Datenallianz der Medienkonzern:
German Putsch gegen Datenkraken. Ein Kommentar
Mutige Attacke von RTL, ProSiebenSat.1, United Internet und Partner Zalando. Höchste Zeit, dass Bewegung in den Markt mit den Daten kommt. Es ist aber noch ein langer Weg für die Putschisten.
Es ist der größte Angriff auf Google und Facebook, den die US-Datensammler je auf europäischem Boden erlebt haben dürften: Drei Mediengiganten, die RTL-Gruppe, ProSiebenSat.1 und United Internet, haben einen Angriffspakt in die Wege geleitet, eine Log-in-Allianz.
Heißt: Dieser Dreierbund, mit Partner Zalando an der Seite, will in Deutschland ein einheitliches Registrierungs- und Anmeldeverfahren für Internetdienste einführen. Passwörter von Usern sollen über einen zentralen Log-in Zugriffe auf möglichst viele Angebote ermöglichen.
Die Idee dahinter hat riesige Konsequenzen. Denn letztlich geht es um das Gold dieser Zeit, die Datenhoheit. Das Triumvirat will gerade mit Werten punkten, die Google und Facebook weitgehend fehlen: Datenschutz und Transparenz. Ein genialer Schachzug. Besonders im Vorfeld der drohenden E-Privacy-Verordnung, die in Brüssel und Straßburg angeschoben wird und am 25. Mai 2018 in Kraft treten soll. Laut dem Digitalverband BVDW könnte dies im Worst-Case-Szenario "das Ende des werbefinanzierten Internets" bedeuten.
Jetzt ist Kommunikation gefragt
Der German Punk, der mit dem flotten Dreier abgeht, hat große Chancen. Zumal sich das Dreigestirn ja auch weiteren Playern öffnen will. Der Putschversuch kann allerdings nur gelingen, wenn die drei Kommunikationsgiganten ihren Vorstoß entsprechend kommunizieren.
In dieser Disziplin haben sich ausgerechnet Medienkonzerne nicht immer erfolgreich geschlagen. Denken wir nur zurück an StudiVZ von Holtzbrinck. Was hätte dieses Medienhaus für eine Chance gehabt, aus den deutschen Zwangsverordnungen eine Tugend zu machen, und die Werte Transparenz und Datenschutz als USP gegenüber Google und Facebook zu vermarkten.
Noch etwas, was die digitalen Player seit Jahren meist schlicht verkennen: Verbraucher wollen informiert werden. Auch durch Werbemaßnahmen. Doch vollgekleisterte überfrachtete Seiten lösen Reaktanz aus. Der fahrlässige Umgang im Marketing mit privaten Daten kann Schockzustände beim Konsumenten erwirken.
Wird an den Verbraucher gedacht?
Dabei wollen Verbraucher aktiv Cookies setzen. Sie würden es in keiner Umfrage so nennen. Doch wer sich alle vier Jahre einen Neuwagen anschafft, würde in diesem Rhythmus gerne über neueste Modelle informiert werden. Wer regelmäßig in den Urlaub fährt, womöglich wegen der Kinder ferienabhängig ist, möchte seine Cookies so setzen, dass er nicht bei jeder neuen Anfrage das verdammte Alter der Kids eintragen und im Kalender mühsam die Ferienzeiten seines Bundeslandes recherchieren muss. Wozu gibt es denn Daten? Wozu das Opt-in?
Verbraucher lernen schnell. Und selbst nach der drohenden E-Privacy-Verordnung bilden sich neue Chancen für die Vermarktung. Das hat der Vorstoß von RTL, ProSiebenSat.1 und United Internet erkannt. Allerdings ist es noch ein langer, steiniger Weg für die Putschisten. Mit offenem Ausgang.
Alle Hintergründe in der Titelstory von W&V-Autor Thomas Nötting in der Printausgabe vom kommenden Montag. Mehr zu Daten-Bündnissen finden Sie in diesem Dossier.