Cannes Lions:
Wie bessere Kreativität Geld sparen kann
Die Zeiten von Earned Media sind vorbei. Die gute Nachricht: Sie haben jetzt die Kontrolle über die Verbreitung Ihrer Botschaft und gute Kreativität ist der Hebel. Ein Gastbeitrag von Will Rolls, Creative Agency Partner DACH, Facebook.
Die Kreativbranche trifft sich zu den Cannes Lions, um sich über Entwicklungen und besondere Kampagnen aus dem letzten Jahr auszutauschen. Das wurde vor allem von den Erkenntnissen aus der Corona-Pandemie dominiert, aber eine andere, potenziell branchenverändernde Dynamik hat sich so still und leise entfaltet, dass sie fast schon als Geheimnis gilt: Einige Kreative haben erkannt, dass sie ihren Kund*innen Geld sparen können.
Nicht, indem sie weniger für ihre Ideen verlangen, sondern indem sie diese noch besser umsetzen. Gute Creatives können für effektive Einsparungen im Mediaplan der Kunden sorgen, und zwar mit genauso viel Wirkung wie bei einre schonungslosen Media-Verhandlung.
Das sind großartige Neuigkeiten für ein Handwerk, das normalerweise mit viel Kosten und Aufwand verbunden ist. Immerhin macht Media typischerweise 80 Prozent der Kosten für Werbung aus. Wenn kreative Arbeit also diese Summe verkleinern kann, dann verdient sie einen Platz an der Spitze.
Die Trennung von Media und Kreativität – ein Relikt aus früheren Zeiten
Es gab eine Zeit – nennen wir sie das Broadcast-Zeitalter – in der es sich ein Top-Kreativer leisten konnte, die Mediaplanung auszublenden. Wenn er ein Meisterwerk für TV oder Print produzierte, hing dessen Sichtbarkeit ganz davon ab, wie gut der Mediaplaner das Budget nutzte – und von den Konditionen, die die Agentur ausgehandelt hatte. Auch die Mediaplanung brauchte den Kreativen nicht wirklich viel Aufmerksamkeit zu schenken. Solange die Media-Agentur eine Liste der benötigten Assets mit Längen und Abmessungen vorlegte, konnten Media und Kreative unabhängig voneinander agieren. Das war eine einfachere Zeit.
Im frühen digitalen Zeitalter änderten sich die Dinge ein wenig, nämlich als die Reichweite großartiger kreativer Arbeit vom Wind des "viralen" Effekts erfasst werden konnte, indem sie kostenlos im Internet geteilt wurde. Das "Earned Media"-Phänomen wurde von der Kreativindustrie als Mittel aufgegriffen, um zu demonstrieren, dass die Brillanz ihrer Arbeiten dem Kunden die Notwendigkeit erspart, für eine Platzierung zu bezahlen. Eine Handvoll großartiger kreativer Ideen, die ein paar Millionen Mal gesehen wurden, erweckten den wenig hilfreichen Eindruck, dass dieses Phänomen verbreiteter sei, als es tatsächlich war – wir alle haben Briefings gesehen oder geschrieben, in denen nach etwas "Viralem" gefragt wurde. Schließlich führten die ausufernde Menge an Inhalten und die zunehmende Geschwindigkeit des mobilen Lebensstils zu dem heutigen Werbe-Ökosystem.
Kreativität ist der Hebel zum Erfolg – und zu weniger Ausgaben
Sind die Zeiten der Earned Media vorbei? Wenn Sie auf der Suche nach einem "viralen" Hit sind, dann ja, dann ist dies wahrscheinlich das falsche Jahrzehnt, um so ein Briefing zu schreiben. Wenn Sie aber beweisen wollen, dass Kreativität sich ihre eigene Sichtbarkeit verdienen kann, gab es nie einen besseren Zeitpunkt: Anders als in der höchst unberechenbaren Welt des “Viralismus” haben Sie jetzt die Kontrolle über die Verbreitung Ihrer Botschaft – und gute Kreativität ist der Hebel.
Die Schlüsselkomponente bei all dem ist die Mediapreisgestaltung. Ich lege allen modernen kreativen Führungskräften dringend ans Herz, sich ein funktionierendes Wissen darüber anzueignen. Plattformen wie Facebook und andere soziale Medien haben keine festen oder ausgehandelten CPM-Preise ("Cost per thousand impressions"), sondern arbeiten mit einem komplexen Auktionssystem, das nicht an den Höchstbietenden, sondern an den besten Performer verkauft.
