Gastbeitrag:
„Wie entlinearisiere ich ein lineares Medium?“
Diese Frage stellt sich Tom Schwarz, Geschäftsführer Seven.One AdFactory. Denn die Digitalisierung erweitere das Spielfeld und böte im Zusammenspiel mit TV neue Interaktionen und zusätzliche Fläche.
In welcher verrückten und anstrengenden Zeit leben wir eigentlich gerade? Wohl kaum eine Phase zuvor hat in kürzester Zeit so viel Veränderung und Entwicklung mit sich gebracht. Corona wirkt als Riesen-Fast-Forward Button: Ob Homeoffice, Homeschooling, Skype-Sessions mit den Enkeln oder erste Unterhaltungen mit Alexa. Die Corona-Pandemie hat die Bereitschaft der Konsumenten für digitale Services enorm gesteigert, was zu einer verkürzten Customer Journey führte, da sich das Leben der Menschen in die eigenen vier Wände verschoben hat. In dieser Zeit avancierte Fernsehen zum Fenster zur Welt und zum Medium der Stunde, denn es bedient die Sehnsucht nach Normalität, nach Verlässlichkeit, Gewohnheiten und Ritualen.
"Marken sollten sich die Sinnfrage stellen"
Zeitgleich befinden wir uns inmitten der digitalen Revolution mit heftigen Auswirkungen auf Marken und Konsumenten. Überall und jederzeit erreichbar zu sein, ist selbstverständlich geworden. Dabei werden die Menschen im Sekundentakt mit den neuesten Errungenschaften konfrontiert. Gleichgesinnte werden wichtiger, gemeinsame Werte rücken in den Vordergrund. Das trifft zunehmend auch auf Marken zu. Eine starke Haltung ermöglicht Menschen, sich mit den Werten einer Marke zu identifizieren anstatt nur mit den Produkten. Marken sollten sich daher öfter die Sinnfrage stellen.
In diesem Zusammenhang ist Aufmerksamkeit zur Parallelwährung geworden. Werbung bzw. Marketing ist nichts anderes, als der Versuch, Aufmerksamkeit zu kaufen, in der Hoffnung, dass diese sich wieder monetarisiert. Bei diesem Prozess entstehen Inhalte oder in der Marketing-Sprache ausgedrückt "Content". Relevanter Content steht nicht mehr ausschließlich im TV zur Verfügung, sondern uneingeschränkt auf allen Kanälen und zu jeder Zeit abrufbar. Amazon und Netflix überfluten die Konsumenten geradezu mit einer Content-Lawine, die Digital Giants (Apple TV, Amazon Prime, Facebook Watch etc.) transformieren von reinen Tech- zu Medien & Entertainmentunternehmen. Aber nicht nur Content gibt es im Überfluss, sondern auch Werbung. Was einst der wohldosierte Preis für frei verfügbaren Content war, hat – insbesondere im Digitalen – inflationäre Ausmaße angenommen. Bis zu 13.000 Werbebotschaften prasseln pro Tag auf uns ein (in den 80er Jahren waren es noch 500).
Was ist die Folge? Werbeprodukte wollen und können nicht länger als Werbelüge gesehen werden. Mit "falschen Wahrheiten" erreicht man den Konsumenten immer weniger. Vielmehr wollen die Kunden authentische Geschichten über Marken hören. Die Sehnsucht nach Transparenz und Ehrlichkeit dominiert. Dies erklärt auch den aktuellen Trend zu Influencern und authentischen Testimonials.
Content und Werbung hängen voneinander ab
Zudem dreht sich die Welt immer schneller bei immer kürzeren Produktlebenszyklen. Das macht den Wettbewerb globaler, digitaler und schärfer. Zugleich haben wir uns eine On-Demand-Kultur erschaffen, die auf unsere persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Ob als Zuschauer, Abonnent oder Käufer, der Konsument ist der Protagonist der Stunde. Seine Aufmerksamkeit ist das heiß begehrte Ziel. Doch wie erreicht man diese Aufmerksamkeit? Mit Content und Werbung. Beide stehen in einer gewissen Abhängigkeit zueinander: Denn Content – in unserem Fall die TV-Formate und die dazugehörigen Sender - bieten Reichweite und benötigen Geld für ihren Inhalt, die anderen haben das Geld, aber keine Reichweite. Werbung ist somit der wohldosierte Preis für frei verfügbaren Content. Marken haben also die Chance, in diesem attraktiven Umfeld mit enormen Reichweiten stattzufinden. Die Frage ist nur wie?
Unsere Antwort: Indem wir den Werbeblock entlinearisieren! Die Digitalisierung erweitert das komplette Spielfeld und bietet im Zusammenspiel mit TV neue Interaktionen und zusätzliche Fläche. Ziel ist es, mittelfristig den Werbeblock mit individualisierbaren Werbeformen und programmatischer Werbung zu ‚entlinearisieren‘ und dem Kunden so mehr Flexibilität und Effizienz zu bieten. Erste Gehversuche bei Shoppable TV sowie die zunehmend nachgefragte Addressable TV-Werbung mit seinen zahlreichen Targeting-Möglichkeiten sind hier nur zwei Beispiele.
Ferner bieten Social Media und Fanwelten ein digitales Zuhause der TV-Formate: Durch Sender-Websites, Apps und digitale Fanwelten bringen wir die Zuschauer vom sogenannten "Lean-Back" in den "Lean-Forward-Modus" und geben ihnen so die Möglichkeit, unmittelbar und interaktiv an Sendungen und Formaten teilzunehmen. Beispiel: die "Seat-Comeback Stage" bei "The Voice of Germany", die Rate- und Votingtools bei "The Masked Singer" oder das digitale Social Media Event #GNTMX, das im Mai stattfindet.
Aber auch das Thema Haltung spielt in der Werbung eine immer größere Rolle. Kunden und Konsumenten ist gleichermaßen wichtig, dass in der Werbung Haltung gezeigt und sie entsprechend erleb- und anfassbar gemacht wird. Sich über die reinen Produkte hinaus mit den Werten einer Marke zu identifizieren, kein Greenwashing, sondern echtes, nachhaltiges Engagement – darum geht es heute. Wie wir das umsetzen? Durch gemeinsame Kampagnen mit Kunden und Organisationen wie z.B. mit dem Weißen Ring in der Kampagne gegen häusliche Gewalt oder mit dem Unternehmen share. Und auch Sendungen wie "Joko und Klaas. 15 Minuten Live" bieten Haltungs-Kampagnen aufmerksamkeitsstarke Umfelder. Ebenso zahlen Themenwochen wie "Green Seven Week" oder jüngst die "SAT.1 Waldrekord Woche" darauf ein. Nicht weniger relevant sind gesellschaftspolitische Themen, die von sowohl von den Zuschauern als auch von den Medien weitergetragen werden.
Die Entlinearisierung von TV hat gerade erst begonnen!
Der Autor: Tom Schwarz ist Geschäftsführer Seven.One AdFactory.