Interview zum Gehalts-Check:
"Erst ab dem Senior-Level können wir signifikante Gehaltssprünge erkennen"
Der exklusive Gehalts-Check von W&V attestiert der Agenturbranche ein ziemlich bescheidenes Gehaltsniveau. W&V hat mit Artur Jagiello von Gehalt.de über die Ursachen gesprochen.
Ein Junior verdient 2000 bis 2300 Euro im Monat, aber auch Berufsanfänger in der Werbebranche sind mit oftmals unter 3000 Euro nicht eben Großverdiener. Das zeigt der exklusive Gehalts-Check von W&V, dem Portal Gehalt.de und der Personalberatung Designerdock.
Hier geht es zu allen Fakten, Zahlen und Daten des Gehalts-Check.
W&V sprach mit Artur Jagiello, der bei Gehalt.de die Daten ausgewertet hat, gesprochen, warum das Gehaltsniveau doch noch so flach ist. Schließlich sucht die Branche händeringend nach Spezialisten.
Wie schätzen Sie das Gehaltsniveau in der Werbebranche im Vergleich zu anderen Branchen ein?
In unserem Branchenranking liegen die Gehälter in der Werbeindustrie ziemlich genau im Bundesdurchschnitt. Hier muss man aber unterscheiden: Der Branchenvergleich stellt nämlich Berufe gegenüber, die überall vorkommen: Sekretariat, Controlling, HR, Geschäftsführung. Bei Spezialisten sieht die Sache schon anders aus. Hier können wir sehen, dass ausgebildete Werbefachleute, PR-Profis und Designer eine ganze Weile geringer vergütet werden. Vor allem bei Trainees und Junior-Positionen ist das sehr markant. Erst ab dem Senior-Level können wir signifikante Gehaltssprünge erkennen. Berufseinsteiger müssen also lange ausharren, doch die Verdienstmöglichkeiten in leitenden Positionen sind im späteren Verlauf der Karriere sehr gut.
Die Agenturen locken die Berufsanfänger gern mit exzellenten Karrieremöglichkeiten und wachsenden Verantwortung. Wächst das Gehalt entsprechend mit? Sind die Gehaltssprünge nach Berufsjahren größer als in anderen Branchen?
Wachsende Verantwortung gehört zur Karriere dazu. Mit steigender Berufserfahrung kommen immer mehr Aufgaben auf den Tisch und das gilt für die meisten Berufe. Wir hören aber immer wieder von Berufseinsteigern aus Agenturen mit hohen Fluktuationen, in welchen Karrieremöglichkeiten und wachsende Verantwortung mit einem Zuwachs an Überstunden einhergehen, die nicht vergütet werden. Auch die Gehaltsanpassungen stehen nicht immer in Relation zu dem Mehr an Verantwortung, das dann hinzukommt. Dies führt zwangsläufig zu höheren Fluktuationen. Dies gilt aber bei Weitem nicht für alle Agenturen.
Wie verhält sich das Gender Pay Gap in der Werbeindustrie im Vergleich zu anderen Branchen?
In der jüngsten Pay-Gap-Analyse unserer Berater von Compensation Partner haben wir einen neuen Ansatz der Berechnung gewählt: Wir haben Berufe nach Gehaltsklassen getrennt – geringer vergütete Jobs mit einem Gehalt bis zu 35.000 Euro im Jahr und besser bezahlte mit einem Jahresgehalt zwischen 55.000 Euro und 66.000 Euro. In der ersten Gruppe schnitt die Werbebranche mit einer Entgeltlücke von 3,9 Prozent ab. Sie belegte in dieser Gehaltsklasse das untere Mittelfeld. Bei den höheren Berufen belegte der Sektor dagegen den letzten Rang mit eine Lücke von rund 13 Prozent. Insgesamt zeigt sich die Branche beim Blick auf die Entgeltlücke tendenziell unausgewogen.
Wie erklären Sie sich die Lücke zwischen Männer- und Frauengehalt, besonders in den Führungspositionen?
Solche Vergleiche sind immer mit Vorsicht zu betrachten. In diesem Fall haben wir die Datengrundlage genommen, nach Männern und Frauen sortiert und dann die durchschnittlichen Gehälter verglichen. Dabei treten in besser bezahlten Berufen auch höhere Gehaltsunterschiede hervor. Diese Lücke ist jedoch unbereinigt, da viele Faktoren wie Ausbildung, Region, Alter und Berufserfahrung unbeachtet bleiben. Würden wir diese anpassen, kämen deutlich geringere Lücken zustande.
Am meisten haben Angestellte der Altersgruppe 21 bis 25 und 26 bis 30 Jahre den Fragebogen beantwortet. Erklärt das ein wenig das vergleichsweise geringe Gehaltsniveau?
An der Studie nahmen nicht nur vorwiegend junge Menschen teil, sondern vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus kleinen Unternehmen ohne Personalverantwortung. Viele davon aus Agenturen, die bis zu zehn Mitarbeiter beschäftigen. Das sind die Hauptgründe für die verhältnismäßig geringen Gehälter der Studie. Diese Datengrundlage spiegelt aber in gewisser Weise auch die Agenturlandschaft in Deutschland wider. Es gibt nur wenige große Agenturen wie Jung von Matt oder Serviceplan in Deutschland – dagegen gibt es Hunderte kleine bis kleinste Betriebe. Die Gehälter gehen hier dramatisch auseinander.
UX-Designer, Projektmanager Digital, Texter und Technikspezialisten werden von den Agenturen händeringend gesucht. Schlägt sich diese akute Personalnot auch in der Entwicklung der Gehaltsdaten nieder? Kann sich die Werbebranche da überhaupt gegen die weitaus finanzkräftigere IT-Branche durchsetzen?
UX-Designer, Projektmanager, Texter oder Technikspezialisten werden nicht nur von Agenturen gesucht. Online-Unternehmen sind auf die Funktionen ebenfalls angewiesen wie mittlerweile auch traditionelle Industrieunternehmen – es ist eine logische Folge der zunehmenden Digitalisierung. Die Nachfrage nach Digital Experts wird größer, das merken wir vor allem im Bereich UX-Design. Erfahrene UXler verdienen über 50.000 Euro im Jahr, in größeren Unternehmen über 60.000 Euro. Das war vor fünf Jahren noch ganz anders. Entkräftet wird der Gehaltszuwachs jedoch durch die vielen Quereinsteiger in diesem Gebiet. Es finden sich zahlreiche Studienfächer unter UX-Designern wieder. Die Nachfrage steigt, doch das Angebot wächst ebenfalls – ob gleichermaßen, muss sich erst zeigen. Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage nach UX-Profis, Projektmanagern Digital oder Content Managern in den nächsten fünf Jahren deutlich zunimmt – und damit auch die Gehälter. Auch die Werbebranche wird bei der Rekrutierung von Profis aus der Digitalwirtschaft tiefer in die Tasche greifen müssen.