Kommentar:
Warum Vice bei RTL II richtig ist
Quoten-Fetischisten könnten von der Vice-Premiere bei RTL II enttäuscht sein. Na und? W&V-Redakteurin Petra Schwegler erklärt, warum das neue Format für Senderchef Andreas Bartl schon jetzt ein Gewinn ist.
Gut, nach Marktanteilen ist die Vice-Premiere bei RTL II vielleicht kein ganz großer Erfolg. Zumindest in landläufigen Zielgruppen. Da kommen mit den "Vice Reports" am späten Montagabend beim Münchner Sender ab 23.10 Uhr nur 470.000 Gesamtzuschauer zusammen. Und nur 260.000 der wichtigen werberelevanten 14- bis 49-Jährigen, was einem Marktanteil von 5,4 Prozent entspricht – unter RTL-II-Schnitt in dieser Zielgruppe.
Doch es gibt mehrere Gründe, warum es dennoch eine sehr gute Entscheidung von RTL-II-Programmchef Tom Zwiessler ist, auf das Reportagemagazin zu setzen. Zum einen soll hiermit eine ganz besondere Klientel erreicht werden: die so genannte Generation Y, die jungen Erwachsenen, die künftig im Zentrum der Zielgruppenansprache stehen. So klingt der Sender selbst zufrieden, als er am Dienstagmorgen meldet: "In der jungen Zielgruppe der 14-bis 29-Jährigen erzielten "Die Vice Reports" einen guten MA von 7,6%. Damit legte das neue Reportagemagazin einen gelungenen Start hin." Die Generation Y ist also vertreten – und genau für jene hat das Team um Senderchef Andreas Bartl bei Vice eingekauft.
Außerdem bringen die "Vice Reports" eine Farbe ins Programm, die sogar die Medienwächter gutheißen dürften: Information. Wenn die US-Produktion auch provokativ und anders daherkommt als gewohnte deutsche Reportagemagazine – genau das macht den Reiz von Vice-Produktionen aus. Es soll ja auch nicht der grauhaarige ARD-"Report"-Fan zu RTL II switchen. Und: Die Themen des "Vice Reports" sind aktuell und wichtig. Zum Auftakt ist unter anderem ein Stück über IS-Kämpfer zu sehen gewesen. Ein Vice-Filmemacher skizziert den rauen Alltag im syrischen IS-Kalifat. Ungewohnt, aber interessant und lehrreich – und das bei einem Sender, der bis vor einem Jahrzehnt eher als zu unterhaltsamer "Problemsender" bei den Medienanstalten eingestuft wurde.
Der langjährige ProSiebenSat.1-Manager Bartl und sein früherer Kollege Zwiessler, die nun seit einiger Zeit bei RTL II wirken, haben genug Erfahrung und sicher auch die Geduld, um so einem Format Zeit zu lassen. Mit Information tun Sender weniger der Quote gut. Aber dem Image. Wer weiß - vielleicht scheffelt ja auch Vice mehr Zuschauer zu RTL II? Denn die sehr expansive Medienmarke und ihre Mitarbeiter sind in der Vermarktung ihrer Inhalte stark. Seit Montagabend auch im Sinne von RTL II.
Danke für die Torte @rtl2! #VICEReports pic.twitter.com/iTbtezybly
— Negar Ghalamzan (@NegarGhalamzan) May 11, 2015