Als ernstgemeinte Alternative oder nur, um die aktuellen Partner anzuspornen, attraktiv zu bleiben?

Sowohl als auch. Wenn man wie Mercedes seine eigene maßgeschneiderte Agentur baut, dann ist man vermutlich erst mal zufrieden damit. Schließlich hat man beim Recruiting sehr sorgfältig gesucht und die besten verfügbaren Talente verpflichtet. Aber spätestens wenn man denkt, es ist nicht immer erstklassig, was einem die Agentur bietet, schaut man sich um. Nach einer Alternative oder nach einem Herausforderer.

Dass vermehrt Projektaufträge vergeben werden, erleichtert das Agentur-Hopping...

Klar. Früher war Projektgeschäft etwas Exotisches. Heute ist es fast der Regelfall. Die Kunden wollen flexibler sein.

Was muss eine Agentur bieten können, um wie Jung von Matt für mehrere Automarken arbeiten zu können?

Man muss in der Lage sein, überzeugende Konzepte und Top-Qualität in einer großen Bandbreite anbieten zu können. Am besten in unterschiedlichen Disziplinen. Bei Jung von Matt gibt es viele gute Leute mit Autoerfahrung, auch an unterschiedlichen Standorten. Das überzeugt den Kunden. Zudem kann Jung von Matt offenbar selbstbewusster auftreten als manche andere Agenturen. Was sie übrigens in der Vergangenheit immer wieder bewiesen hat.

Wie schätzen Sie die einzelnen Kunden ein?

Ich denke, dass Jung von Matt nur mehr in wenigen Bereichen für Mercedes arbeitet. Und dass das Volumen weiter schrumpft. Mit BMW ist es so: Agentur und Kunde beschnuppern sich gerade. Mit jedem weiteren Etat und neuem Projekt entwickelt sich die Zusammenarbeit weiter. Vielleicht bis zur großen Liebe. Ich kann mir bei Opel nur vorstellen, dass Jung von Matt die Rolle des Challengers übernimmt. Scholz & Friends hat gute Arbeit für die Marke geleistet und die Kommunikation auf ein neues Niveau gebracht. Dieses Niveau soll gehalten oder sogar weiter ausgebaut werden. Zu Kia kann ich nichts sagen.

Bei den Consultants ist es üblich, für mehrere Kunden einer Branche zu arbeiten. Wenn es um Agenturen geht, spricht man hingegen von Kundenkonflikten. Ändert sich das langsam?

Es ist immer eine Crux: Einerseits fordern Kunden von ihren Agenturen umfangreiche Branchenkenntnisse und schon zu Beginn einer Zusammenarbeit viel Erfahrung mit ähnlichen Produkten oder Sparten. Gleichzeitig definieren sie einen strengen und harten Konkurrenzausschluss. Vor allem in der Automobilindustrie führt das dazu, dass die Agentur-Auswahlmöglichkeiten relativ überschaubar sind. Es gibt daher zwei Möglichkeiten für Kunden: den Konkurrenzausschluss lockern wie Jung von Matt mit Kia oder BMW. Oder die Agentur gründet eine Tochteragentur wie Havas mit Fuel. So kann Havas neben Peugeot und Citroen auch Volvo betreuen. In anderen Branchen wird das bereits nicht mehr so eng gesehen. Beispiel Pharma: Als Agentur kann ich auf Projektbasis für spezifische Indikationen durchaus für unterschiedliche Auftraggeber unterwegs sein. Auch ist es oft nur eine Frage des Preises. Wenn Kunden auf Exklusivität bestehen, dann wird es für sie eben teurer.


Peter Hammer
Autor: Peter Hammer

Er begleitet seit vielen Jahren redaktionell die Agentur-Branche, kennt noch die Zeiten, als Werbung "sexy" war und mancher Protagonist wie ein Popstar gefeiert wurde. Das Hauptaugenmerk gilt aktuell den Themenfeldern "Agenturstrategie" sowie "Etats & Pitches". Vor allem interessieren ihn innovative Geschäftsmodelle und Konzepte, mit denen die Branche erfolgreich auf die permanenten Veränderungen in der Kommunikation reagieren kann.