Modemarkt:
Timberland: Vom Försterstiefel zur urbanen Trendklamotte
Das Geschäft mit der Marke Timberland gedeiht - auch dank einer Werbung, die auf Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit setzt. Markenschau-Autor Heiko Kunzmann über eine internationale Erfolgsgeschichte made in New England.
Vom schlichten Arbeitsstiefel zur Trendklamotte der Urban Rapper: Ein ganz schöner Sprung, den der "Yellow Boot" und sein Hersteller Timberland da hingelegt haben. Inzwischen hält die US-Firma nicht nur die Füße der Outdoorfreaks trocken: "Mach Deine anderen Schuhe eifersüchtig!", heißt es. Man will stadtfein sein –und das von Kopf bis Zeh. Das Geschäft gedeiht, auch dank einer Werbung, die auf Umweltbewusstsein setzt. Und welche Firma kann schon sagen, dass sich schwer erfolgreiche Musiker – nämlich Hiphop-Star Timbaland - nach ihr benannt haben?
Manchmal sind die simpelsten Produktideen die erfolgreichsten: Ordentliche wasserdichte Arbeitsstiefel für Waldarbeiter etwa. 1973 waren die offenbar gerade Mangelware, denn als der Schuhfabrikant Nathan Swartz an der US-Ostküste seine ockergelben Timberland-Stiefel ("Timberland" ist das englische Wort für Forst) auf den Markt brachte, gingen die weg wie nix. Was daran anders war? Swartz hatte den Einfall, Sohle und Schuhschaft zu verschweißen statt zu nähen – so wurde der Schuh wasserdicht. Ein solches Produktdesign hatte vorher noch kein anderer.
"Timberland“ wurde schließlich so erfolgreich, dass sich die Firma nach ihm benannte. Geboren, um dem naßkalten Wetter Neuenglands zu trotzen, ist der Stiefel heute die Firmen-Ikone, wie Timo Schmidt-Eisenhart es formuliert: "Es gibt nur einen original Yellow Boot. Er ist robust, wasserdicht, die Vierernaht hält, das Leder ist drei Millimeter dick, und er hat den rugged look". Damit meint der Chef von Timberland EMEA – dem Geschäftszweig für Europa, den Mittleren Osten und Afrika - das markante, strapazierfähige Äußere der Stiefel.
Dies ist die ererbte DNA der Marke, erklärt der 42-jährige. Doch Timberland will nicht mehr nur als Holzfällerstiefelmacher wahrgenommen werden, sondern als Stadteroberer. Hiphop-Fans von Hongkong bis Detroit oder auch die italienische Jugendszene hatten den "Yellow Boot" eh schon lange aus der Wald- und Outdoorecke rausgeholt und zum Trend gemacht. Auch auf Damentaschen, Jacken, Sandalen oder Poloshirts findet sich mittlerweile das Bäumchenlogo, und das Design ist urbaner geworden. Denn als der Hersteller 2011 vom US-Bekleidungsriesen VF Corporation übernommen wurde, startete eine große Consumer-Analyse. Ergebnis: Mit Timberland am Leib soll der Käufer nicht nur Wald und Berge erklimmen, sondern auch Büro und Bar meistern: "Wir wollen nicht ein Kleidungsstück von vielen sein, die der Kunde trägt – sondern wir wollen mit ihm durch den Tag gehen", formuliert Schmidt-Eisenhart den Allround-Anspruch.
Qualität, Werthaltigkeit und Style sind dabei wichtig: "Wir sind modebewusst, doch machen nicht jeden Trend unbedingt mit", beschreibt er den erneuerten Look. Dabei grenzt er deutlich zu anderen Marken auch aus dem eigenen Haus ab: "Das Designelement spielt bei uns eine größere Rolle, und wir sind keine Performance-Outdoor-Firma wie North Face. Unsere Schuhe wollen gar nicht auf 6000 oder 7000 Metern Höhe unterwegs sein", so Schmidt-Eisenhart, der vor seinem Wechsel zu Timberland auch General Manager für die Marke North Face war. Entwickelt wird der Look übrigens – zumindest was Schuhe angeht - von Produktmanagern und Designern gemeinsam in einem großen Designzentrum am US-Hauptsitz. Für die Bekleidung existiert ein ähnliches Zentrum in London.
Als Firma, die von der Sehnsucht nach draußen lebt, zeigt sich Timberland umweltbewusst. Bei Sohlen und im Obermaterial von Kleidungsstücken wird Recyclingmaterial eingearbeitet. Die Timberland-Kollegen bekommen pro Jahr bis zu 40 Stunden bezahlten Urlaub, um bei Initiativen Gutes für Natur und Gesellschaft zu tun. Dieser Spirit zeigt sich auch in der Werbung. "Die ersten Boots, die die Umwelt nicht mit Füßen treten": So warb die Company 2009 für ihre "Earthkeepers"-Schuhe. Diese Art Selbstverpflichtung gegenüber der Natur spricht Käufer offenbar an: Timberland konnte sich 2014 über ein Umsatzplus von 13 Prozent freuen.
Auch anderswo bezog die Firma durch starke Botschaften Stellung: Mit Slogans wie "Gemacht für den aufrechten Gang" warb sie 1992 für den "Yellow Boot" – und machte Front gegen Fremdenhass. Die Kampagne wurde von der Münchner Werbeagentur 3 Hoch K entworfen, die heute noch für Timberland tätig ist.
Die Ergebnisse der Consumerstudie haben auch die Werbestrategie geformt: "Unsere Botschaften sind eher faktenbasiert, weniger gefühlig angelegt", erklärt Timo Schmidt-Eisenhart. Alle Medien sind gleichberechtigt: "Klassische Werbung darf man nicht vernachlässigen, trotz des Hypes um Internet und soziale Netzwerke". Zeitung oder auch Kino spielen daher eine große Rolle, auch weil Timberland breite Gruppen in der Mitte der Gesellschaft ansprechen will. Im Fokus seien die 25- bis 35-jährigen, die sich gern im Freien bewegen, aber nicht unbedingt aktive Sportler sind.
Die Kampagnen werden von Land zu Land angepasst, erläutert der EMEA-Präsident: "Wir haben nicht DIE eine Agentur für welt- und europaweite Vermarktung, sondern schauen von Kampagne zu Kampagne nach externen Partnern". Jedoch gebe es auch in Deutschland langjährige Partnerschaften.
Auf dem Markt hierzulande sehen die Amerikaner noch viel Luft nach oben. In diesem Jahr sollen zu den derzeit 16 eigenen Shops und 27 Franchise-Geschäften noch etliche dazu kommen: "Die Zahl der Neueröffnungen wird zweistellig sein", kündigt Schmidt-Eisenhart an. Das Bekleidungssegment verzeichne ein gutes Wachstum. Am häufigsten über den Ladentisch geht aber weiter die "Yellow Boot"-Ikone.
Inzwischen ist sie Kult- und Kunstobjekt: So hat der New Yorker Designer Jeff Staples 2007 den Superstiefel unter anderem in einer weiß-rot-schwarzen Karoversion entworfen. Und bei Youtube zeigen Bastler wie De la David oder Tyko Mo, wie sie ihre gelbes Schuhwerk mit eigenen Zeichnungen aufpeppen. Und die Liste der Timberland-liebenden Celebrities ist beeindruckend lang, wie die Illustrierte "Elle"findet. Ihr Fazit: "Timberlands are the new Birkenstocks".