Eine Polemik wider politisch korrekte Werbung:
"Wir versprühen keinen weichgespülten Werbeschwachsinn"
True Fruits-Gründer Marco Knauf verurteilt die Political Correctness-Attitüde der Werbebranche als duckmäuserisch und plädiert für unverstellte Kampagnen.
Im letzten Hochsommer erhitzten sich die Gemüter über eine Plakatkampagne von True Fruits, die mit sexuellen Anspielungen Aufmerksamkeit suchte. Kein Ausreißer – Marco Knauf, Gründer und CEO des Smoothie-Herstellers, will von Political Correctness tatsächlich generell nichts wissen. Und schlachtet in dem folgenden Credo, das er exklusiv für W&V Online geschrieben hat, gleich eine ganze Reihe von heiligen Kühen der Werbebranche. Glauben Sie nicht? Und wie klingt das?
"Ohnehin mögen wir keine Werbung und wir finden es albern, den Leuten das eigene Produkt aufzudrängen."
"Wir differenzieren ohnehin nicht in 'Kunde' oder 'Nichtkunde' und wir haben auch keine Zielgruppe definiert."
"Wenn den Leuten unser Humor nicht gefällt, dann können sie sich gerne ein anderes Produkt kaufen."
Aber jetzt das Ganze in extenso:
"Wie könnt ihr das nur schreiben – das ist sexistisch", "Seid ihr euch eurer Verantwortung als Unternehmen nicht bewusst?" "Das geht überhaupt nicht". Ich mach es kurz: Mir geht der Pseudo-Moralapostel-Bullshit auf die Nerven. Ich kann sie nicht mehr hören: diese Leute, die sich – egal über was – öffentlich lautstark empören, eine Entschuldigung verlangen und den sofortigen Verkaufsstopp fordern. Und auch auf der anderen Seite die Unternehmen, die den Leuten hinterherlaufen, sich für jeden Pups entschuldigen und um einen Platz im Einkaufskorb betteln. Hört endlich auf wie auf Eiern zu gehen, zeigt stattdessen mal welche!
Aber fangen wir von vorn an: Im letzten Jahr haben wir unsere erste Plakatkampagne gemacht. Im Fokus standen unsere neuen Säfte mit Chiasamen – sprich: Samensäfte. Prompt sind uns nur schweinische Sprüche eingefallen.
"2 Samenspender aus gutem Hause", "Besamt & befruchtet", "Oralverzehr – schneller kommst Du nicht zum Samengenuss", "Bei Samenstau schütteln".
Die Vorwürfe reichen von abartig bis frauenverachtend
Wir haben uns gefragt, ob die Sprüche öffentlichkeitstauglich sind, kurz überlegt und festgestellt, dass es uns egal ist. Die Plakate hingen; die Empörungswelle war groß. Die Leute warfen uns vor, wir seien abartig, anstößig, frauenverachtend und noch vieles mehr, was mir jetzt gar nicht mehr alles einfällt.
"Was machen wir also richtig?"
Ob das was an unserer Kommunikation geändert hat? Nein. Es ist ja auch nicht so, dass wir das alles nicht schon mal erlebt hätten. Das Resultat aus den letzten 11 Jahren true fruits: zwei größere Shitstorms, über 500 Mails und Anrufe mit heftigen Beleidigungen, ein Anruf der Polizei, eine untrue fruits-Seite auf Facebook, zwei Erklärungen vor dem Werberat. Was machen wir also richtig? Oder sollte ich falsch sagen? Okay, sagen wir, was machen wir anders? Kurz: Wir versprühen keinen weichgespülten Werbeschwachsinn. Ohnehin mögen wir keine Werbung und wir finden es albern, den Leuten das eigene Produkt aufzudrängen.
