TV-Konzerne:
Warum es bei der RTL-Gruppe besser läuft als bei ProSiebenSat.1
ProSiebenSat.1 und RTL kämpfen unter gleichen Bedingungen auf demselben Markt. Trotzdem läuft es bei RTL momentan besser. Warum ist das so? Eine Analyse.
Stellte man sich die TV-Konzerne RTL Group und ProSiebenSat.1 als Fernsehprogramme vor, dann würden sie derzeit wohl kaum auf ein und demselben Kanal ausgestrahlt werden. Zu unterschiedlich präsentieren sich die Kontrahenten zurzeit. Der eine - RTL - erinnert an eine solide Abend-Unterhaltungsshow. Ein Wohlfühlprogramm ohne große Überraschungen. Die Vorstellung von ProSiebenSat.1 gleicht dagegen einem Thriller, der sein Publikum mit dramatischen Plotpoints überrascht. Und ob es ein Happy End gibt, ist völlig offen.
Die Handlungsstränge der beiden TV-Unternehmen verlaufen derzeit so konträr wie lange nicht. Bei der Vorstellung der jüngsten Quartalszahlen punktete die Luxemburger RTL Group, Mutter der deutschen Mediengruppe RTL, mit guten Umsatz- und Ergebniszahlen und konnte ihre Gewinnprognose für das Geschäftsjahr 2017 sogar anheben. Basis dafür ist nicht zuletzt die positive Entwicklung im Kernmarkt Deutschland.
Das gegenteilige Szenario zur gleichen Zeit bei ProSiebenSat.1. Erneut musste der Konzern seine Jahresprognose nach unten korrigieren. Das ist Gift für die Börsenpsychologie. Die schon seit Mai schwächelnde Aktie verlor am Donnerstagmorgen noch einmal an Boden. ProSiebenSat.1 bleibt Schlusslicht im Leitindex Dax. Bereits Ende August hatte der Medienkonzern seine Prognose korrigieren und einen Kursrutsch verkraften müssen.
RTL meistert das Kerngeschäft derzeit besser
Warum driftet die aktuelle Entwicklung der beiden TV-Konzerne so auseinander? Beide Unternehmen kämpfen schließlich auf demselben Markt mit identischen Herausforderungen: mit einem stagnierendem TV-Werbemarkt und der digitalen Transformation. Die Gründe liegen wohl weniger beim digitalen Wandel, sondern im klassischen Kerngeschäft. Hier haben beide Protagonisten mit Problemen zu kämpfen - aber die Senderkette um RTL scheint sie momentan besser zu meistern.
ProSiebenSat.1 hatte in den letzten Monaten mit einem sehr traditionellen Problem zu kämpfen: Die Quoten stimmten nicht. Konzernchef Thomas Ebeling räumt ein, "Hauptsorge" sei das schwächelnde Kerngeschäft mit TV-Werbung. Vor allem die langjährige Cashcow ProSieben lahmte kräftig und sank im September auf ein historisches Marktanteils-Tief.
Für das Werbegeschäft war das fatal - denn der Sender steht für jüngere Männer-Zielgruppen, die der Konkurrent aus Köln so eben nicht bieten kann. Bei der RTL-Gruppe schlägt dagegen vor allem die positive Entwicklung von Vox mit Erfolgsformaten wie "Club der roten Bänder" und "Höhle der Löwen" zu Buche. Die letzten Wochen sehen für Sat.1, ProSieben und Co. zwar wieder etwas besser aus - vor allem dank der Erfolgsshow "Voice of Germany". Für ein Happy End in der Gesamtbilanz wird das aber nicht reichen.
TV-Werbung stößt an die Wachstumsgrenze
Die Quotenmisserfolge verursachen zudem ein weiteres sehr klassisches Problem bei ProSiebenSat.1: Im dritten Quartal musste der Konzern 170 Millionen Euro an Programmvermögen abschreiben. Ein Alarmzeichen, denn diese Sparte trägt gut 70 Prozent zum Betriebsgewinn bei.
ProSiebenSat.1-Chef Thomas Ebeling will deshalb die digitale Transformation forcieren und das Unternehmen vom traditionellen TV-Geschäft noch unabhängiger machen. Eine zweifellos richtige Strategie, wie das Werbejahr 2017 zeigt. Das Geschäft mit Fernsehwerbung floriert zwar noch, stößt aber an seine Wachstumsgrenze.
Ebelings wichtigste Positiv-Kennzahl der jüngsten Quartalsbilanz: Inzwischen erwirtschaftet der Konzern 52 Prozent seines Umsatzes außerhalb der Klassik. In dieser Rechnung steckt aber wohl einiges an Bilanzierungs-Kreativität. So schlägt das Unternehmen seine Media-for-Equity- und Media-for-Revenue-Share-Geschäfte dem Segment Digital Ventures und Commerce zu. Grundlage sind hier aber sehr klassische Fernsehspots, die sich der Konzern mit Unternehmensanteilen und Umsatzbeteiligungen von E-Commerce-Partnern bezahlen lässt.
Gut gerüstet für Programmatic
Die RTL-Gruppe rechnet anders - aber auch hier ist die Abhängigkeit vom klassischen TV-Werbegeschäft aktuell ähnlich hoch. 47,7 Prozent der Umsätze kommen aus dem Fernsehgeschäft, weitere vier Prozent aus der Radiovermarktung.
Für den Wandel im digitalen Werbegeschäft sind beide Kontrahenten ähnlich gut gerüstet. Die RTL Group hat mit SpotX und Smartclip in eine Infrastruktur für automatisierten Werbeplatzhandel investiert. ProSiebenSat.1 hat die Mehrheit beim Adtech-Unternehmen Virtual Minds übernommen.
Die Fortsetzung der Fernsehgeschichten bleibt spannend. Und momentan sieht es danach aus, dass die nächsten überraschenden Wendungen wohl aus Unterföhring kommen werden.