iPad-Zeitungen: "Blinker links, Scheibenwischer rechts"
Vom 1. bis 3. Mai treffen sich Europas Chefredakteure und Verleger zum zwölften European Newspaper Congress. Mitveranstalter Norbert Küpper erläutert im Gespräch mit W&V Online die Trends der Zeitungsgestaltung.
Zum zwölften Mal werden beim European Newspaper Congress die besten Zeitungen Europas geehrt. 219 Zeitungen aus 27 Ländern bewarben sich in diesem Jahr um die Awards. Die Sieger kommen aus Portugal, Norwegen, Dänemark und Schottland. Veranstaltet wird der Kongress vom Medienfachverlag Oberauer zusammen mit dem Zeitungsdesigner Norbert Küpper. Ziel des Wettbewerbs ist es, den Informationsaustausch über Konzeption und Design von Zeitungen europaweit zu fördern.
Mitveranstalter Norbert Küpper erläutert im Gespräch mit W&V Online die Trends der Zeitungsgestaltung.
Ein Schwerpunkt Ihres Kongresses im Mai werden Konzepte für Zeitungen auf iPad & Co sein. Wie rüsten sich die Zeitungen für Tablet PCs?
Beim Einsendeschluss des 12. Awards im Oktober 2010 gab es kaum Zeitungen mit iPad-Lösungen. Viele waren noch in der Vorbereitungs-Phase. Manche haben ihr Blatt einfach nur als PDF digitalisiert, nur wenige haben die Möglichkeiten der Tablet PCs voll ausgeschöpft. Gewinner der Kategorie bei unserem Wettbewerb ist die "Frankfurter Rundschau". Diese App integriert Fotogalerien, Filme, Infografiken und Texte und wird so zur multimedialen Zeitung.
"The Sunday Times" gilt derzeit als weltweit beste News-App. Die Inhalte der "Sunday Times" werden mit ihren 12 Sektionen angeboten und mit Filmen und interaktiven Infografiken angereichert. Sehr interessant ist z.B. die Filmseite. Dort wird der Film als Text vorgestellt und man kann sich sofort einen Clip dazu anschauen. Eine schöne Idee, die man noch auf das Kaufen der Eintrittskarten ausdehnen könnte.
Sind das derzeit die zwei Varianten, die es bei Zeitungs-Apps gibt? PDFs oder 1:1-Übertragung, angereichert mit Filmen und Bildern?
Nein, es gibt noch zwei weitere: Der "Daily Telegraph" bietet ein tägliches "Best of". Das Layout scheint automatisiert erstellt zu werden. Es ist allerdings sehr gleichförmig. Eine andere Variante hat die "Rheinische Post". Ihr Angebot "RP Plus" ist als Wochenzeitung mit exklusiven Inhalten angelegt, die speziell dafür erstellt werden. In Sachen Tablet PCs kommen die Zeitungen aber insgesamt erst langsam in Fahrt.
Was ist der Grund für die Zurückhaltung der Zeitungen beim iPad?
Es gibt ein enormes Funktionalitätsproblem. Vielfach müssen die digitalen Ausgaben getrennt vom Redaktionssystem erstellt werden, weil die Technik noch nicht automatisch die App beliefern kann. Außerdem muss die Zeitung fürs Tablet meist eigens im Hoch- und Querformat erstellt werden. Das kostet natürlich Ressourcen.
Fehlt auch das Wissen um das Nutzungsverhalten?
Ja, es besteht noch viel Forschungsbedarf, bis man das Nutzungsverhalten von Lesern auf dem Tablet PC nachvollziehen kann. Wichtig ist vor allem eine gute Navigation. Da werden sich in Zukunft Normen herausbilden, sodass man sich in jeder Zeitung auf dem Tablet zurechtfindet. Ähnlich wie beim Auto, wo der Blinker ja auch fast immer links und der Scheibenwischer rechts ist.
Wie sind die Chancen, durch Zeitungs-Apps neue Lesergruppen zu gewinnen?
Die Zeitungen müssen sich für jüngere Lesergruppen attraktiv halten. Hier sind Apps wichtig. Viele Zeitungen haben zwar treue Abonnenten, aber die werden ja auch immer älter. Darauf müssen die Zeitungen reagieren.
Aber dazu müssen sich ja auch die entsprechenden Strukturen ändern.
Das passiert auch. In den Redaktionen gibt es oftmals Newsdesks, die 24 Stunden am Tag Nachrichten erstellen. Denkbar ist, dass sich in Zukunft die Abo-Typen verändern und Leser nicht mehr das Medium an sich beziehen, sondern den Inhalt. Ob man den auf Papier, via PC oder auf dem iPad liest - das ist dann egal. Solch ein Rundum-Abo für alle Nachrichten-Kanäle wird z.B. in den Niederlanden von einer Zeitung angeboten.
Sie haben für den diesjährigen European Newspaper Award 219 Zeitungen aus 27 Ländern gesichtet. Was ist Ihnen dabei aufgefallen?
Zwei Trends sind waren besonders auffällig: Die Zeitungen haben inhaltlich kreative Ansätze und sind stärker visuell geprägt. Info-Boxen sind in Tageszeitungen inzwischen selbstverständlich und generell sind sie sehr stark optisch gegliedert. Es gibt da wirklich innovative Ideen.
Zum Beispiel?
Es gab in einer finnischen Zeitung einen Artikel darüber, dass immer mehr Vaterschaftstests im Ausland gemacht werden. Optisch wurde dieses Thema mit einer überraschenden Idee umgesetzt: Die halbe Seite wirkte wie mit Kaugummis beklebt – man kann von Kaugummis Speichelproben für DNA-Tests nehmen. Auf so eine visuelle Idee muss man erst mal kommen.