
Zeit Online: "Bei den mobilen Reichweiten spielen Tablets immer noch eine untergeordnete Rolle"
Ja was denn nun? Im vorigen Herbst war "Die Zeit" mit einer kostenfreien, für Tablets optimierten Website vorgeprescht, jetzt bringen die Hamburger doch noch eine genuine Bezahl-App für das iPad auf den Markt. Die Strategie dahinter erklärt Zeit-Online-Manager Enrique Tarragona im Gespräch mit W&V.
Ja was denn nun? Im vorigen Herbst war "Die Zeit" mit einer kostenfreien, für Tablets optimierten Website vorgeprescht, jetzt bringen die Hamburger doch noch eine Bezahl-App für das iPad auf den Markt. Die Strategie dahinter erklärt Zeit-Online-Manager Enrique Tarragona im Gespräch mit W&V-Redakteur Ralph Pfister.
Herr Tarragona, Ende letzten Jahres zählte die Zeit zu den ersten, die eine Web-App, also eine fürs iPad und andere Tablets optimierte Site verwendete, statt nur auf Apple zu setzen. Daneben gibt es die Zeit-Online-App, die Inhalte der Website und das E-Paper bietet. Wie verändert sich durch die neue App das Angebots-Portfolio?
Die neue Zeit-App für das iPad stellt die nächste Stufe unserer Strategie dar, die sich primär an unseren publizistischen Marken orientiert: "Die Zeit" als ausgabenbasierter Wochentitel und Zeit Online als minutenaktuelle Nachrichtenseite stehen ja nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen sich in optimaler Weise. Daher wollen wir auch beide Marken auf möglichst allen dafür geeigneten Endgeräten und Betriebssystemen in ihrer jeweils besten Form präsentieren. Mit der tablet-optimierten Website haben wir hier den ersten Schritt getan, eine große Nachrichten-Website bezüglich Usability und Darstellung für Tablets wie das iPad oder auch das Samsung Galaxy zu optimieren. Die neue Zeit-App bietet nun erstmals die Möglichkeit, auch den Wochentitel "Die Zeit" digital wirklich zu genießen. In diesem Sinne tritt die neue Zeit-App auf dem iPad auch die Nachfolge der bisherigen Zeit Online Plus-App an, die zwar weiter genutzt werden kann, um bereits gekaufte Ausgaben zu lesen, auf der wir aber mit Einführung der neuen App in Zukunft keine weiteren Ausgaben mehr publizieren werden.
Wie unterscheidet sich die Zielsetzung der verschiedenen App-Varianten?
Auf dem iPad bieten wir ab jetzt Zeit Online als tablet-optimierte Website und die "Zeit" als ausgabenbasierte Zeit-App an. Die bisherige Zeit Online Plus-App wird für das iPad nicht weiterentwickelt, bleibt aber natürlich weiterhin nutzbar, um bereits gekaufte Ausgaben auch in Zukunft lesen zu können. Die Unterschiede der Angebote resultieren vor allem aus ihren unterschiedlichen Erscheinungszyklen: Die Website stellt eher den immer aktuellen Nachrichtenstream dar, steht aber auch für Interaktion und Debatte. Der Wochentitel zieht dagegen seine Attraktivität gerade aus der Geschlossenheit und Zusammenstellung der Themen. Vielleicht ein bisschen wie der Unterschied zwischen Radio und Album bzw. Fernsehen und DVD, wobei natürlich jeder Vergleich ein bisschen hinkt.
Haben sich die Hoffnungen in Sachen Reichweitenerhöhung durch die mobilen Angebote erfüllt?
Hier muss man aufpassen, dass Angebote für Smartphones und Tablets nicht durcheinander gebracht werden. Bei den mobilen Reichweiten spielen Tablets immer noch eine untergeordnete Rolle. Trotzdem sehen wir auch bei der tablet-optimierten Website ein dynamisches Reichweitenwachstum, welches auch im Werbemarkt positiv aufgenommen wird. Bei den ausgabenbasierten Apps sind wir ja noch ganz am Anfang, sowohl was die Reichweiten, als auch was deren Messung angeht. Wir sind aber überzeugt, dass sich mit steigender Verbreitung von Tablets auch die Reichweite der Angebote für diese Endgeräte weiter positiv entwickeln wird.
Und in Bezug auf Werbeumsätze?
