Interview:
Rotkäppchen trotzt Krise: "Kreativ, agil, optimistisch"
Cathrin Duppel, Marketing Director bei Rotkäppchen-Mumm steht vor großen Herausforderungen, denn die Deutschen sind derzeit nicht in Sektlaune. Doch das hindert sie nicht daran, Neues zu wagen.
Rotkäppchen-Mumm, mittelständischer Sekt- und Weinhersteller aus dem Freyburg in Sachsen-Anhalt, hat schnell auf die aktuellen Entwicklungen reagiert. Mit neuen Ideen hat das Unternehmen sein Marketing angepasst und so auch in Coronazeiten nicht auf Kommunikation verzichtet. Dabei ist die Krise für den Sekt-Marktführer alles andere als einfach zu verkraften: Während der Einzelhandel bei Weinen eine Umsatzsteigerung von 30 Prozent im März verzeichnen konnte, wie die GfK ermittelte, sind die Deutschen bei Sekt momentan deutlich zurückhaltender.
"Ostern, die ganzen Familienfeiern - das fällt weg", hatte Rotkäppchen-Mumm-Chef Christof Queisser bereits Ende März der dpa gesagt. Dazu komme, dass die Nachfrage der Gastronomie "faktisch auf Null" sei. Auch wenn langsam in einigen Bundesländern die Gastronomie wieder anläuft und sich Menschen auch wieder treffen dürfen - in Partylaune sind die Deutschen deswegen wohl noch lange nicht.
2019 lief es noch gut
2019 war für die Sektkellerei ein gutes Jahr. Das Traditionsunternehmen verkaufte 310,4 Millionen Flaschen Sekt, Wein und Spirituosen - ein Plus von 11,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Vor allem der klassische Rotkäppchen-Sekt habe einen Großteil des Wachstums beigesteuert. Der Umsatz stieg um 2,7 Prozent auf den Rekordwert von 1,114 Milliarden Euro.
Wie das Unternehmen jetzt auch in schlechteren Zeiten weitermacht und welche Chancen Corona trotz allem bietet, erzählt Cathrin Duppel, Marketing Director bei den Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien im Exklusiv-Interview mit W&V.
Frau Duppel, Sie haben unter anderem die Werbeplätze, die eigentlich für die Rotkäppchen-Kampagne rund um Ostern gedacht waren, den Konsumenten und ihren Botschaften an ihre Liebsten zur Verfügung gestellt (hier mehr dazu).
Uns war schnell klar, dass wir nicht aufhören wollen, präsent zu sein. Gleichzeitig war es offensichtlich, dass wir in Zeiten von Social Distancing keinen Spot zeigen möchten, in dem Menschen miteinander auf engstem Raum feiern. Also haben wir unsere Marketingstrategien grundlegend überprüft und beispielsweise die Positionierung unserer stärksten Marke Rotkäppchen der Ausnahmesituation entsprechend interpretiert. Herausgekommen ist dann die Aktion #Nähesenden, mit der wir einen Mehrwert stiften und den Menschen Zuversicht geben wollen.
Die Konsumenten greifen zu starken Marken
Warum ist dieser Mehrwert gerade jetzt so wichtig?
Als Marke kann man den Menschen einen gewissen Halt geben, das sehen wir auch daran, dass die Konsumenten in Krisenzeiten vermehrt zu starken Marken greifen und Wert auf bekannte Qualitätsprodukte legen. Dazu kommt, dass unsere Produkte keinen rationalen Benefit haben. Umso wichtiger ist es uns, Optimismus zu verbreiten und den Menschen zu ermöglichen, im Privaten ein bisschen Abstand von der Krise zu gewinnen.
Wie kann das gelingen?
Für Jules Mumm haben wir beispielsweise eine DJ-Party via Livestream gefeiert, die Sektmarke Mumm hat einen virtuellen Cocktailabend organisiert und Rotkäppchen hat im Netz zu "Einfach singen" mit Johannes Oerding aufgerufen.
Viele neuen Dinge werden schnell und konsequent umgesetzt
Das klingt, als ob bei Ihnen gerade viel Neues entsteht.
Definitiv. Ich muss sagen, dass es für das Marketing in unserem Haus gerade eine unfassbar kreative und agile Zeit ist. Es ist die Zeit, Dinge neu zu bewerten und auch mal etwas zu wagen. Unser Unternehmensgeist, der stets durch Mut und Weitsicht geprägt war, hilft uns hier sehr. Wir probieren gerade Dinge aus, die wir unter normalen Umständen nie so schnell und konsequent hätten umsetzen können, weil auch wir uns - wie viele Traditionsunternehmen – in der Regel absichern. Das ist aber gerade nicht möglich, denn niemand weiß, wie es in den kommenden Wochen und Monaten weitergehen wird.
Wie gehen Sie in dieser Unsicherheit mit Budgets um?
Wir halten an den bisherigen Plänen fest, fahren aber auf Sicht.
Hat die Krise Ihr Verständnis von Marketing und somit auch interne Prozesse geändert?
Wir haben uns drei Aufgaben und Schwerpunkte gesetzt. Zum einen haben wir Themen, mit denen wir ganz aktuell auf die Krise reagieren wie die bereits genannten Aktionen. Zudem beschäftigen wir uns auch mit der Frage, wie wir beispielsweise wegfallende Verkostungen am PoS auffangen können. Auch das Thema Digitalkommunikation, dass wir derzeit deutlich hochfahren, gehört dazu. Des Weiteren befassen wir uns damit, was in einer Erholungsphase passieren wird.
Wir glauben, dass eine neue Normalität die Art, wie wir mit Kunden kommunizieren, verändern wird. Auch das Verbraucherverhalten wird sich sicher ändern.
Drittens geht es um eine langfristige Änderung. Wir lernen in der Krise aktuell, agiler zu arbeiten als zuvor. Das wird uns flexibler machen. Nicht nur als Berufstätige, sondern auch als Verbraucher, die neugierig und offen neue Konzepte und Konsumanlässe ausprobieren werden. Corona verstärkt gerade diverse Trends wie beispielsweise interne Arbeitsprozesse, die Digitalisierung und E-Commerce. Zudem sehen wir, dass Gemeinschaft, Freunde, Familie, Solidarität und Rücksicht immer wichtigere Werte werden. Die Krise bietet auch Chancen, zum Beispiel auf mehr Zusammenhalt. Das kann uns als Menschen verändern.
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