Wie sehr die Werbetreibenden auf beiden Seiten des Atlantiks mittlerweile den großen Playern quasi blind vertrauen, zeigt sich derzeit beim YouTube-Skandal. Die Verlockung von ungeheurer Reichweite gepaart mit vermeintlich höchster Datenqualität basierend auf der gewaltigen Marktmacht dieser Akteure ist schlicht und einfach sehr verlockend – und das ist aus Sicht der Werbetreibenden auch vollkommen verständlich.

Wir brauchen ein offeneres System

Im Kern handelt es sich um ein strukturelles Problem des weltweiten Digitalwerbungs-Ökosystems und dies allein spricht dafür, dass die Branche es auch nur gemeinsam lösen kann. In der Tat ist es zwangsläufig problematisch, wenn die Angebots- und Nachfrageseite in einem Akteur vereint wird.

Der gesunde Menschenverstand sollte hier zu dem Schluss kommen, dass Interessenkonflikte dann praktisch unvermeidbar sind. Wichtig ist aber darauf hinzuweisen, dass diese Problematik nicht nur bei den GAFAs besteht, sondern auch bei etlichen anderen Akteuren, die in der Lumascape zu finden sind.

Was wir international brauchen ist in der Tat das Gegenteil von Walled Gardens – nämlich ein möglichst offenes System, das vor allem eine funktionierende Cross-Channel-Attribution ermöglicht. Innerhalb der Walled Gardens gibt es jeweils eigene Measurement-Systeme. Facebook misst zum Beispiel viewability und conversions nach eigenen Kriterien. Eine Attribution, die tatsächlich sämtliche vom User genutzten Kanäle mit einbezieht wird dadurch noch erheblich erschwert.

Mehr SaaS wagen!

Ein offeneres System lässt sich meiner Meinung u.a. dadurch erreichen, dass die großen Agenturen und auch die Werbetreibenden das Thema AdTech viel stärker selbst in die Hand nehmen. Das Stichwort hierzu lautet Software-as-a-Service (SaaS) bzw. die Integration von Mediatechnologie-Plattformen.

Ich beobachte derzeit, dass vor allem die großen Werbetreibenden sich die Expertise für datengetriebenes Marketing stärker ins eigene Haus holen. Ich denke, dass dieser Schritt dazu beiträgt, dass die Einkaufsseite unabhängiger wird von einzelnen Anbietern und sich ihren Tech-Stack selbst nach den eigenen Anforderungen zusammenstellt.

Man könnte es so beschreiben: Viele verabschieden sich im Moment davon, ein bloßer Passagier im Privatjet zu sein (managed service-Lösung) und streben stattdessen an, selbst der Pilot des Privatjets zu werden (self service).

"America first" bleibt

Es wäre auf jeden Fall ein Fehler, zu versuchen, sich als Europäer abzuschotten. Denn – ob es uns passt oder nicht – in unserer Branche wird auch in Zukunft "America first" gelten. Einfach weil die technologischen Entwicklungen schon seit Jahren und Jahrzehnten von den USA ausgehen. Wenn Europa auf diesen Vorsprung mit Abschottung reagiert, wird es langfristig nur verlieren.

„Stimmen Sie Volker Ballueder zu?”


Autor: W&V Gastautor:in

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