"Wir gaukeln den Leuten keinen Gesundheitsquatsch vor"
Beispiel: Wir könnten davon schwärmen, wie köstlich und wohlschmeckend unsere Smoothies doch sind und dass so "ein Schluck püriertes Obst der
perfekte Start in den Tag ist". Bullshit. Der Tag kann mit einem Mettbrötchen durchaus perfekt starten. What? Der redet über Mett? Dabei ist true fruits doch ein veganes Produkt. Vergraulen Sie damit nicht Ihre Kundschaft? Und wenn schon. Wir differenzieren ohnehin nicht in "Kunde" oder "Nichtkunde" und wir haben auch keine Zielgruppe definiert. Jeder, der Bock auf Smoothies hat, soll unsere Smoothies trinken – der Schüler, der Unternehmensberater, der Kiffer oder die Prostituierte. Wir gaukeln den Leuten auch keinen Gesundheitsquatsch vor – jeder weiß, wie man sich gesund ernähren kann. Wir müssen das nicht übernehmen.
"Mit unserer Kommunikation wollen wir unterhalten. Nicht mehr und nicht weniger"
Wir machen einfach ein sehr gutes Produkt – ohne das könnten wir uns den ganzen Marketingzirkus sowieso sparen. Mit unserer Kommunikation wollen wir unterhalten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wenn den Leuten unser Humor nicht gefällt, dann können sie sich gerne ein anderes Produkt kaufen. Nicht falsch verstehen, dann geht es um Humorkritik. Wenn jemand aber eine Beschwerde zu unserem Produkt hat, nehmen wir die sehr ernst. Wir sind jetzt 11 Jahre mit unseren Smoothies am Markt. Als Inga, Nic und ich True Fruits gegründet haben, waren wir völlig branchenfremd und haben die Dinge so gemacht, wie wir sie für richtig hielten. Das machen wir heute auch noch so.
"Wir denken nicht als Unternehmen, sondern als Privatperson."
Wir machen alles selbst, arbeiten nicht mit einer Agentur zusammen, erstellen keine 20 Präsentationen zu einem Thema, haben keine fünf Hierarchie-Ebenen, die durchquert werden müssen, bevor etwas entschieden werden kann. Wir denken nicht als Unternehmen, sondern als Privatpersonen. Wir sind kein gesichtsloses Unternehmen. Alle Sprüche, Posts und Flaschentexte entstehen in unserem Büro in Bonn, im kleinen Kreis. In lockerer Atmosphäre, so als würde man mit Freunden bei einem Bier zusammensitzen.
"Wir wollen gar nicht jedermanns Geschmack treffen."
Wir denken uns dann nicht "Dürfen wir das sagen?", "Ist das politisch korrekt?", "Könnten wir damit Kunden verlieren?" Nein! Wenn wir den Spruch lustig
finden, wir herzhaft darüber lachen und er zu unserem Produkt passt, dann machen wir es. Wir gehen völlig frei daran – es gibt keine Grenzen. Klar ist auch: Wir treffen damit nicht jeden Geschmack, aber das wollen wir auch gar nicht. Ich bin privat genauso, ich mag Leute, die sich nicht verstellen, sondern sich so geben, wie sie wirklich sind. So musst Du als Marke auch sein, Dich nicht verstellen, bleib Du selbst, bleib authentisch und mach die Dinge, die Du als Person dahinter gut findest.
Denn: Everybody‘s Darling ist everybody‘s Arschloch.
Zur Person: Marco Knauf, 39, hat True Fruits vor elf Jahren zusammen mit Inga Koster und Nicolaus Lecloux gegründet. Derzeitiger Jahresumsatz des Unternehmens: 40 Mio. Euro. Knauf wurde in Troisdorf am Rhein geboren und studierte BWL an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Die Idee zu True Fruits kam ihm während eines interdisziplinären Forschungsprojekts, bei dem die "Herstellung und Vermarktung eines auf dem deutschen Markt neuartigen Premium-Fruchtgetränkes; sog. Smoothies" entwickelt wurde.