Bewerbungsverfahren:
Warum der klassische Lebenslauf immer unwichtiger wird
Die Bewerber wollen sich nicht mehr mit Lebenslauf und Anschreiben aufhalten, neue Formen können ihre Qualifikationen viel besser transportieren.
Nicht nur das Anschreiben ist ein Hürde, der Lebenslauf neuerdings auch. Arbeitgeber, die verzweifelt Experten suchen, müssen offenbar umdenken, wenn sie Kontakt zu qualifizierten Bewerbern haben wollen. Denn die sind immer unwilliger dabei, ihren Lebenslauf einzustellen. Das ergab die aktuelle Bewerber-Studie "Hidden Talents" des Video-Recruiting Anbieters Viasto gemeinsam mit dem Marktforschungsunternehmen Respondi.
62 Prozent der befragten Job-Anwärter glauben, dass mindestens eine ihrer letzten Bewerbungen daran scheiterte, dass ihr Lebenslauf ihre eigentlich vorhandene Eignung für einen Job nicht transportieren konnte. Mit dem Effekt: Jeder Fünfte der abgelehnten Kandidaten bewirbt sich in der Folge nicht noch einmal beim gleichen Unternehmen. Denn wenn es darum geht, die persönlichen Stärken in einer Bewerbung zu vermitteln, ist der Lebenslauf aus der Sicht der Bewerber denkbar ungeeignet. 32 Prozent von ihnen bewerten ihn in dieser Hinsicht mit mangelhaft oder ungenügend. Die Bewerber müssen auf andere Art als mit tabellarischem Abriss ihre Fertigkeiten unter Beweis stellen.
Bewerber wollen Empathie und Motivation mehr gewichtet sehen
Die meiste Bewerberkritik richtet sich dagegen, dass die Soft Skills nicht richtig im Bewerbungsprozess abgebildet werden können und somit keine Beachtung finden. Vor allem bei jungen Bewerbern zwischen 18 und 29 Jahren ist diese Meinung stark ausgeprägt (60 Prozent). Auch die job-spezifische Motivation sei zu wenig im Fokus der Arbeitgeber. Das sagen immerhin noch 50 Prozent.
Selbst wählen Kandidaten potenzielle Arbeitgeber zwar primär auch danach aus, ob ihre fachlichen Kenntnisse zu den Anforderungen einer ausgeschriebenen Stelle passen (41 Prozent), aber gleich danach prüfen sie, ob sie auch charakterlich zu einem Arbeitgeber passen (31 Prozent). Das ist ihnen sogar wichtiger als die finanziellen Rahmenbedingungen einer vakanten Stelle, die für 29 Prozent ein wichtiges Entscheidungskriterium darstellen.
Wenn Bewerber für den Informationsfluss der einzelnen Bewerbungswege Schulnoten verteilen sollen, muss der klassische Lebenslauf um die Versetzung fürchten. Bei der Frage danach, wie gut dieser die Persönlichkeit eines Bewerbers transportiert, schneidet er mit einer Durchschnittsnote von 3,6 extrem schwach ab. Frauen schreiben ihm gar eine 3,8 in das Zeugnis. Zum Vergleich: Das persönliche Gespräch erhält hier eine 1,7. Junge Bewerber geben in dem Kontext vor allem digitalen Lösungen wie dem Video-Interview eine gute Note (2,2).
Für die Studie haben die beiden Autoren 845 Menschen befragt, die in den letzten zwölf Monaten einen Bewerbungsprozess durchlaufen haben.