
Virale-Kampagne: Boehringer Ingelheim als Negativbeispiel?
Gekaufte Kommentare und falsche Viralität lauten die Vorwürfe gegenüber einem Youtube-Video Boehringer Ingelheim. Das Pharmaunternehmen aber will den User nicht kennen, der das inzwischen gelösche Video erneut hochgeladen hat.
Das Video von Boehringer Ingelheim hat polarisiert. Ray Cokes spukte darin als schräger Marketing-Manager durch eine Papageien-Fabrik und interpretierte Word-of-Mouth-Strategien neu. Zwischen "Mutig für ein Pharmaunternehmen" und "Ist nicht lustig und es kommt nichts rüber dabei" bewegten sich die Kommentare auf unserer Facebook-Fanpage dazu. Doch um viral wirklich abheben zu können, sei das Video zu aufwendig, kompliziert, lang und unklar, urteilt der "Videopunk" und Journalist Markus Hündgen. Er hat den Verdacht, dass ein Großteil der Kommentare und Bewertungen auf YouTube gekauft sind.
Hündgen testete in der Vergangenheit an eigenen Videos, was passiert, wenn man dessen Viralität etwa mit gekauften Kommentaren anschieben will. "Es deutet schon verdammt viel darauf hin, dass auch bei diesem Video nicht alle Kommentare und Bewertungen echt sind", sagt er. Die Indizien: Einige der Kommentatoren sind nicht in der Community aktiv, haben nur das eine Video in ihrer Favoritenliste, kein Profilbild, sind entweder lange Zeit inaktiv gewesen oder haben das Profil gerade erst angelegt.
Boehringer Ingelheim widerspricht. Das Pharmaunternehmen habe das Video bereits nach 72 Stunden wieder runter genommen, sagt Julia Meyer-Kleinmann aus der Corporate Communications-Abteilung. Dass inzwischen ein anderer User eigenständig das Video hochgeladen habe, sei offenbar Teil der Viralität.
Hündgen dagegen argumentiert, dass dies ein gängiges Vorgehen bei viralen Kampagnen sei: Zunächst ein Video hochladen, es dann wieder herunternehmen und später unter einem anderen Absender hochladen. Meyer-Kleinmann sagt, sie wisse nicht, wer hinter dem User Crazyparrot1000, der nun für die Verbreitung des Boehringer Ingelheim Spots sorgt, steht. Auffällig ist aber, dass dieser User bislang nur Videos rund um den Spot in seinem Kanal hochgeladen hat, das Making-off etwa. Auch die Favoriten-Videos stammen alle aus dem Umfeld des Spots. Sogar die drei Teaser-Videos mit sprechenden Papageien hat der Unbekannte gefunden. Ist es ein unabhängiger User, hat der Pharmakonzern also einen überzeugten Markenbotschafter gewonnen.
Ziel der Aktion sei es vor allem gewesen, mehr über virale Kampagnen zu lernen, so Meyer-Kleinmann. Das Video sei nach der kurzen Start-Phase wieder heruntergenommen worden, weil Boehringer Ingelheim vor allem die Startphase eines Virals analysieren wolle, erklärt sie. "Das Video war ja auch nicht irre teuer."
Hündgen überzeugt diese Argumentation nicht. "Letztlich sind das aber alles nur Indizien." Nur acht von 100 Viral-Kampagnen heben auch ab, schätzt er. "Doch für Viral-Kampagnen gibt es eben keine Checklisten."
Dass das Video nicht in der Versenkung verschwinden wird, dafür sorgt Hündgen nicht zuletzt selbst. Auf den Münchner Medientagen wird er zum Thema "Corporate Webvideos" sprechen. Als Teaser und Negativ-Beispiel will er auf das Video mit Ray Cokes verweisen.