Studie zu Freelancern:
Wie die Selbstständigen arbeiten
Die Frauen sind immer noch in der Unterzahl und werden schlechter bezahlt. Auch der Berliner Markt schwächelt. Eine Studie zeigt, wo die Freelancer auf Strukturprobleme treffen.
Es gibt deutliche regionale Unterschiede: In Berlin arbeiten zwar mehr Leute selbstständig ansässig, dafür leben diese aber nicht so gut von ihrem Job. Das zeigt der aktuelle "Selbstständigenreport" des Verbands der Gründer und Selbständigen (VGSD) und des Softwareherstellers Invoiz. In Sachsen-Anhalt beträgt die Selbstständigen-Dichte hingegen gerade einmal ein Fünftel des Berliner Anteils, dafür schätzen aber deutlich mehr ihre wirtschaftliche Lage als "gut" bis "sehr gut" ein. Hinter der Hauptstadt folgen in Sachen Freelancer-Dichte Hamburg, Bayern und Hessen. Die wenigsten Selbstständigen finden sich neben Sachsen-Anhalt in Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Brandenburg. Auch im Saarland und in Niedersachsen ist der Selbstständigen-Anteil auffällig gering.
Dafür sind vor allem im Westen die Verdienste gut: Mit einem durchschnittlichen Stundensatz von 91 Euro liegt Rheinland-Pfalz vorne, gefolgt von NRW (81 Euro), Hamburg und Hessen (77 Euro), Bayern und Bremen (76 Euro). Berlin hingegen gehört mit einem Durchschnitts-Stundensatz von 61 Euro im bundesweiten Vergleich zusammen mit den Freelancern in den fünf anderen ostdeutschen Bundesländern und in Schleswig-Holstein zu den Einkommens-Schlusslichtern. Das Schlusslicht bilden Thüringens Selbstständige mit 44 Euro je Stunde.
Das Gender-Pay-Gap bleibt
Nur ein Drittel der Umfrageteilnehmer ist weiblich. In den Altersgruppen der unter 30-jährigen beträgt der Anteil der selbstständigen Frauen sogar nur zwischen 15 Prozent und 20 Prozent. Dabei liegt der Anteil von Hochschul- und Fachhochschulabsolventinnen unter den Frauen mit 70,6 Prozent deutlich über dem ihrer männlichen Kollegen (59,2 Prozent). Und noch ein trauriger Fakt: Fast jede Fünfte (18,4 Prozent) entscheidet sich für den Kleinunternehmer-Status und legt sich so auf einen Jahresumsatz von unter 17.500 Euro fest. Zum Vergleich: Bei den Männern sind es nur 8,1 Prozent.
In den oberen Umsatzregionen sind Frauen außerdem seltener vertreten: Während fast die Hälfte der männlichen Selbstständigen Umsätze zwischen 60.000 Euro und 240.000 Euro erzielt (46,9 Prozent), erreicht nur rund ein Viertel der selbstständigen Frauen dieses Umsatzsegment (24,3 Prozent). Unter den Selbstständigen, die mehr als 240.000 Euro umsetzen, sind Männer sogar dreimal häufiger vertreten als Frauen.
Die befragten selbstständigen Dienstleisterinnen gaben einen durchschnittlichen Stundensatz von 63 Euro an. Ihre männlichen Kollegen berechnen demgegenüber im Schnitt einen Stundensatz von 78 Euro: Das bedeutet, dass Frauen rund 19 Prozent weniger verdienen als Männer. Rund die Hälfte der Frauen (46,7 Prozent) betrachtet die aktuelle Lage ihrer Unternehmung als mäßig, schlecht oder gar existenzbedrohend.
Keine Angst vor der KI
Andere Zukunftsängste sind allerdings weniger häufig: Unabhängig von Alter, Qualifikation, Standort und Branche gehen mehr als die Hälfte der Befragten Selbstständigen (56,8 Prozent) davon aus, dass allenfalls geringfügige Teile ihrer derzeitigen Arbeit in 20 Jahren automatisiert erledigt wird. Ein weiteres Viertel (26 Prozent) erwartet überhaupt keine Änderungen. Nur etwa jeder sechste Befragte (17,1 Prozent) geht davon aus, dass die derzeit ausgeübte Tätigkeit Ende der 2030er Jahre ganz oder überwiegend durch Software oder Roboter erledigt wird. Nur in der Versicherungsbranche gehen hingegen zwei von drei Befragten (65 Prozent) davon aus, dass der überwiegende Teil ihrer Arbeit in 20 Jahren automatisiert erledigt wird.
Freizeit statt Angestelltsein
Eigene Entscheidungen treffen, zeitlich flexibler über seine Zeit bestimmen können, bessere Verdienstmöglichkeiten - das sind die wesentlichen Gründe, warum sich heute jemand selbstständig macht. Notgründungen, wie sie in Zeiten der "Ich-AGs" zu beobachten waren, sind aber wohl eher die Ausnahme: Nur knapp 12 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben fehlende Erwerbsalternativen als einen Beweggrund ihrer Unternehmensgründung an. Die Erfahrungen sind offenbar überwiegend positiv: Gut 86 Prozent der Befragten würden sich wieder selbstständig machen.
Mehr Unterstützung durch die Politik gefordert
Hauptnachteil der Selbstständigkeit ist laut der Befragung das Bürokratieproblem. 59 Prozent der Befragten haben bürokratische Hürden als Haupthindernis in ihrer Geschäftspraxis ausgemacht. Jeder vierte Befragte verzichtet komplett auf die Unterstützung durch einen Steuerberater. Noch größer (82,4 Prozent) ist der Anteil der Selbstständigen, die mit Blick auf eine faire soziale Absicherung zum Teil deutlichen Verbesserungsbedarf sehen.
Das politische Spektrum ist interessanterweise ein wenig verschoben: Mit 24,8 Prozent fühlen sich die Befragten den "Grünen" politisch am nächsten – gefolgt von der FDP mit 22,5 Prozent. Die CDU erreicht bei der Umfrage gerade einmal 19,4 Prozent. Sie ist damit aber immer noch fast doppelt so stark wie die SPD: Bei der Frage nach der Parteipräferenz kommen die Sozialdemokraten bei Selbstständigen auf gerade einmal 10,6 Prozent. Sie werden damit sogar von der "Linken" überholt: Mit 13,1 Prozent der Befragten fühlen sich mehr Selbstständige der Linken verbunden als in der Gesamtbevölkerung. Bei der AfD ist das genau umgekehrt: Mit 8,5 Prozent der Befragten liegt ihr Anteil rund ein Drittel unter ihrem allgemeinen Wähleranteil.
An der Befragung zu dem Report nahmen über 3.000 Selbstständige aus ganz Deutschland teil.