#MeToo in Deutschland - Lesetipp:
Sebastian Schipper zu MeToo: "Erst einmal zuhören"
Mit Dieter Wedel hat die deutsche Filmbranche ihren eigenen Weinstein samt prominenten Kritikern und Unterstützern. Regisseur Sebastian Schipper mahnt im Spiegel zu rationalem Umgang.
Die Vorwürfe gegen Dieter Wedel ziehen weite Kreise in deutschen Medien: Der Regisseur ist der erste deutsche Prominente, der im Zuge der #MeToo-Debatte öffentlich mit Anschuldigungen konfrontiert wurde. Das hat Konsequenzen für ihn und für die Sender, die ihn beschäftigt hatten - und ruft zahlreiche Mitarbeiter und Kollegen auf den Plan. Die einen erklären in der Presse, die Vorwürfe seien haltlos, sie hätten nie etwas mitbekommen - die anderen räumen ein, von Übergriffen gewusst zu haben.
Einer der zweiten Gruppe ist der Regisseur und Schauspieler Sebastian Schipper (Victoria), der sich heute in einem Interview auf Spiegel Online zu Wedel und dem Schweigen am Set äußert, das Mitleid des Schauspielers Ulrich Tukur mit dem Regiestar kritisiert - und eine sachliche und vernünftige Meinung dazu hat, wie Menschen in Zeiten von "Darf man jetzt nicht mal mehr flirten?" mit dem Thema Machtmissbrauch umgehen könnten.
Das hat Gehör verdient, finden wir, und empfehlen daher gern das Interview von Hannah Pilarczyk auf Spiegel Online als Lesetipp - unter anderem folgender Aussagen wegen:
Sebastian Schipper: "Ich glaube, es ist der erste wichtige Schritt in der aktuellen Situation für uns, erst einmal zuzuhören, statt den Themenkomplex sexuelle Belästigung zu kapern."
Schipper: "Es geht nicht darum, dass jetzt keine Fehler mehr gemacht werden dürfen. Es geht darum, dass Übergriffe und schlechtes Benehmen als Fehler benannt werden - und dass die betreffenden Leute Verantwortung übernehmen. Ansonsten normalisiert man Missbrauch."
Schipper: "... das Wort 'Hexenjagd' ist in diesem Zusammenhang (Anm.: mit MeToo) unsinnig. Damit bringt er (Anm.: der Regisseur Michael Haneke) ja zum Ausdruck, das Wesentliche an der Debatte um Missbrauch von Frauen sei, dass Männern Unrecht getan werde. Das ist an Groteskheit kaum zu überbieten. Was wir Männer zu lernen haben, ist: Diese Welt ist in ganz großen Teilen auf uns ausgerichtet. Was für ein unglaubliches Privileg das bedeutet, dass wir per se keine Angst haben müssen, dass man uns vergewaltigt, dass man uns lächerlich macht. Dass wir nicht ständig überlegen müssen, ob wir uns in bestimmten Situationen in Gefahr bringen! Das ist vielen von uns - inklusive mir - noch nicht in vollem Umfang bewusst."