Backlash:
Warum das Sparkassen-Urteil des BGH aus Marketingsicht ein Fehler ist
Sparkassen dürfen in Formularen weiterhin männliche Bezeichnungen wie Kunde oder Kontoinhaber verwenden, auch wenn sie Frauen ansprechen. Ob der BGH den Sparkassen damit einen Gefallen tut?
Die 80-jährige Klägerin Marlies Krämer will sich vom heutigen Urteil nicht entmutigen lassen und wird auf alle Fälle weiter durch die Instanzen ziehen - wenn es sein muss bis zum Europäischen Gerichtshof. Krämer hatte ihre heimische Bank, die Sparkasse Saarbrücken, darauf verklagt, "in Formularen und Vordrucken nicht unter grammatisch männlichen, sondern ausschließlich oder zusätzlich mit grammatisch weiblichen Personenbezeichnungen erfasst zu werden." Diesen Anspruch gegenüber der Sparkasse Saarbrücken verneinten die Richter (3 Männer, 2 Frauen) des Bundesgerichtshof. Sie bestätigten damit die Entscheidung der Vorinstanz in Saarbrücken.
Die Klägerin könne sich weder auf eine "Benachteiligung im Sinne von § 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes" berufen, noch auf eine "Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in seiner Ausprägung als Schutz der geschlechtlichen Identität", da sie in persönlichen Gesprächen und in individuellen Schreiben mit der korrekten Anrede "Frau" angesprochen werde.
Was die Formulare angeht, so sei "nicht die subjektive Sicht der betroffenen Person" entscheidend, sondern "die objektive Sicht eines verständigen Dritten". Das generische Maskulinum ist nach BGH-Meinung nicht mit einer Geringschätzung gegenüber Personen verbunden, deren natürliches Geschlecht nicht männlich ist.
Dabei beruft sich der Senat unter anderem auf den Sprachgebrauch des Gesetzgebers, der nach wie vor von "Kontoinhaber" und "Darlehensnehmer" spricht. "Dieser Sprachgebrauch des Gesetzgebers ist zugleich prägend wie kennzeichnend für den allgemeinen Sprachgebrauch und das sich daraus ergebende Sprachverständnis."
Diese Begründung ist zweifelhaft
Das ist allerdings ein Argument, bei dem sich die Katze in den Schwanz beißt. Denn kein Mensch redet so, wie es in Gesetzen und Verwaltungsvorschriften formuliert wird. Manchmal hinkt die Alltagssprache hinterher (Zuchthaus statt Justizvollzugsanstalt, Vormund statt Betreuer), manchmal ist das Volk den Gesetzgebern voraus (Ehe statt eingetragener Partnerschaft).
Widerspruch gibt es auch von der Vorsitzenden des Deutschen Juristinnenbundes, Maria Wersig: "Diese Bezeichnung 'Kontoinhaber' ist, wenn man es genau nimmt, seit 1958 überholt, denn seitdem können Frauen selber ein Konto eröffnen auf eigenen Namen, und wenn sich seitdem nichts bewegt hat, und die Sparkasse auch noch sagt, das muss so bleiben, dann zeigt das den Stellenwert von Frauen und von Gleichberechtigung." Und für Wersig ist klar: Wer den Begriff Bankdirektor benutzt, stellt sich nun mal den Herrn im Anzug vor und keine Frau. Von Neutralität des generischen Maskulinums könne keine Rede sein.
In ihrem Kampf sieht die bekennende Feministin Marlies Krämer nur einen Ausweg: "Ich werde ab sofort nur noch das generische Femininum benutzen."
Was ist von dem Urteil aus Marketingsicht zu halten?
Der BGH hat den Banken und Sparkassen mit dem Urteil keinen Gefallen getan. Es sortiert Kunden in "normale" männliche Kunden und den Rest. Legt man sonst im Marketing Wert darauf, jedem Kunden und seinen Bedürfnissen gerecht zu werden, ist das Urteil in dieser Hinsicht ein echter Backlash.
Wenn sich diese Sichtweise verbreitet, kann man die Kampagnen zum Weltfrauentag getrost als Feigenblatt für 364 Tage "normale" Marketingkommunikation bezeichnen und sie wie W&V-Chefredakteur Jochen Kalka als "saublödes Getue" einordnen.
Die "Süddeutsche Zeitung" sieht in dem Urteil eine verpasste Chance für den Fortschritt hin zu einer moderneren Sprache. Für die Zukunft wünscht sich der Kollege keinen Dogmatismus, aber einen "intelligenten Gebrauch der Sprache, der traditionelle Prägungen aufbricht, ohne ihre Eleganz zu opfern. Das heißt zum Beispiel: mehr Mut, auch mal allein die weibliche Form einzusetzen."
Eine Idee, die auch andere im Netz beschäftigt:
Zu Recht bemängeln die Twitter-User, die mangelnde Kundenorientierung der Sparkassen. Statt den Wunsch der Kundinnen aufzugreifen und die Formulare zu ändern, investieren sie lieber in ihre Anwälte. Auch eine Art Imagebuilding. Kein Wunder, dass einige mit dem Abzug ihrer Konten von der Sparkasse drohen.
Was aus dem Urteil keinesfalls folgen darf
- Frauen sind Kunden - mehr muss ich dazu nicht wissen
- Personalisierung wird überschätzt
- Am besten alles so belassen, wie es ist.