
"Made in Germany":
Viel Lob, flaue Quote: RTL erliegt dem Fluch der guten Kritik
Während Kritiker am Dienstagmorgen Lob ausschütten über dem neuen RTL-Format "Made in Germany", fällt die Marktanteilsbilanz nüchtern aus.
So eine nüchterne Bilanz kennt die Branche sonst nur von Format-Premieren bei ARD oder ZDF: Mit der neuen RTL-Dokureihe "Made in Germany" findet ein gut gemachtes und sehenswertes Format kaum Zuschauer. Während die Kritiker am Dienstagmorgen unerwartet Lob ausschütten über dem Kölner Sender, dem in 30 Jahren seiner Geschichte eher Trash als Tragik zugetraut wurde, fällt die Marktanteilsbilanz nüchtern aus.
Der Fluch der guten Kritik? 3,38 Millionen Gesamtzuschauer waren um 21.15 Uhr noch dabei, als die Augsburger Textilfirma Manomama rund um Gründerin Sina Trinkwalder und ungelernte Näher auf Sendung gingen. Zum Vergleich: In der Stunde zuvor zählte Günther Jauch mit "Wer wird Millionär?" noch 5,79 Millionen Zuschauer. In der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-jährigen Zuschauern erzielte das RTL-Format 11,4 Prozent Marktanteil - weit unter Senderschnitt. Selbst die ProSieben-Sitcom "The Big Bang Theory" schaffte hier 16,3 Prozent.
Schade für RTL. Zumal der Sender sich wirklich auf neues Terrain wagt, was Kritiker von "Focus" oder "dwdl.de" anerkennend festhalten. Beim Branchendienst macht Alexander Krei zwischen den üblichen "anspruchslosen Scripted Realitys" oder "hämischen Kommentare von Dieter Bohlen" mit "Made in Germany" eine erfrischende neue und journalistische Farbe aus. "Es ist schönes Fernsehen, das gar nicht laut daherkommen muss, um die Zuschauer zu packen", meint "dwdl.de" zum neuen Format rund um Sina Trinkwalder, die Langzeitarbeitslosen eine zweite Chance geben will. Für ihren Einsatz wurde sie übrigens von Leserinnen der Condé-Nast-Zeitschrift "MySelf" im vergangenen Jahr mit einem "Liebling" ausgezeichnet.
Auf "Focus Online" macht Beate Strobel den Wert des Formats an der Protagonistin fest: "Wenn ein Sender weiß, wie man emotionalen Stoff fachgerecht erst dehnt bis zum Anschlag, dann fachgerecht in Falten legt und zum Schluss noch mit Plattstich verziert, dann ist das RTL. Dass die auf vier Folgen angelegte Real-Life-Doku dennoch nicht zum Tränenfeudel wird, ist allein Verdienst von Sina Trinkwalder." Sie komme als patente Chefin rüber, ohne Sozialromantik, aber mit viel Herz und Humor. Und der "Spiegel" formuliert sein ungewöhnliches Lob einer RTL-Premiere so: "Die spannendste Frage wird sein, ob auch die übrigen drei Folgen der Kitsch- und Vorführversuchung so tapfer widerstehen werden wie die Pilotsendung."
Nochmals zur Ausgangsthese zurück und damit zum Fluch der guten Kritik: Gerade die Öffentlich-Rechtlichen kennen das Phänomen, dass Produktionen in der Presse hoch gelobt werden, aber kein Publikumsmagnet werden. So überschlugen sich etwa 2006 die Feuilletonisten zum Start der ARD-Vorabendserie "Türkisch für Anfänger". Die erste Folge der Serie erreichte indes nur einen Gesamtmarktanteil von 10,1 Prozent – in der Folge ging es eher bergab. Dem Preisregen tat dies keinen Abbruch, national und international wurde die Familienserie geehrt. In 70 Ländern war sie zu sehen, eine Kino-Variante folgte. Auch diese Serie trägt mit dazu bei, dass in Produktionskreisen das ungeschriebene Gesetz gilt: Gute Kritik in "SZ" oder "FAZ", schlechte Quote.
Was dem Bildungsbürger in der Zeitungsredaktion gefällt, taugt oft nicht zum Quotenknüller und umgekehrt. Es gab im Gegenzug wohl kaum eine gute Kritik, als RTL seine "Dschungelshow" startete. Dem Zuschauer war das egal – er schaltete ein. Und weil es so viele waren, kam RTL mit "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!" in Spitzenzeiten Anfang 2011 auf mehr als 50 Prozent Marktanteil bei den Werberelevanten. Derlei Zuspruch liegt beim neuen Montag in weiter Ferne. Aber fürs Image von RTL ist "Made in Germany" gut.
Update: Laut "dwdl.de" wird "Made in Germany" bereits ab kommendem Montag von neuen Folgen von "Undercover Boss" ersetzt. Die MME-Produktion rund um Manomama darf sonntags um 15.30 Uhr für das gute Ansehen der Kölner sorgen.