
Social TV Summit/BLM:
Warum moderne Serien schon ein Jahr vor TV-Start beginnen
Dank Social TV können im Fiction- und Non-Fiction-Bereich ganze Story-Welten aufgebaut werden - aber mit ganz anderen Vorläufen und Produktionsweisen. Das zeigt der Social TV Summit der BLM.
Die Zuschauer als Gewinner des Second Screens, zumal die Parallelangebote zum TV "dem Inhalt neue Energie" geben. Das ist eine der zentralen Thesen des Social TV Summits, zu dem die Münchner Medienanstalt BLM geladen hat. Neue Energie entstehe durch Interaktion, sozialen Kontext, Personalisierung und Bindung – wie Bertram Gugel von Gugelproductions näher ausführt. In seinen Augen nähern sich die Funktionalitäten von TV und Social Media immer mehr aneinander an. Bald werde es selbstverständlich sein, von "Fernsehen" zu sprechen und "Social TV" zu meinen, da der Second Screen längst Mainstream sei. "Social Media wird fundamentaler Bestandteil von Fernsehen", resümiert Gugel die Entwicklung: "Wir müssen die Nutzer zu Fans machen, sie nicht mehr nur als Publikum sehen."
Dass sich dadurch die Produktion von TV-Inhalten massiv verändert, machen verschiedene Beispiele beim Social TV Summit deutlich. So können im Fiction- und Non-Fiction-Bereich dank Social TV ganze Story-Welten aufgebaut werden - aber mit ganz anderen Vorläufen und Produktionsweisen. Für die Arte-Serie "About:Kate" etwa sind bereits ein Jahr vor Ausstrahlung Profile der Handelnden auf Facebook angelegt worden. Zwölf Monate vor TV-Start hat das Projekt ergo beim interessierten Fan schon zu existieren begonnen, wie Janna Nandzik erläutert - mit Erfolg für den TV-Start. Von 2011 bis 2013 hat die Regisseurin, Drehbuchautorin und Social-Media-Managerin an der 14-teiligen crossmedialen Fernsehserie gewirkt. Da sich Zuschauer ab Folge drei mit eigenen Inhalten einbringen konnten, ist die Serie im Prinzip erst während der Ausstrahlung fertig geworden. Das Team um Nandzik, die heute als Creative Director in der Geschäftsführung des Münchner Senders Tele 5 wirkt, wollte für den Zuschauer auf allen Ebenen das Gefühl erzeugen, dass er mit Kate die Therapie in einer Berliner Nervenklinik durchlebe. Eine App mit vielen Anknüpfungspunkten hat dabei im Mittelpunkt gestanden.
Weit voran im Social TV geht auch RTL II mit in der Community verwobenen Vorabendserien wie "50667 Köln", wo Protagonisten vor Start auf dem TV-Bildschirm bereits auf Youtube hausten. Eine besonders umfangreiche Welt ist rund um das Projekt "Netwars" entstanden, ausgehend von einer 52-minütigen Dokumentation auf Arte. Die Köpfe hinter dem umfangreichen Crossmedia-Projekt sind Michael Grotenhoff und Saskia Kress von der Berliner Produktionsfirma Filmtank. Die Gefahr der Cyberkriegsführung wollten sie nicht allein auf diese Produktion und auch nicht nur auf die Non-Fiction beschränken. Insgesamt sechs Plattformen sind geschaffen, weitere sind in Planung. Bisher gibt es eine interaktive Web-Doku, Website, Grafic Novel App, E- und Audiobooks. Kreativ unterstützt wurde Filmtank dabei von den Berliner Miiqo Studios. So zeichnet Lena Thiele kreativ verantwortlich für die Web-Doku und das Plattformzusammenspiel; sie hat "Netwars" beim Social TV Summit vorgestellt.
So viel Mühe lohnt und bindet. BLM-Präsident Siegfried Schneider fasst die Vorteile des "neuen" Fernsehmachens so zusammen: "Für die Fernsehmacher ergeben sich durch Social TV enorme Potenziale, um das Publikum besser kennenzulernen, auf sich aufmerksam zu machen oder an sich zu binden. Die Folgen: neue Einschaltimpulse, größere Reichweiten, ein vertieftes TV-Erlebnis und im Idealfall ein Austausch zwischen Sender und Zuschauer auf Augenhöhe." Die TV-Macher müssen reagieren: 2014 sei das "Jahr des Smartphones", in dem es auf der Welt erstmals mehr Smartphones als TV-Geräte gebe, sagt Keynote-Speaker Josh Partridge, Director von Shazam.