Media-Debatte:
Mehr Transparenz: Mediascale öffnet seine Einkaufs-Box
Agency-Trading-Desks gelten als schwarze Boxen des programmatischen Werbegeschäfts. Die Agentur Mediascale will mit einem neuen Angebot Misstrauen abbauen.
Über kaum ein Thema wird im Transparenz-Streit zwischen Werbekunden und Mediaagenturen so kontrovers debattiert wie über den automatisierten, programmatischen Einkauf von Digital-Werbung. Der Vorwurf der Kundenseite: Im komplexen Geflecht aus Agentur-Trading-Desks, Ad-Exchange-Marktplätzen und zahlreichen weiteren Stufen der zeitgenössischen Digital-Werbung drohe ihr Werbegeld zu versickern. Es sei oft völlig intransparent, wie viel die Mediaagentur auf den neuen elektronischen Marktplätzen verdiene. Tina Beuchler, deutsche Digital-Chefin des Lebensmittelkonzerns Nestlé und Vorsitzende des Werbekundenverbands OWM spricht von „Goldgräberstimmung“.
Im Fokus der Kunden-Kritik stehen dabei besonders die so genannten Agency-Trading-Desks. Sie haben bei manchen Kunden den Ruf, so etwas wie Black Boxen des digitalen Werbegeschäfts zu sein. Diese Plattformen sind die jüngeren Geschwister der klassischen Einkaufs-Holdings. Dort bündeln die Agenturen ihre Einkaufsmacht und können so bei Vermarktern deutlich günstiger Werbeplätze einkaufen. Grundlage sind so genannte Trading-Deals: Agenturen kaufen das Online-Inventar hoch rabattiert und auf eigene Rechnung ein und schneidern daraus Zielgruppen- und Reichweitenpakete, die sie ihren Kunden anbieten. Damit vollziehen die Agenturen einen heiklen Rollenwechsel: sie mutieren vom Agenturdienstleister selbst zum Vermarkter. An diesem Punkt entzündet sich immer wieder das Misstrauen einiger Werbetreibender. Sie fragen: Bietet die Agentur ihnen das aus Trading-Inventar zusammengestellte Werbepaket an, weil es die optimale Lösung für deren Kampagne ist? Oder weil sie ein eigenes geschäftliches Interesse daran hat?
Umso bemerkenswerter ist deshalb der Schritt, den die Münchner Agentur Mediascale nun geht. Sie öffnet das eigene Trading-Desk für Werbekunden. Über eine technische Schnittstelle gewährt die Tochter der Serviceplan-Gruppe Unternehmen künftig Zugriff auf vergünstigte Einkaufskonditionen. Für Geschäftsführer Wolfgang Bscheid ist das Angebot ein Schritt, "Werbetreibenden mehr Transparenz und Wahlmöglichkeiten zu bieten und damit mögliches Misstrauens auszuräumen". Die Kunden könnten "selbst entscheiden, wie viel unserer Agenturdienstleistungen sie in Anspruch nehmen wollen". Und sie würden zudem "ein Gefühl dafür gewinnen, was Mediaagenturen tatsächlich leisten".
Das Mediascale-Modell richtet sich genau an die Werbekunden, die gegenüber ihren Agenturen in den letzten Jahren tatsächlich skeptischer geworden sind. An große Unternehmen, die den Einkauf und die Planung ihrer Digital-Werbung selbst in die Hand nehmen. Dazu haben Firmen wie Bosch oder Reckitt Benckiser in eigene Demand-Side-Plattformen investiert, über die sie selbst den programmatischen Einkauf von Online-Bannern steuern. Die Mediaplanung machen sie mit eigenen Abteilungen selbst. Aber selbst große Werbetreibende, die jährlich ein zweistelliges Millionen-Euro-Budget in Internet-Anzeigen investieren, können im Alleingang nicht so günstig einkaufen wie die großen Mediaagenturen. Mediascale bietet diesen Unternehmen nun "Zugriff auf Großhandelskonditionen", sagt Bscheid, ohne dass sie dafür das gesamte Leistungspaket von Planung bis Einkauf bei der Agentur buchen müssen.
Mit dem Angebot geht Mediascale einen Schritt auf die Kunden zu, die sich beim Online-Einkauf unabhängiger von Mediaagenturen machen wollten. "Viele Kunden, die bereits über Fachpersonal und Know-how verfügen, denken derzeit darüber nach, den Online-Einkauf ins Haus zu holen", sagt Bscheid. "Genau für diese Kunden wollen wir die erste Agentur sein, die ihnen ein Angebot unterbreitet". Technisch gesehen können diese Kunden mit ihrer DSP am Mediascale-System andocken. Es heißt Prex und steht für "Programmatic Exchange". Sämtliche Mediaagenturen der Serviceplan-Gruppe greifen ebenfalls darauf zu. Das System wurde ursprünglich für die Organisation des programmatischen Geschäfts innerhalb der Agentur-Gruppe entwickelt.
Die allerletzten Intransparenz-Schleier will Bscheid allerdings doch nicht lüften. Die Einkaufskonditionen von Mediascale selbst erfahren die Kunden nicht. Die Unternehmen erhielten Konditionen "abhängig von ihrem Einkaufsvolumen". Die seien stets deutlich besser, als wenn sie im Alleingang ihr Inventar in öffentlichen Auktionen zusammenkaufen. "Der Kunde kann nun ganz genau sehen, um wie viel günstiger er bestimmte Platzierungen bekommt. Die eigenen Einkaufskonditionen sieht Bscheid „als ein angemessenes Betriebsgeheimnis, das man als Agentur nicht offenlegen muss".