Wie gesagt, sind wir mit der Buchungssituation auf unserem Mobil- bzw. Tabletangebot von Zeit Online sehr zufrieden. Das liegt natürlich daran, dass kostenlose Onlineangebote viel schneller werberelevante Reichweiten aufbauen können als kostenpflichtige, ausgabenbasierte Titel. Bei unseren Planungen zur Refinanzierung der Zeit-App spielen daher auch die Vertriebserlöse, die wir mit dem Verkauf der Ausgaben über iTunes bzw. mit unserem digitalen Abo erzielen, eine größere Rolle als Werbeeinnahmen. Dennoch haben wir bzw. unser Vermarkter es geschafft, schon für die ersten Ausgaben zahlende Kunden zu akquirieren.
Kürzlich hat die Financial Times in den USA den App Store verlassen. In Deutschland scheint bei einigen Verlagen die Liebe zum iPad als Umsatzbringer abgekühlt. Und sie starten die nächste App. Verhält sich die Zeit gern antizyklisch?
Wir wollten uns der anfänglichen Hysterie in manchen Verlagshäusern genauso wenig anschließen wie jetzt der daraus folgenden Depression. Fakt ist, dass mit dem iPad eine neue Form von Endgeräten den Massenmarkt erschlossen hat. Das iPad sowie vergleichbare Tablets müssen von Verlagen als echte Chance gesehen werden, sowohl was deren Webangebote angeht, vor allem aber für die Entwicklung von kostenpflichtigen, ausgabenbasierten Titeln. Vor der Einführung des iPads hat die Entwicklung im Bereich des E-Papers doch beim PDF halt gemacht.
Gehen Sie in Sachen Abo-Regelung kreative Umwege oder akzeptieren Sie Apples Vorgaben?
Apple ist ja mittlerweile gar nicht mehr so streng wie man zunächst befürchtet hat. Insofern kann man durchaus die Vorgaben akzeptieren und gleichzeitig neben den Bezahlmöglichkeiten über iTunes den eigenen Digital-Abonnenten einen Zugang bieten. Nur das eigene Abo in der App selbst bewerben darf man nicht. Das ist aber zu verschmerzen denke ich.
Die Zeit-App hat mit Christof Siemes eine eigene Redaktionsleitung. Gibt es denn ein eigenes Team?
Ja, wir haben ein kleines Redaktionsteam unter der Leitung von Christof Siemes, in dem jede Woche die Inhalte der "Zeit" und des Magazins für die App entsprechend produziert und aufbereitet werden. Denn auch wenn keine zusätzlichen Texte geschrieben werden, müssen die entsprechenden Redaktionskollegen natürlich Layouts übersetzen, Bilder bearbeiten und gegebenenfalls auch neue hinzufügen, Infografiken und Audios einbinden, Verlinkungen setzen und vieles mehr. Nur so wird aus der App ein gleichwertiges Produkt zur Print-"Zeit".
Spielen Android & Co. Für die Mobilstrategie der Zeit eine Rolle? Oder zeigen die Zahlen der bestehenden Angebote, dass die Zielgruppe eher mit Apple-Geräten unterwegs ist?
Natürlich spielen Android und Co. eine Rolle. Das zeigt nicht zuletzt unsere tablet-optimierte Website. Das wir mit der kostenpflichtigen Zeit-App zunächst nur bei Apple starten, hat verschiedene Gründe: Erstens bietet aktuell nur Apple die Kombination aus einem Endgerät mit relevanter Verbreitung im Markt, einem funktionierendem Shop-Ecosystem und vor allem einer großen Zahl zahlungsbereiter Kunden. Das heißt aber natürlich nicht, dass wir uns bei der Zeit-App auch in Zukunft auf Apple beschränken wollen. Im Gegenteil gehen wir davon aus, schon in den nächsten Monaten die Zeit-App als weitestgehend auf HTML5 basierende Anwendung auch für andere Endgeräte bzw. Betriebssysteme nutzbar zu machen. Die Herausforderungen liegen hier auch gar nicht in der Darstellung des einzelnen Heftes, als vielmehr bei Themen wie Offline-Verfügbarkeit von Ausgaben, Speicherkapazitäten der Geräte etc. Da hat Apple mit seinem geschlossenen System derzeit noch einen echten Vorteil zu bieten.