Arbeitnehmermotivation:
Warum Sinn für unseren Job so nötig ist
Die Generation Y stellt die Sinnfrage und verlangt von ihren Chefs eine Arbeit mit Sinn. Aber wie kann man das erreichen? Stefan Dudas hat darüber ein Buch geschrieben.
Managementberater Stefan Dudas fordert in seinem Buch "Voll Sinn" eine Rückbesinnung der Unternehmen. Nämlich auf den Sinn ihres Tuns. Was für junge Uniabsolventen bei ihrer Berufsentscheidung eine der wichtigsten Voraussetzungen ist, dem sollte auch allgemein mehr Beachtung geschenkt werden. Im Interview mit W&V erzählt er, warum Sinn manchmal auch eine Frage von guten Umgangsformen ist.
Sie fordern insgesamt, der eigenen Arbeit wieder mehr Sinn zu geben. Mal auf unsere Branche runtergebrochen: Angenommen eine Agentur arbeitet für einen Kunden, dessen Produkte nicht besonders sexy sind. Die Sinnsuche könnte hier ja durchaus deprimierend sein. Inwieweit können ein gutes Betriebsklima, ein wertschätzender Umgang ein Stück weit diese Sinnfrage ersetzen?
Gibt man Mitarbeitern Freiräume und Entscheidungskompetenzen, ist die Motivation automatisch höher. Es geht nicht darum, die Welt zu revolutionieren, damit man Sinn empfinden kann. Wenn ich abends sehe, was ich tagsüber gemacht habe, kann dies schon befriedigend sein. Denn es gibt Menschen, die eine hohe "Sicherheit" in der Arbeit suchen und sich freuen, wenn sie jeden Tag das Gleiche tun dürfen.
Das Klima im Unternehmen muss aber immer stimmen. Nicht umsonst gibt es den Spruch, dass Mitarbeiter wegen der Arbeit (oder des Unternehmens) kommen und meistens wegen des Chefs wieder gehen. Die interne Kommunikation muss sich sehr schnell an die neuen Bedürfnisse anpassen.
Was macht eigentlich eine sinnhafte berufliche Tätigkeit aus? Woran misst man den Sinn?
Sinn ist immer sehr individuell. Generell wird Sinn spürbar, wenn man etwas tut, was nicht einem selbst, sondern auch möglichst vielen Menschen etwas nutzt. Backe ich mir selber einen Kuchen, ist das zwar schön und er wird mir schmecken. Wenn ich aber andere Menschen dazu einlade, wird mir der Kuchen in Gesellschaft noch besser schmecken. Wir sind in unserer Betrachtung oft zu eng und schauen nur das Produkt oder die Dienstleistung an, die wir anbieten.
Die Qualität ist natürlich wichtig, aber auch nur die Basis. Achtet man mehr auf den Nutzen, den ich meinen Kunden – im Idealfall verpackt in Emotionen – biete, erlebe ich den Sinn besser.
Bislang galt Sinnsuche als eher etwas für die Zeit nach oder vor der Arbeit, für das Life bei der Work-Life-Balance. Warum muss der Arbeitgeber umdenken und dem Berufsleben mehr Sinn verleihen?
Die jüngere Generation nimmt nicht mehr automatisch jede Beförderung an. Viele überlegen, was sie im Gegenzug dafür "opfern" müssen und ob dies für ihre Lebensqualität förderlich ist. Das bedeutet, dass man nicht nur arbeiten gehen will, sondern dass es auch noch irgendwie Spaß machen und sinnstiftend sein soll. Unternehmen können heute schon auf zahlreichen Plattformen bewertet werden. Das bedeutet, die Hochglanz-Imagebroschüre wirkt nicht mehr so wie früher.
Höchste Zeit, wirkliche Veränderungen in den Unternehmen anzugehen.
Sie sagen, dass Erlebnisse mehr Sinn bringen als Geld. Später wird man sich eher an Erlebnisse erinnern denn an seinen Kontostand. Wäre es für die HR-Abteilungen nicht effektiver, sie böten statt der Gehaltserhöhung das tolle Mitarbeiter-Event an?
Damit wir uns richtig verstehen: Geld ist immer noch wichtig. Und man soll für gute Arbeit auch gutes Geld verdienen. Aber schlussendlich erinnern wir uns mit 80 Jahren nicht an die Lohnerhöhung von 2018. Sondern wir erinnern uns an die ersten Schritte der Tochter, die gemeinsame Zeit mit der Familie.
Bei "tollen" Mitarbeiter-Events muss man aufpassen. Befohlene Teamstimmung und Motivation auf solchen Events funktioniert nie. Auf jeden Fall nicht nachhaltig. Aber man kann Menschen inspirieren und zum Nachdenken bringen, ihn persönlich als Mensch weiterbringen. Dies schafft nachhaltige Veränderungen.
Aber Ihre Grundidee stimmt natürlich schon. Sie können einem Mitarbeiter auch "Schmerzensgeld" bezahlen: Wenn die Stimmung im Unternehmen an sich mies ist, wird es ihn auf Dauer aber auch mit "Schmerzensgeld" und noch so tollen Events nicht halten können.
Umgekehrt gefragt, muss ein Unternehmen weniger Gehalt zahlen, oder kann mehr unbezahlte Überstunden fordern, das von Haus aus etwas Sinnvolles, Nachhaltiges produziert - eine NGO oder der Hersteller einer begehrten Marke?
Schauen Sie in die Kirchen und in viele Hilfsorganisationen. Da arbeiten Menschen sehr oft kostenlos in ihrer Freizeit. Warum? Nicht wegen des Ansehens. Sondern weil sie das Gefühl haben, dass sie etwas Sinnvolles tun und weil sie die Gewissheit haben, anderen Menschen zu helfen. Für jemanden da zu sein (gebraucht zu werden), ist im höchsten Maße sinnstiftend. Wie oft gibt man in Unternehmen den Mitarbeitern das Gefühl, echt gebraucht zu werden?
Sie bemängeln, dass agile Projekte oftmals schieflaufen, weil die Mitarbeiter nicht den Sinn dahinter erkennen. Wie macht man die Sinnstiftung auch bei agilen Prozessen besser?
Indem man endlich das tut, was heute schon in vielen ungelesenen Leitbildern steht: Den Mitarbeiter in den Mittelpunkt zu stellen. So zu kommunizieren, dass er etwas mit den Informationen anfangen kann. Wenn der CEO von 15 Prozent Ebit als Jahresziel spricht, motiviert dies einen Mitarbeiter im Lager oder der Produktion meist wenig. Weil er mit der Größenordnung nichts anfangen kann und nicht sieht, wo genau er seinen Beitrag zu diesem Ziel leisten soll.
Also hat er das Gefühl "nicht so wichtig" zu sein - und schon beginnt die Abwärtsspirale.
Wie vermittle ich meinen Mitarbeitern den Sinn ihrer Tätigkeit? Welche Führungseigenschaften brauche ich dafür? Wie findet ein Chef den eigenen Sinn in seinem Tun?
Ich kann Sinn nur vermitteln, wenn ich selber weiß, was ich tue und warum ich es tue. Man findet es heraus, indem man sich mit sich selbst befasst. Etwas, das wir uns in dieser hektischen Zeit fast nicht mehr gönnen.
Wenn man zusammen darüber spricht, was Menschen motiviert, antreibt und inspiriert, kommt man diesem persönlichen Sinn auf die Spur. Und diese Gespräche, Workshops sind meist viel ergiebiger als manches neue Change-Projekt.