Gastbeitrag:
Diese acht Agenturmodelle werden sich durchsetzen
Felicitas Lentz, Senior Consultant, und John Sealey, Deutschlandchef der Pitchberatung The Observatory International, stellen die Agenturmodelle der Zukunft vor.
„Haben die beiden mit ihrer Prognose recht?”
Agenturmodelle und -konstrukte gibt es wie Sand am Meer und dem Ideenreichtum der Branche sind keine Grenzen gesetzt. Auffällt jedoch eines: Die neuen Agenturmodelle sind und werden noch stärker durch klare Vorgaben der Kunden bestimmt. Arbeitsweisen und Strukturen basieren, dem Zeitalter der Customer Centricity entsprechend, auf den Customer Needs oder werden sogar konkret auf Basis ihrer Anforderungen gebaut.
Im Rahmen zahlreicher Beratungsmandate bei nationalen sowie internationalen Marketingorganisationen konnten wir beobachten, dass diese Bedürfnisse in erster Linie auf die Erfüllung folgender Aspekte abzielen:
- Vereinfachung und Verringerung von Komplexität
- Kollaboration aller Anbieter
- Integration aller Kommunikationsmaßnahmen entlang der Customer Journey
- 24/7 "Always-on"-Content Entwicklung
- Data Insight
- Kostenmanagement
- und, das ist die gute Nachricht für Agenturen, herausragende kreative & innovative Ideen.
Agenturmodelle müssen zudem höchst flexibel oder sogar maßgeschneidert sein - sei es für einzelne Projekte oder eine langfristige Zusammenarbeit -, denn einerseits unterscheiden sich die Anforderungen der Marketingorganisationen enorm und andererseits wandeln sich diese permanent.
Virtuelle Agenturen, wie in der W&V 15/2017 beschrieben, zahlen auf diese Anforderungen ein. Sie sind maßgeschneiderte Agenturen auf Zeit und können je nach Bedarf Strukturen und Ressourcen anpassen.
Dies ist natürlich nur ein spannendes Beispiel. Die Agenturlandschaft da draußen wandelt sich weiterhin rasend schnell und viele Modelle sind im permanenten "Work-in-Progress"-Zustand. Weitere acht Modelle, die unserer Meinung nach überleben oder sich weiterentwickeln werden, wollen wir kurz in dieser Reihenfolge vorstellen: bereits recht gut verankere Agenturmodelle und einige, die ihre ersten Schritte noch vor sich haben:
1) Lead Agency: Eine Weiterführung des altbewährten Lead-Agentur-Modells ergänzt um eine gute Prise Verantwortung wenn es um Koordination, Vereinfachung, Integration und Budgetmanagement geht. (Beispiel: P&G BAL Modell)
2) Maßgeschneidert durch Holding-Company: Eine maßgeschneiderte Agentur, handverlesen auf Basis der Ressourcen einer Gruppe, die alle (oder fast alle) Disziplinen und Kanäle abdeckt, jedoch eng mit Mitarbeitern von z.B. Google, Facebook zusammenarbeitet und kooperiert. (Beispiel: Omnicoms "We are Unlimited" für McDonald's)
3) Inhouse: Eine steigende Anzahl US-Marketer haben Inhouse-Lösungen entwickelt. Diese dehnen nach und nach ihren Zuständigkeitsbereich weiter aus in z.B. Social Media, Always-on Content. Nennenswerte Beispiele sind: Sprint, intel und Lego. Alle arbeiten zu bestimmten Anlässen jedoch nach wie vor mit zusätzlichen externen Agenturen zusammen.
4) Back to the Future: Die bedeutendsten Networks führen ihre Spezial-Units (z.B. Digital) wieder zu einem multidisziplinären "One-Stop-Shop" als ein zusammengehörendes Profitcenter zusammen.
5) New Wave: Neue Agenturen entstehen, die sich in Gänze auf den Konsumenten zentrierten. Sie betrachten dabei den ganzen großen Kuchen: Data, Technologie, Kreation, Plattformen, Distribution, etc.
6) Kern-Team: Eine schlanke, agile Agentur, die im Kern z.B. aus Spezialisten für die Bereiche Daten Analyse, Insight-Strategie, Media-Strategie, Creative-Direktion und Projektmanagement besteht. Sie verantworten Kreation und möglicherweise die "Big Idea", aber sie outsourcen und managen die Implementierung und Umsetzung.
7) Das Konsortium: Eine Zweckgemeinschaft Gleichgesinnter bzw. Gleichgestellter, wie Beratung, Technologie, Studio, Publisher und Agentur, wird für ein bestimmtes Projekt oder einen bestimmten Kunden zusammengestellt.
8) Beratungsgeführtes Modell: In dieser elaborierten Version des Lead-Agenturmodells übernimmt ein Beratungsunternehmen die Rolle der leitenden und führenden Agentur. Sie übernimmt Data-Handling, technologische Infrastruktur, Strategie usw. und koordiniert alle weiteren Partner. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese auch Schwesterfirmen sind, ist nicht gering. Accenture, Deloitte und IBM haben allein 2016 über 2 Mrd. Euro ausgegeben, um Agenturen aufzukaufen. Betrachten wir die aktuellen Entwicklungen der digitalen Kommunikation (Programmatic, Content), liegt die Vermutung nah, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis dieses Modell Realität wird. Erst diese Woche (24. April 2017, www.warc.com) verkündet Accenture, dass ihre Zusammenarbeit mit einem Automobilkonzern einem kompletten Outsourcing des Marketings gleich kommt.
Die rasende Geschwindigkeit, die Multikanalität und Omnipräsenz der digitalen Kommunikation zwingt Unternehmen dazu, noch viel mehr über Betriebsmodelle, neue Skill-Sets, Organisationsgestaltung und Ways of Working zu sprechen.
Für Agenturen heißt es daher proaktiv zu sein, damit sie nicht auf Dauer ihre Daseinsberechtigung verlieren oder mit vollendeten Tatsachen konfrontiert werden. Es ist wichtig, mit bestehenden Kunden im Detail zu erarbeiten, wie ein gemeinsames Modell der Zukunft aussehen und welche Rolle die eigene Agentur konkret dabei spielen kann.
Wir sind alle gut beraten, mit dem Wandel der Branche Schritt zu halten. Und mit Sicherheit ist dies ein "To-be-continued"-Thema.