Kommentar:
Zalando: Shitstorm wie aus dem Lehrbuch
Die von RTL angeheizte Empörung über den Online-Händler Zalando ist vorhersehbar und nahezu folgenlos. Das zeigt das Beispiel Amazon. Ein Kommentar von W&V-Redakteurin Franziska Mozart.
Der Shitstorm über Zalando kam über Nacht, aber die Mechanismen dahinter sind bekannt. Der Fall ist so beispielhaft, dass er unweigerlich auf den Präsentationsfolien von PR- und Social-Media-Experten auftauchen wird. Erinnerungen an den Amazon-Shitstorm werden wach:
Im Fokus eines TV-Berichts steht der Logistikbereich eines beliebten Versandhändlers, der mit Kampfpreisen die Kunden lockt. Kritisiert wird die Geschäftspraxis, konkret die angeblich schlechten Arbeitsbedingungen in einem Lager. Es geht nicht um einen missglückten Facebook-Post oder eine schlechte Serviceleistung, dafür könnte sich das Unternehmen unter Umständen leichter entschuldigen. Es geht um die vermeintliche Ausbeutung der Mitarbeiter im Logistikzentrum. Zalando brachte das im Social Web den Hashtag #Sklavando ein.
Neu sind viele der Vorwürfe aus der RTL-Reportage nicht. Das Lager in Erfurt – Zalandos erstes selbstkonzipiertes Logistikzentrum – war bereits wenige Monate nach seiner Eröffnung 2013 in den Medien. Der Spiegel brachte schon im Oktober 2013 viele der Kritikpunkte aufs Tapet, die nun die Netzgemeinde so emotionalisieren: geringer Lohn, Überwachung der Arbeit, Protokollierung des Arbeitspensums, die Anweisung an die Arbeiter, sich nicht hinzusetzen. Aber erst der Bericht der jungen Journalistin Caro Lobig und ihres Mentors, Undercover-Papst Günter Wallraff, löst den Shitstorm aus. Das liegt nicht nur an der versteckten Kamera, den verpixelten Gesichern und verzerrten Stimmen der Lagermitarbeiter. "Das ist interessengeleitete Kommunikation par excellence", so Dirk Popp, CEO von Ketchum Pleon Germany. "Der Sender will Quote, das Team Wallraff seine Marke ausbauen, Zalando hält dagegen. Und die PR-Maschinerie von RTL heizt das Thema richtig an."
Während sich die User im Social Web längst ihre Meinung gebildet und sie in allen Kanälen gepostet haben, beobachten die Experten der Krisen-PR mit professionellem Interesse: Wie reagiert das Unternehmen, welche Strategie hat es gewählt?
Zalando handelte ungewöhnlich schnell via Twitter und Facebook, veröffentlichte eine umfangreiche Faktensammlung und leitete rechtliche Schritte gegen die Journalistin wegen des Verdachts auf Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen ein. Kommunikationsprofis gefällt das. Aber den Wut-Postern ist das egal. Den lässigen Facebook-Beitrag "Puh, die Emotionen kochen ziemlich hoch, aber da müssen wir wohl durch" nahmen viele User dem Unternehmen übel.
Trotzdem dürfte der Schaden für Zalando überschaubar bleiben. Auch Dirk Popp erwartet allenfalls "kurzzeitig eine kleine Delle". Mittelfristig habe die Krise "praktisch null Auswirkungen auf den Zalando-Abverkauf". Erfahrungsgemäß ist bis zum nächsten Sale alles wieder vergessen. Und die Arbeitsbedingungen? "An denen wird sich kaum etwas ändern. Vielleicht gewinnt Ver.di ein paar neue Mitglieder", vermutet Popp.
Amazon hat den Shitstorm jedenfalls schadlos überstanden. 2013 machte der Konzern in Deutschland so gute Geschäfte wie noch nie und stieg laut einer Studie der dpa-Tochter News Aktuell zur beliebtesten Marke im Social Web auf.
Wenn der Amazon-Shitstorm Spuren hinterließ, dann vor allem in den Powerpoint-Folien von PR-Agenturen. Dort muss jetzt eigentlich nur noch der Unternehmensname aktualisiert werden.