"Fair? Verliert!":
Verunglückte Virals: Microsoft und die ASSI-Partei
"Gegen Vorbildfunktion. Gegen Behindertenparkplätze. Gegen Trinkgeld. Und für Plagiate." Microsoft versucht sich mit der ASSI-Partei an einer Viral-Aktion für Originalsoftware und Fair Play. Und erntet Unverständnis.
Ach, Microsoft. Da war das Unternehmen kampagnentechnisch doch eigentlich auf einem guten Weg: Die Spots zum Internet Explorer 9 kamen gut an, der Online-Clip zum IE 10 mit "BrowserYouLovedToHate" auch. Die Kampagnen zum Surface sackten schon wieder ab, waren aber immer noch solide. Man glaubte an Besserung. Und dann lässt Microsoft Deutschland im Netz die ASSI-Partei auf Nutzer los. Verteilt über YouTube, Twitter und Facebook Wahlwerbespots, von denen es sich in Abbindern wie "Einer von insgesamt vier Wahlwerbespots der ASSI-Partei - ja richtig gelesen: Die ASSI-Partei! Geht gar nicht!" distanziert. Vier YouTube-Clips und ein Tumblr-Blog gehören zur Aktion um die fiktive Partei und ihren Vorsitzenden Dr. A Berkannt. Der zeigt sich in den Clips mit dem Claim "Deswegen jetzt die Asozialen wählen. Gegen Vorbildfunktion. Gegen Behindertenparkplätze. Gegen Trinkgeld. Und für Plagiate."
Der Antipathie-Träger mit dem Namen, der ähnlich kreativ gelungen ist wie die Spots, präsentiert sich in den Kurzclips als Nadelstreifen-Assi mit fettigen Haaren und unmöglichen Ansichten. Pöbelt im Straßenverkehr, betrügt den Kellner im Lokal, fährt Rollstuhlfahrer über den Haufen. "Fair? Verliert!" lautet dann der Schluss-Claim der Partei, deren Kürzel für "Asozial - Selbstverliebt - Schamlos - Intolerant" steht.
Das soll provokant und lustig wirken. Die Zuschauer fragen sich aber eher, was das nun mit Microsoft zu tun hat - wenn sie die Verbindung überhaupt wahrnehmen. Der einzige Hinweis darauf ist die Einbeziehung von Plagiaten und Originalen. Das gibt die Richtung vor. Zusammen mit dem Termin des letzten Clips - er geht am 6. März live - und dem Tumblr-Verweis auf den "Play Fair Day" zum gleichen Datum wird klar, dass es Microsoft insgesamt um Software-Originale und den Kampf gegen Raubkopierer geht. Der angestrebte Brückenschlag dürfte damit lauten: "Genauso unerträglich wie dieser Kerl ist dieses Raubkopiererpack auch." Das Unternehmen selbst gibt sich dazu noch bedeckt, im Vorfeld will man nichts verraten. Die Auflösung folge eben am 6. März.
Die von Microsoft und der PR-Agentur Faktor3 konzipierte Aktion dürfte aber daran scheitern, Buzz für diesen Termin aufzubauen. Denn so unverständlich die Spots sind, so mau fällt die Resonanz im Netz bislang aus. Das polarisierte Stimmungsbild tendiert hier zu Kritik und Kopfschütteln. So weckt der Konzern kaum Interesse. Und es ist ein Rückfall in alte Gewohnheiten: Online-Aktionen, die Fehlverhalten von Nutzern aggressiv angehen und Publikumsbeschimpfung betreiben. Zusammen mit Spots, die in ihrer bemühten Provokanz Erinnerungen an den Online-Clip zum Internet Explorer 8 wecken. Etwa den Spot aus der Kampagne mit Testimonial Dean Cain, in dem es Microsoft für gelungen hielt, die Private-Browsing-Einstellungen mit einer Frau zu bewerben, die sich beim Blick auf die Browser-Historie ihres Freundes ausführlich erbrach.
Raubkopieren ist freilich kein Kavaliersdelikt und ein echtes Problem der Branche, dass die Unternehmen zurecht auch kommunikativ angehen wollen. Aber Spots, die weder sonderlich kreativ noch lustig sind, werden die angestrebte Zielgruppe kaum packen.
Oder ist am Ende der Masterplan für das Viral, das eher wie eine kreative Grippe wirkt, dass es deshalb funktionieren werde, weil alle es zum Kopfschütteln teilen?