Brand-Safety:
Youtube-Boykott ist zu wenig: Marken müssen Verantwortung übernehmen
In der aktuellen Debatte um Youtube als problematisches Werbeumfeld vertritt Patrick Edlefsen, Deutschland-Chef von Sizmek, eine klare Position: Marken müssen selbst aktiv werden und auf Qualitätsstandards achten.
Wenn Werbebotschaften renommierter Marken in kritischen Umfeldern auftauchen, schadet dies ihrem Ansehen. Nicht verwunderlich also, dass bekannte Marken ihre Budgets von Youtube abziehen, seit bekannt wurde, dass ihre Werbeanzeigen etwa in Videos mit extremistischen Inhalten aufgetaucht sind. Das Phänomen unpassend ausgespielter Werbeanzeigen ist allerdings nicht neu. Brand Safety ist eigentlich ein Dauerthema im digitalen Marketing, das je nach Werbebudget des Betroffenen und Brisanz kleinere oder größere Wellen schlägt.
Die Verantwortung für markenkonforme Werbeauslieferung allein beim Publisher zu suchen, wird das Problem aber nicht lösen. Die Marken müssen selbst mehr Verantwortung übernehmen. Richtig ist, Google trägt Verantwortung für sein Werbeumfeld Youtube. Dem kann sich das Unternehmen nicht entziehen. Nicht zuletzt deshalb, weil das Netzwerk Youtube externen Analysetools nur bedingt Zugang gewährte und die Verifizierung der reinen Videoinhalte historisch eine der größten Herausforderungen darstellt.
Die aktuelle Empörungswelle ist nun so groß, dass Google offensiv reagiert, um das Vertrauen von Markenkunden zurückzugewinnen. Youtube als Werbeumfeld wird künftig von Comscore verifiziert und von Integral Ad Science auf mögliche Risiken (nicht jugendfreie Inhalte sowie Inhalte, in denen es um Alkohol, Glücksspiel, Hetzreden, illegale Downloads, illegale Drogen, Beleidigungen oder Gewalt geht) untersucht. Die Filter, die Videos als geeignetes Werbeumfeld qualifizieren, werden verschärft. Ein erster Schritt in Sachen Brand Safety ist damit gemacht. So weit, so begrüßenswert.
Wagen wir einen Rückblick: Wie kam es zu der jetzigen Situation? Youtube war als Plattform gestartet, auf der Video-Content von Usern veröffentlicht wurde. Mit wachsender Bekanntheit kamen professionellerer Content und mit ihm die Marken. Die sahen in Youtube einen Werbekanal mit hochwertigen Werbeumfeldern zu günstigen Preisen, auf denen ihre Zielgruppe erreicht wird. Natürlich verschwand aber der Longtail an mäßig produzierten Video-Inhalten nicht. Er wurde mit Werbung garniert und von Google sogar incentiviert. Denn viel Content bedeutet auch viel vermarktbares Inventar, sprich Geld.
Hat Google das Thema Brand Safety an diesem Punkt ignoriert?
Das glaube ich nicht. Man hat sich vielmehr mit passenderen Abrechnungsmodellen (TrueView) und der Stärkung seiner hochwertigen Content-Produzenten beschäftigt. Und die Marken? Die haben ein Stück weit zu sehr losgelassen und vielleicht zu viel Vertrauen in diese neuen Möglichkeiten gegeben. Anderen fiel aus der gelernten "Website-impliziert-Werbekanal"-Logik heraus nicht auf, dass Youtube eine Plattform mit vielen Kanälen von unterschiedlicher Qualität ist.
Vor zwei Wochen nun kam der Warnschuss für Google und damit für die ganze Branche: Ein Boykott des Werbenetzwerks durch mehr als 250 Marken, bis es Brand Safety garantiert. Die Kritik ist legitim, nun müssen sich alle Marktteilnehmer aber auch vom Stein des Anstoßes lösen und ihr eigenes Verhalten hinterfragen. Auch jenseits des Netzwerk-Flaggschiffs Youtube finden sich im Netz zu jeder Zeit Anzeigen in Werbeumfeldern wieder, die Marken schaden können. Intransparente, geschlossene Netzwerke gibt es einige mehr. Darauf zu hoffen, dass diese nun eigeninitiativ das Brand-Safety-Problem lösen, ist keine Option für Marken.
Legen Sie Standards für Ihre Marke fest
Marken können ihren Einfluss auf den Werbeprozess für bessere Werbeumfelder stärker nutzen – das zeigt der Fall Google. Und das sollten sie auch tun. Denn letzten Endes hat jedes Unternehmen auch selbst eine Verantwortung dafür, den Schutz der eigenen Marke zu gewährleisten. In der Vergangenheit galt dieses Verantwortungsbewusstsein den Fragen nach Reichweite und Sichtbarkeit von Werbemitteln. Heute sind die Anforderungen an Markenwerbung umfassender und politischer. Welche ideologischen Strömungen von meinen Werbebudgets profitieren, spielt plötzlich ebenso eine Rolle in der Markenwahrnehmung wie die Frage, zu welchen Bedingungen ich produziere. Auch daraus erwächst aktuell die noch größere Sensibilität der Marken für die richtigen Umfelder. Werbungtreibende haben dafür eine Reihe von Optionen, die sie jetzt nutzen sollten.
Zunächst einmal gilt es, ganz strategisch Brand-Safety-Standards für die eigene Marke festzulegen: Wer für sich definiert hat, zu welchen Parametern und Themen er gesehen werden will und was er hinsichtlich Transparenz und Qualität erwartet, der hat ein klares Bild davon, welche Werbeumfelder für die eigene Werbung in Frage kommen. Mit Hilfe von Softwaretools, wie zum Beispiel Verification- Suiten oder Pre-Bid-Targeting-Features können Marketer inzwischen die Qualität der Umfelder zusätzlich überprüfen und müssen sich nicht mehr auf ihr Bauchgefühl und das Engagement der Netzwerke verlassen. Auch eine bewusste Entscheidung gegen Anbieter, die Qualitätskontrollen nicht zulassen, selbst wenn sie mit gutem Preis-/Leistungsverhältnis oder besonderer Performance werben, gehört unter Umständen dazu.
Mein Appell an alle Marken: Kauft nur Werbeplätze, die eine Qualitätskontrolle ermöglichen! Arbeitet dafür mit vertrauenswürdigen Partnernetzwerken! Setzt technische Lösungen ein, die Umfelder schon vor der Werbeauslieferung für Brand-Safety verifizieren! Überlasst das Thema Brand Safety nicht den anderen, so wie Ihr es bei Google tut. Übernehmt den Driver's Seat! So gewinnt die ganze Branche.
Über den Autor:
Patrick Edlefsen ist Managing Director DACH von Sizmek, einem unabhängigen Open-Ad-Management-Plattformanbieter für Multichannelkampagnen. Sizmek, in mehr als 70 Ländern mit lokalen Niederlassungen aktiv, versucht, mit seinen Angeboten, Programmatic Advertising und Creative zu verbinden. Rund 42.000 Advertiser, Mediaagenturen, Publisher und Trading Desks sind Anwender der Sizmek-Plattform.