Discovery sticht ARD/ZDF aus:
Was der Olympia-Deal bedeutet
Mit Gebühren wuchern? Bringt in Zeiten des rasanten Wandels offensichtlich nichts mehr – das müssen ARD und ZDF erkennen. Dem überraschenden TV-Deal des IOC mit Discovery könnten weitere Niederlagen folgen.
Bundesliga, Olympische Spiele, Fußball-WM oder –EM nur im öffentlich-rechtlichen TV? Damit könnte bald Schluss sein. Der überraschende Deal des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) mit dem US-Unternehmen Discovery und der europäischen Sport-TV-Tochter Eurosport verdeutlicht den rasanten Wandel auf dem Medienmarkt. Der Olympia-Deal zeigt auf: ARD und ZDF bieten nicht mehr nur gegen deutsche Konkurrenten wie RTL, sondern gegen internationale Konzerne. Das ist dem ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky durchaus bewusst. Er sagt gegenüber "dpa" recht ernüchtert: "Wegen der massiven und nach wie vor steigenden Nachfrage nach hochwertigen Sportrechten können derartige Entscheidungen grundsätzlich nicht mehr überraschen." Der Kampf um diese Rechte habe eine neue Dimension erfahren – "nicht erst seit der Vergabe der Übertragungsrechte für die Olympischen Spiele".
Bei Sportrechten ziehen die Öffentlich-Rechtlichen in den letzten Monaten wiederholt den Kürzeren: Zunächst schnappte sich RTL die Spiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in der Qualifikation für große Turniere – und jubelt dank toller Quoten und satter Werbeerlöse. Die Kölner müssen nicht auf zeitliche Werbebegrenzungen nach 20 Uhr achten. Dann ist aber noch ein neuer Konkurrent aufgetaucht: Das katarische Medien-Imperium Al Jazeera sicherte sich die Rechte an Handball-Weltmeisterschaften und verkaufte in Deutschland nicht an ARD/ZDF, sondern an Sky. Und nun der Weltkonzern Discovery.
Balkausky rechnet durchaus mit weiteren Niederlagen. ARD und ZDF verlieren nach seiner Ansicht immer häufiger das Wettbieten, "weil dem Sport in Zeiten der immer weiter gehenden Aufsplittung des Medienmarktes eine immer wichtigere Rolle zukommt". Die Zugkraft großer Sportveranstaltungen wirke nicht nur im klassischen Fernsehen, sondern auch bei neuen Verbreitungswegen. Im Bereich Online und Social Media drohen ARD und ZDF nach Balkauskys Ansicht "aufgrund der rechtlichen Restriktionen immer weiter zurückzufallen".
Auch das Klagelied stimmt der ARD-Manager an, der lange Jahre beim privaten Sender Sport1 (ehemals DSF) gewirkt hat. Den Sendern fehle es im Wettbewerb an Finanzkraft. Das öffentlich-rechtliche Konstrukt könne "keine unternehmerischen Entscheidungen mit frei verfügbarem Kapital wie die Discovery-Gruppe oder andere Global Player treffen", so der ARD-Sportkoordinator. "Wir sind zu wirtschaftlichem Umgang mit den Beitragsgeldern verpflichtet, auch wenn dies einige Medien immer wieder anders darstellen." Der Discovery-Deal belege "nachdrücklich, dass der angebliche Vorsprung öffentlich-rechtlicher Sender durch Beitragsgelder bei der Vergabe von Sportrechten eine Mär ist".
Fragt man das IOC, bekommt man noch eine andere Lösung der Frage, warum ein neuer Weg gegangen wird: Discovery hat überzeugt. Timo Lumme, IOC-Geschäftsführer für Fernsehen und Marketing, sagt der dpa: "Als wir die E-Mails (mit den Geboten) öffneten, war unser erster Eindruck der von Qualität - im Vertrieb wie in der Berichterstattung. Da fühlen wir uns sehr, sehr wohl." Mit Blick auf der bei der Ausschreibung unterlegenen Sender ARD und ZDF unterstreicht Lumme, dass Discovery zugesagt habe, für Verhandlungen mit den öffentlich-rechtlichen Sendern in jeder Hinsicht offen zu sein.
Es gibt eine Kehrseite der IOC-Entscheidung: Die deutschen Sportverbände bangen um ihre Präsenz im Fernsehen. Zumindest die ARD erwägt nun, die Berichterstattung zu reduzieren. Für die Sportausschussvorsitzende Dagmar Freitag wäre das "ein Desaster. Und bei den Sportverbänden geht die Furcht um, dass der Bildschirm während ihrer Topveranstaltungen noch öfter schwarz bleiben könnte. "Für den deutschen Sport würde eine sehr schwierige Situation entstehen", warnt Leichtathletik-Präsident Clemens Prokop und fleht um eine „vernünftige Lösung“.
Die Androhung von weniger Sportpräsenz bei den Öffentlich-Rechtlichen könnte vor allem kleinere Verbände bedrohen. "Das hätte fatale Einschnitte für uns, das ist ganz klar", sagt Stefan Knirsch, der Sportdirektor Snowboard Germany. Denn: ARD und ZDF seien mit ihren Sendereichweiten die Partner, die man braucht, um Veranstaltungen durchführen und über Sponsoren refinanzieren zu können. Obwohl in Deutschland über Satellit, Kabel oder Netz praktisch überall zu empfangen, war 2014 der durchschnittliche Gesamtmarktanteil von Eurosport mit 0,6 Prozent vergleichsweise niedrig – auch wenn der Sportkanal eine beachtliche Flotte an Internet- und Streaming-Beibooten steuert. Zum Vergleich: Die ARD erreichte via TV im selben Jahr 12,5 Prozent, das ZDF 13,3 Prozent Gesamtmarktanteil.
Der TV-Zuschlag für Discovery mit seinem Eurosport-Sender könnte sogar die Bewerbung der Olympia-Kandidatenstadt Hamburg um die Ruder-WM 2019 gefährden. Bestandteil der Bewerbung sind Fernsehgarantien. "Ich habe mit dem ARD-Koordinator Balkausky telefoniert. Er konnte keine Auskunft geben, wie es weitergeht. Wir sind jetzt etwas ratlos", sagt DRV-Präsident Siegfried Kaidel.
ps/dpa