Screenforce Academy:
"Ich mache Nachrichten und keinen Informationskrieg"
Charlotte Maihoff moderiert die Hauptnachrichten „RTL Aktuell“ und gehört zum Moderationsteam um Peter Kloeppel. Im Interview spricht sie über Nachrichten, Social Media, ihren Arbeitsalltag - und verrät, wen sie einmal interviewen möchte.
Seit 2017 moderiert Charlotte Maihoff die Hauptnachrichten „RTL Aktuell“ und gehört zum festen Moderationsteam rund um Peter Kloeppel. Zuvor stand die Journalistin für die Tagesschau und Tagesschau24 vor der Kamera. Bei der diesjährigen Screenforce Academy spricht sie über Qualitätsjournalismus zwischen Schnelligkeit, Validität und Auslandseinsätzen - im Vorfeld haben wir mit ihr gesprochen.
Frau Maihoff, Sie sprechen bei der diesjährigen Screenforce Academy über Nachrichtenjournalismus. Nachrichtensendungen sind ja vergleichsweise kurz. Zugleich werden die Themen, die es in die Nachrichten schaffen, immer komplexer. Bräuchte es nicht viel mehr Zeit, Themen auch einmal zu vertiefen, beispielsweise in einem eigenen Format als Verlängerung der Nachrichten?
Wir nehmen uns bei RTL Aktuell für komplexe Top-Themen gerne auch mal mehr Zeit, als das sonst bei Hauptnachrichten üblich ist. Denn es ist uns wichtig, dass auch die mitkommen, sich eine eigene Meinung bilden können, die nicht so wie wir den ganzen Tag am News-Feed hängen. Zudem machen wir bei RTL zu relevanten Themen regelmäßig Spezials in der Primetime, die dann deutlich mehr Raum für Hintergründe und Vertiefung von Themen bieten.
Was reizt Sie am Nachrichtenjournalismus? Für wen ist das das richtige - für wen vielleicht nicht? Und welche Kompetenzen und Fähigkeiten sind heute gefragt?
Nachrichten kommen über viele Kanäle zu uns, sind aber im Kern, wenn sie gut gemacht sind, immer ähnlich: Sie sind aktuell und korrekt. Sie sind darüber hinaus an die Zielgruppe angepasst, für die sie gemacht werden. Für junge Menschen findet deshalb auch immer mehr im Social-Bereich statt: Auch RTL Aktuell und unsere Magazine sind unter anderem bei Instagram zu finden und haben dort stattliche Followerzahlen. Ich glaube aber deshalb nicht, dass ein Journalist alle Formate bedienen können muss – schon gar nicht gleichzeitig, wie das mal eine Zeit lang in Mode war. Da leidet irgendwann die Qualität. Eine gute Beitragsautorin ist Gold wert. Das heißt nicht, dass sie genauso gut darin ist, Online-Texte zu schreiben, oder schnelle, schöne Insta-Storys zu erstellen. Das sind unterschiedliche Jobs, für die Journalist:innen sich zu Recht spezialisieren. Journalistisches Handwerk brauchen sie aber überall. Wichtig ist, dass sich Redaktionen und Ressorts in Summe crossmedial aufstellen.
Sie berichten für RTL immer auch wieder aus Russland. Wie wichtig ist es, wirklich vor Ort zu sein, wie empfinden Sie das?
Es ist sehr wichtig. Ich habe dort ja einige Jahre mit meinem Mann gelebt. Man entwickelt einfach ein vollständigeres Bild von der Gesellschaft, über die man berichtet. Russland, der gesamte frühere Ostblock, ist vielen im Westen ja eher fremd. In der Schule wird die Geschichte bis zum Mauerfall und dem Zusammenbruch der Sowjetunion behandelt. Danach nicht mehr. In Ostdeutschland, wo RTL Aktuell viele Zuschauer:innen hat, gibt es eher eine andere Verbindung zu diesem Kulturkreis. Ich glaube, es ist wichtig, andere Haltungen erklären zu können - ohne sich mit ihnen gemein zu machen, wohl gemerkt. Und da hilft es im Land gelebt zu haben.
Die Screenforce Academy verspricht ihren Teilnehmenden einen Einblick hinter die Kulissen. Wie arbeiten Sie mit Ihrem Newsteam, nach welchen Kriterien suchen Sie aus, was in die Sendung kommt und was nicht?
