Gesetzesverschärfung:
Werber wehren sich gegen Maas' Sexismus-Verbot
Justizminister Heiko Maas will mithilfe strengerer Gesetze geschlechterdiskriminierende Werbung in Deutschland unterbinden. Die Werbebranche hält das nicht für notwendig.
Die Werber sind empört: Justizminister Heiko Maas (SPD) will mithilfe strengerer Gesetze geschlechterdiskriminierende Werbung in Deutschland unterbinden. Wie der "Spiegel" am Wochenende berichtete, hat er einen Änderungsentwurf des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb aufgesetzt. Das ist Teil der SPD-Reaktion auf die sexuellen Übergriffe in Köln an Silvester.
Die Werbebranche hält das nicht für notwendig. Daher werde der Agenturverband GWA "entschlossen dagegen vorgehen, eine weitere sinnlose Freiheitseinschränkung zu akzeptieren", kündigt Ralf Nöcker, Geschäftsführer des Gesamtverbands Kommunikationsagenturen GWA, an.
Einer, der das versteht, ist Benedikt Holtappels, CEO von GGH Mullen Lowe:
"Ich glaube an den gesunden Menschenverstand und nicht an Reglementierung. Genau dieser Menschenverstand sagt mir übrigens, dass Herr Maas gerade die Gunst der Stunde nutzt, um sich zu profilieren."
Ralf Nöcker: "Der neue Vorstoß von Justizminister Maas ist in jeder Hinsicht komplett unsinnig. Er bekämpft ein Problem, das empirisch kaum Bedeutung hat und gegen das es zudem bereits wirksame Mittel - den Werberat! - gibt. Dafür zahlt er den Preis weiterer Regulierung und nimmt die Gerichte für Aufgaben in Anspruch, die längst wirksam erfüllt werden."
Der Werberat im ZAW - Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft - als Selbstkontrollgremium rügte 2015 sechs Firmen wegen geschlechterdiskriminierender Motive (W&V Online berichtete).
Nöcker weiter: "Außerdem verlagert sich die Diskussion um zulässige Werbung damit endgültig auf die Geschmacksebene. Wer will eindeutig entscheiden, wann Werbung sexistisch ist?" Genauso sieht das der "Bild"-Zeitung zufolge Thomas Heilmann, ehemals Scholz & Friends-Werber und heute CDU-Politiker: Wir bräuchten keine "Geschmacksvorschriften für Werbeplakate. Es gibt dafür den Werbe- und den Presserat, die gut arbeiten. Endgültig absurd ist die Begründung, Werbeverbote würden helfen, abscheuliche Übergriffe wie in der Silvesternacht in Köln zu vermeiden."
Der Meinung ist auch Benedikt Holtappels, er kennt ein besseres Mittel gegen Sexismus: "Was ich tun würde? Ich würde jede Initiative unterstützen, die mehr Frauen in Führungsetagen bringt, gläserne Decken durchstößt und junge Frauen ermuntert, in sogenannte Männerdomänen vorzudringen."
Bislang sorgt der Werberat als Selbstkontrolleinrichtung der Branche dafür, dass die selbst auferlegten Regeln eingehalten werden. Im Jahr 2015 sei "die Zahl der vom Werberat zu entscheidenden Fälle nahezu konstant geblieben – trotz der in der Bevölkerung gestiegenen Sensibilität insbesondere für das Thema sexistische Werbung." Dazu gab es die meisten Beschwerden - 622 Werbemaßnahmen wurden von Verbrauchern beanstandet, davon fielen 379 in die Zuständigkeit des Werberats. 196 davon betrafen die Geschlechterdiskriminerung.
Gerügt wurden am Ende 11 von 114 beanstandeten Unternehmenskampagnen (2014: 14), die laut Werberat zu Recht kritisierte Motive nicht zurückzogen oder änderten. Eine Rüge wegen Sexismus ging an sechs regionale Unternehmen (eines davon ist oben zu sehen; W&V Online dazu hier).
Der Werberat stellt fest, "dass einmal gerügte Unternehmen in der Regel kein zweites Mal auffällig werden". Hans-Henning Wiegmann, Vorsitzender des Gremiums, sagt anlässlich des Berichts zu 2015: "Die Verhaltensregeln des Werberats sind klare Leitlinien, die den Unternehmen bei der Konzeption ihrer Werbung wertvolle Orientierung geben."
Laut "Spiegel" habe sich Maas' Ministerium von Aktivisten der Organisation Pinkstinks beraten lassen, die seit 2014 ein Verbot sexistischer Werbung fordert. Bringt Maas seine Gesetzesänderung durch, wären Plakate oder Anzeigen unzulässig, die Frauen oder Männer auf Sexualobjekte reduzieren. Im Streitfall käme das vor Gericht.
Via Pinkstinks gerät auch ein Motiv in die Berichterstattung, das Ralf Nöcker ein Kopfschütteln abnötigt: "Dass in der Berichterstattung allen Ernstes Almdudler als Beispiel angeführt wird ('Auch Männer haben Gefühle: Durst') zeigt, wohin die Reise gehen kann. Wahnsinn!" Laut Pinkstinks ist das Motiv aus dem Jahr 2010 ein Beispiel "für Werbung, die Menschen aufgrund ihres Geschlechts Eigenschaften, Fähigkeiten und soziale Rollen in Familie und Beruf zuordnet".