Das Hauptprinzip dahinter funktioniert so: Es ist im Interesse der Plattform, den Menschen die beste, relevanteste Anzeige zu zeigen, da diese eine bessere Chance auf eine Reaktion hat und die Wahrscheinlichkeit senkt, dass die Menschen die App verlassen. Wenn eine kreative Botschaft bei der richtigen Zielgruppe ankommt, kann sie die Kosten für das Erzielen der Impressionen senken. Noch besser wird es, wenn Sie eine Vielzahl verschiedener Asset-Varianten in den Mix geben – die unterschiedlichen Performance-Ergebnisse geben Hinweise darauf, was gut funktioniert hat und was ignoriert wurde. Das bietet eine offensichtliche Möglichkeit für das Kreativteam, mehr Assets zu produzieren, um weiterhin gute Mediakosten zu erzielen. Einfacher ausgedrückt? Probieren Sie mehr Dinge aus: Der Algorithmus liebt es.
Menschen wollen keine Werbung sehen
Noch attraktiver wird es für Kreative, wenn man sich die verschiedenen verfügbaren Buchungsmodelle ansieht. Es gibt nicht überspringbare Media-Buchungsoptionen, wie "In-Stream", bei denen sichergestellt wird, dass Nutzer*innen die Werbung bis zum Ende anschauen. Und dann gibt es andere, die eher überspringbar sind, wie Feed- und Story-Anzeigen. Wie Sie sich sicher vorstellen können, hat das nicht-überspringbare Erlebnis einen hohen Preis, da – Spoiler-Alarm – viele Menschen einfach keine Werbung sehen wollen. Offensichtlich zeigen Werbungtreibende großes Interesse am Unskippable-Modell, da es ihre Werbung vor Abbrechungen schützt, aber die besten Kreativen werden die Chance erkannt haben: Wenn das Creative in der Feed- oder Stories-Platzierung eine brillante, brutale Unmittelbarkeit aufweist, dann wird die Kampagne auch auf diesen günstigeren Feed- und Stories-Platzierungen gut funktionieren. Die besten Kampagnen arbeiten mit ständigen Vergleichen: Sie testen den Erfolg von Platzierungen mit einer Multicell-Brand-Lift-Studie und finden so heraus, welcher Ansatz den geringsten "Cost per lifted User" hatte. Stärkere Creatives werden immer günstiger sein. Wird das zur Formel für Cannes-Gewinnerkampagnen? Nicht unbedingt, aber die Effies rücken näher.
Das ist also die Geschichte hinter der Überschrift. Kund*innen sollten mehr in ihre kreativen Assets investieren, damit sie weniger für ihre Kampagnenergebnisse bezahlen. Wenn Sie jetzt direkt loslegen wollen, habe ich hier noch ein paar
Grundlegende Tipps für Sie:
- You get what you brief: Wenn Sie im Briefing kein Ziel für Ihre Kampagne formulieren, werden Sie auch keines erreichen. Starten Sie also mit der Überlegung, welche Handlungen oder Aktionen Sie bei den Menschen hervorrufen möchten – das ist die wichtigste Frage hinter jeder Social-Media-Kampagne.
- Was braucht die Kampagne? Kann Ihre Awareness-Kampagne kurz und prägnant sein oder braucht sie emotionale Tiefe und Detailreichtum? Für Ersteres können Sie auf Feed-, Stories-, und Skippable-Formate setzen, während für Letzteres mehr In-Stream- und Unskippable-Formate erforderlich sind. Lassen Sie die Kampagne laufen und vergleichen Sie die Performance beider Ansätze.
- Testen und lernen: Jede Kampagne und jeder Kontakt ist eine Gelegenheit zum Lernen. Aber der größte Fehler, den Sie machen können, ist es, zu viele Variablen auf einmal zu testen. Sie sollten die Unbekannte kennen, die Sie auflösen wollen – und diese sollte die einzige Variable in Ihrem Kampagnen-Setup sein.
- Kennen Sie Ihre Metriken: Legen Sie die passende Metrik für Ihre Kampagne fest und bewerten Sie die Kosten pro Ergebnis. Wenn es also um einen Ad-Recall-Lift geht, ist es möglich, den ‘Cost per lifted User’ als Teil Ihrer Brand-Lift-Studie zu berechnen. So erhalten Sie echte Anhaltspunkte für die kreative Effektivität Ihrer Kampagne.
Will Rolls ist seit Oktober 2016 als Creative Agency Partner bei Facebook tätig. Dort verantwortet er die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit und den Aufbau strategischer Partnerschaften mit der Kreativwirtschaft im deutschsprachigen Raum.
Bevor Will zu Facebook kam, war er viele Jahre bei unterschiedlichen Agenturen für Planung und Strategie zuständig, zuletzt als Planning Director bei Grabarz & Partner. Davor war er unter anderem Director of Planning and Strategy bei der LBi Germany und Social Media Director bei Profero.