Wir sind morgens zusammen in der Konferenz, teils online, teils in Präsenz und sprechen über die Themen des Tages. Jedes Landesstudio stellt seine aktuellen Themen vor, der CvD was aus der Vorplanung oder vorherigen Konferenzen des Hauses kommt. So gehen wir an den Start. Jeder hat Vorschlagsrecht, jeder kann mitreden. Trotzdem fallen die Entscheidungen für eine Marschrichtung des Tages dann sehr schnell, denn die Beiträge müssen ja gedreht, O-Ton-Geber angefragt, Grafiken erstellt werden. Im Lauf des Tages kann es dann immer wieder vorkommen, dass ein aktuelles Thema reindrängt. Am Nachmittag entscheidet sich dann meist, wie der Sendeablauf in etwa aussehen soll. Und wenn kurz vor der Sendung noch was Wichtiges kommt: Dann eben live drauf.
Im Nachrichtengeschäft ist Arbeiten unter Zeitdruck völlig normal. Gibt es Tricks, wie man sich die dafür nötigen Skills aneignet?
Ruhe bewahren. Wer in Hektik gerät, wird schusselig, macht alle nervös und nichts wird besser. Gut ist es natürlich, sich mit den Themen des Tages einigermaßen auszukennen, dann kann man schneller reagieren und muss sich nicht erst alles anlesen. Eine gute Allgemeinbildung ist deshalb immer noch wichtig. Google kann nicht immer retten. Manchmal reicht die Zeit einfach nicht.
Sie sind aktiv in den Social-Media-Kanälen. Oftmals ist dort der Umgang ja eher rau, zuweilen auch diffamierend und beleidigend. Greifen Sie aktiv ein, wenn Leute sich im Umgangston vergreifen?
Ja klar. Wenn jemand absichtlich nur Boshaftigkeiten ablässt, gibt’s eine Verwarnung und dann: „Adios!“. Ich habe null Verständnis für Menschen, die andere anpöbeln. Die meisten meiner Follower:innen sind aber sehr freundlich und höflich, auch wenn sie mal Kritik üben. Und das finde ich besonders toll. Ich bin meiner Community sehr dankbar für die meist positiven Vibes, die sie verbreitet. Die meisten freuen sich einfach, mich abends zu sehen und dass ich Ihnen die Nachrichten ins Wohnzimmer bringe. Das versuche ich möglichst neutral, aber trotzdem nicht beliebig. Und ich habe auch die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das so bleibt. Darum bemühe ich mich bei jeder Moderation. Ich mache Nachrichten und keinen Informationskrieg.
Was glauben Sie kann man tun, um Hass im Netz und Fake News Einhalt zu gebieten?
Fake-News-Kampagnen sind ja öfters gezielt gesteuerte Eingriffe in unsere Debatten - auch aus dem Ausland. Es gibt schon auch erkennbare Spaltung bei uns, aber diese Bot-Armeen sind eben keine „echten, normalen Bürger“. Man muss daher die Balance halten zwischen Blocken, Gegenhalten mit Fakten und auch einfach mal stoisch Ignorieren. Denn es ist auch eine Strategie, den Gegner ständig mit Quatsch-Diskussionen zu beschäftigen und künstlich in Erregung zu halten. Wir sollten darauf nicht reinfallen und nicht über jedes Stöckchen springen. Das Wichtigste für Nachrichtenjournalist:innen ist aber, diese gezielten Desinformationen zu erkennen. Dafür haben wir bei RTL Deutschland ein Verifizierungsteam, das die Redaktionen und Ressorts unterstützt.
Mit wem würden Sie gern einmal ein Interview führen?
(lacht) Das werde ich immer wieder gefragt und ich finde die Antwort darauf richtig schwer. Eine Babuschka aus der Moskauer Peripherie, ein IT-ler in Westafrika, ein deutscher Katastrophenschützer: Sie alle haben spannende Dinge zu sagen. Es müssen nicht immer berühmte Menschen sein. Vielleicht sollten wir alle einander mehr zuhören und nicht ständig was raushauen. Deshalb mein Tipp an diejenigen, die Journalist:in werden wollen: Fragt Leute in eurer Umgebung, saugt alles auf, hinterfragt, wie Dinge funktionieren. Achtet dabei auf eure Umgangsformen, seid offen, freundlich und dabei unnachgiebig. Dann steht euch eine riesige, spannende Welt offen.
Die Screenforce Academy, die von 15. bis 17. November digital stattfindet, gilt als Plattform für Diskussionen und Ideenfindung. Speaker aus dem Top-Management der führenden deutschen Entertainmenthäuser und Vermarkter sowie externe Experten geben praxisnahe Einblicke in Form von Keynotes, Cases, Talks – kurzweilig, nahbar, interaktiv. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung!
Die Screenforce Academy findet von 15.-17.11. statt.
Foto: Screenforce / W&V