Da unser Gehirn energiesparendes Handeln vorzieht, lenkt es den Blick zuerst auf das bildliche Element eines Werbemittels. Vorbei an Text, Zahlen, Störern, Warnhinweisen. Erst im nächsten Schritt richtet sich die Aufmerksamkeit auf weitere Elemente.

Bei der Gestaltung des Blickpfades sollte man die Trägheit der Aufmerksamkeit beachten und dem Betrachter so wenige Richtungswechsel wie möglich zumuten. Empirische Befunde zeigen, dass Aufmerksamkeitsziele in der näheren Umgebung des aktuellen Blickpunktes bevorzugt und Richtungswechsel tendenziell eher vermieden werden.

Eine Anordnung der Kreationselemente, die es schafft, einen Fluss in nur eine Richtung zu erzeugen, wird schneller verarbeitet, als angenehmer empfunden und hat somit eine größere Chance, im Gedächtnis zu bleiben.

Schon ein Zeilenwechsel in der Schlagzeile erhöht den Energieaufwand bei der Wahrnehmung des Werbemittels. Text ist jedoch wichtig, da er weitere Informationen zum Bild addiert, es erklärt, eine Pointe setzt oder schlicht ein konkretes Angebot formuliert. Um Text für unser Gehirn so effizient wie möglich aufzubereiten, empfehlen wir, einige Dinge zu beachten.

Die Textlänge ist immer wieder ein Streitpunkt –
nicht nur zwischen Texter und Art Director, sondern auch zwischen Kunde und Agentur. In eine Überschrift lässt sich nämlich ganz bequem alles reinpacken, wofür im Bild kein Platz mehr war. Garniert mit ein paar Kommata und fertig ist die Bandwurmaufzählung, die – um im Bild zu bleiben – nur schwer verdaulich für unser Gehirn ist. Unser Ultra-Kurzzeitspeicher ist begrenzt. Wenn uns am Ende nicht mehr einfällt, was am Anfang des Satzes stand, dann wird die Botschaft den Sprung in unser Gedächtnis nicht schaffen. Weniger ist mehr.

Für Versalien gilt das Gleiche.
Immer wieder werden Headlines gerne groß und fett durchtypografiert. Dass dabei die Lesbarkeit auf der Strecke bleibt, wird jemand, der sich aus beruflichen Gründen fünf Wochen lang mit der Anzeige beschäftigt hat, nicht nachvollziehen können. Darum anbei ein kleiner Test. Bitte lesen Sie beide Texte mit einer kleinen Pause dazwischen. Das Ergebnis spricht für sich.



Worte in Versalien haben in puncto Aufmerksamkeit aber auch eine gute Seite. Denn sie sind lauter und schreien uns an. Folglich sollte jeder für sich entscheiden, wie er damit umgehen möchte.

Aber bitte keinen Buchstabensalat.
Um die Lesbarkeit einer Headline zu unterstützen, ist darauf zu achten, dass die Schrift tatsächlich lesbar ist. Wenn jeder Buchstabe eine andere Farbe oder Größe hat, so mag das nach Abwechslung und Gestaltung klingen. Für unser Gehirn bedeutet das jedoch Mehrarbeit, da es sich auf immer wieder neue Formen und Farben einstellen muss. Dieses Mehr an Energieaufwand wird unbewusst als anstrengend empfunden und das Plakat oder die Anzeige werden somit negativer wahrgenommen.


Beim Aufbau einer Anzeige oder eines Plakates hilft es daher, sich das Zitat des Nobelpreisträgers Herbert Simon ins Gedächtnis zu rufen: "Information verbraucht die Aufmerksamkeit ihrer Empfänger. Deshalb erzeugt ein Reichtum an Information eine Armut an Aufmerksamkeit."

In der nächsten Folge werden wir uns dem Thema Werbespots zuwenden. Hier möchten wir zum Beispiel zeigen, was ein Schnitt für unsere Wahrnehmung bedeutet und wie ein "Super" seinem Namen besser gerecht werden kann. Steffen Egner, Björn Lockstein


Autor: Susanne Herrmann

schreibt als freie Autorin für W&V. Die Lieblingsthemen von @DieRedakteurin reichen von abenteuerlustigen Gründern über Medien und Super Bowl bis Streaming. Marketinggeschichten und außergewöhnliche Werbekampagnen dürfen aber nicht zu kurz kommen.