierung ihrer Angebote für den Kunden selbst. Letztere haben verstanden, dass Vertrauen nicht einseitig funktioniert.
Vertrauensvorschuss durch Daten
Wer einem Unternehmen persönliche Daten anvertraut, leistet einen großen Vertrauensvorschuss. Wie wenig gerechtfertigt dies oft ist, haben die vielen Datenskandale der letzten Jahre eindrucksvoll belegt. Gerade in der Marketing- und Werbebranche liegt hier immer noch einiges im Argen. Daran wird auch das diesjährige Dmexco-Motto vermutlich nichts ändern. Drehen wir das Motto aber einmal um, so könnte sich ein neuer Weg zeigen: "Trust in you" aus der Kundenperspektive bedeutet dann nichts anderes als selbstbewusste und mündige Konsumenten, die den Wert ihrer Daten kennen und einen aus ihrer Sicht sinnvollen Einsatz einfordern. Vertrauen wird erst dann wirklich zu einer Währung für die Kundenkommunikation, wenn sie von beiden Seiten auch so eingesetzt wird. Konsumenten sind zurecht immer seltener bereit, einseitig in Vorleistung zu gehen, ohne zu wissen, ob sich ihr Vertrauen auch auszahlt.
Gerade vor der Aussicht auf eine neue Rezession ist die Abkehr vom "Shareholder Value", den 181 CEOs von amerikanischen Top-Unternehmen unlängst verkündeten, ein cleverer Schachzug. Statt weiter auf unbedingte Gewinnmaximierung zu setzen, geloben die Unterzeichner ein neues Maß an Fairness gegenüber der Gesellschaft, den Beschäftigten, den Lieferanten und nicht zuletzt gegenüber den Kunden: Wir gehen jetzt in Vorleistung – Trust in us!
Text: Falk Hedemann
Mehr zum Thema Vertrauen in der Digitalbranche gibt es in der aktuellen Dmexco-Ausgabe der W&V, die man hier bestellen kann.