Online-Reichweiten:
Warum es im Influencer-Marketing kein Sommerloch gibt
Wird das Influencer-Marketing ruiniert? Mit einem kritischen W&V-Gastbeitrag hat Hitchon-Chefin Sarah Kübler in der vergangenen Woche die Branche provoziert. Mediakraft-Sprecher Michael Frenzen hält dagegen: Dass Reichweite gekauft würde, sei eine "Räuberpistole". Ein Sommerloch gibt es nicht.
Wird das Influencer-Marketing ruiniert? Mit einem kritischen W&V-Gastbeitrag hat Hitchon-Chefin Sarah Kübler in der vergangenen Woche die Branche provoziert. Reichweite sei nicht zu prognostizieren, sagt sie, egal bei welchem Influencer. Manche Posts performen nicht wie vorhergesagt. Oftmals würde dann die Prognoselücke mit Kauf nicht generischer Klicks gefüllt. Dem widerspricht nun Mediakraft-Sprecher Michael Frenzel im folgenden Gastbeitrag: Influencer-Marketing stecke nicht in der Freibad-Falle. So etwas wie einen Performance-Knick bei gutem Wetter gibt es nicht. Dass Reichweite gekauft würde, sei eine "Räuberpistole".
"Es ist nicht seriös, eine fixe Anzahl an organischen Views zu garantieren", "der Markt wird versaut", "die Reichweiten von Kampagnen werden manipuliert" und "wir brauchen mehr Ehrlichkeit" sind steile Thesen, die Sarah Kübler aufstellt. Mal wieder die alte Leier, könnte man fast sagen. Umso überraschender, dass diese Thesen nicht von einem Dinosaurier der TV- oder Print-Branche repetiert werden, sondern diesmal von einer hoffnungsvollen Nachwuchskraft der Online-Branche, von einer Startup-Gründerin. Ihre provozierende Fragezeichen-These lautet: Dem Influencer-Marketing drohe das Aus wegen diverser Machenschaften.
Doch die Kritik steht auf tönernen Füßen. Da ist zunächst der von TV-Promotern gern gestreute Zweifel an der mangelnden Zuverlässigkeit von Online-Reichweiten und den daraus folgenden Prognosen. Aber wann ließen sich bei welchem Medium Views jemals besser messen als bei Online, und speziell bei YouTube & Co.? Für Prognosen jedenfalls haben sich Druckauflagen der Vergangenheit ebenso wenig als zuverlässig erwiesen wie die windigen TV-Panelmessungen von gestern für die Staffel in der nächsten Woche.
Kein Sommerloch für Influencer
Werden die verfügbaren Online-Statistiken intelligent durch Marktforschung ergänzt, können Werbetreibende über ihre Zielgruppe zuverlässigere Aussagen treffen als irgendwo sonst. Man muss allerdings wissen wie. Das gilt auch für Views- und Reichweitenprognosen. Vielen Marketing-Experten fehlt damit zugegeben noch die praktische Erfahrung.
Deshalb würde ich der These widersprechen, dass Freibad-Besuche der Generation "Durchgehend online" die Reichweiten absaufen ließen. Ein schönes Bild, aber von jemandem ausgedacht, der scheinbar noch nie bemerkt hat, dass diese junge Generation sogar am Strand ihr Smartphone immer dabei hat. Der mobile Zugriff beträgt laut aktuellen Statistiken inzwischen 65 Prozent. Das sind Zahlen, die gerade Influencer-Marketing interessant machen.
Dass Youtuber durch die Bank in den Sommerferien in der Reichweite massiv einbrechen, ist nicht richtig. View-Statisken bei Socialblade von Ibali, Freshaltefolie und Lefloid zeigen das Gegenteil: Die Behauptung eines Influencer-Sommerlochs schmilzt wie Butter in dem selbigen.
Gekaufte Reichweite ist eine Räuberpistole
Tatsächlich gibt es auch YouTube-Kanäle, wie z.B. Die Filmfabrik, die im Sommer eine Saure-Gurken-Zeit haben, weil weniger Kinofilme Premiere feiern, die besprochen werden könnten. Solche saisonalen Schwankungen sind gut vorhersehbar und somit kalkulierbar. Eine seriöse Agentur kann diese wenig überraschenden Saisoneffekte in die Berechnung der für eine Kampagne garantierten Reichweite einfließen lassen.
Folglich entsteht eine "überraschende" Unterdeckung der von der Autorin als "generisch" bezeichneten Reichweite gar nicht erst. Dass es gängige Praxis sei, "nichtgenerische" Reichweiten hektisch hinzuzukaufen, ist also eine Räuberpistole. Es wäre auch nur mit der Ahnungslosigkeit der beauftragten Agentur zu erklären. In der Praxis überperformen die mir bekannten Influencer-Kampagnen regelmäßig, weil auf die stets bestehende leichte Rest-Unsicherheit der Prognosen mit einem ausreichenden Sicherheitszuschlag wirksam begegnet wird.
Über die Unwägbarkeiten der Werbeform Influencer-Marketing könnte man sicherlich ein eigenes Kapitel schreiben. Allerdings liegen diese am wenigsten noch in der Vorhersagbarkeit von Reichweiten oder Views, sondern vielmehr in der Künstlerpersönlichkeit begründet. Hier ist gerade die Erfahrung im Umgang mit dem einzelnen Künstler - und Künstlern generell - von erheblichem Vorteil. Eine Buchungsplattform verfügt über solche Umsetzungs-Erfahrungen eher nicht.
Unseriöse Anbieter gehen unter
Werbetreibende werden sich jedenfalls von Anbietern, welche die Technik der Online-Reichweitenmessung und -Prognose nicht im Griff haben und daher pfuschen, schnell trennen. Dies gilt selbst dann, wenn die Manipulation unentdeckt bliebe, denn diese Agenturen werden als Nichtschwimmer im Becken des Influencer-Marketings baden gehen, sobald das Wasser tiefer wird.
Über den Autor: Michael Frenzel ist seit April 2015 Head of Communication beim Influencer-Vermarkter Mediakraft Networks. Zuvor war er 17 Jahre bei 1&1, unter anderem auch in Führungspositionen Marketing und PR.