
Internet-Rechtsstreit:
Tegernseer Bräustüberl wehrt sich gegen Google - mit Erfolg
Weil Google falsche Angaben zu Stoß- und Wartezeiten macht, will eine Tegernseer Traditionswirtschaft den Internetkonzern verklagen. Der medienwirksame Protest zeigt schneller Wirkung als gedacht.

Foto: Teegernseer Bräustüberl
Wie gut besucht ein Lokal ist, sieht der potenzielle Besucher heute ganz schnell und einfach dank Google. Wer nach einem Restaurant sucht, dem liefert die Suchmaschine neben Adresse, Telefonnummer und Öffnungszeiten weitere Informationen wie Kundenbewertungen und Hinweise auf Stoß- und mögliche Wartezeiten. Kein Problem für den Wirt des Tegernseer Bräustüberls Peter Hubert, "wenn die Informationen denn korrekt wären".
Im Bräustüberl Tegernsee wird sehr genau registriert, was im Internet oder in sozialen Medien über das eigene Haus geschrieben wird. So beobachteten die Mitarbeiter die Hinweise auf vermeintliche Wartezeiten über einige Zeit und mussten feststellen, dass laut Google-Angaben das Bräustüberl ständig voll sei und die Besucher mit Wartezeiten von bis zu einer Stunde und mehr rechnen müssten. Egal ob Dienstag oder Samstag, vormittags, abends oder spätnachts, in- oder außerhalb der Hochsaison.
Algorithmus nicht veränderbar
Mitarbeiter des Bräustüberls versuchten daraufhin, telefonisch und schriftlich die Angaben richtigzustellen und Informationen darüber zu erhalten, wie die Hinweise zustande kommen oder was konkret mit "Wartezeit" gemeint ist (auf Einlass, einen Tisch, das Essen, die Rechnung). Sie lieferten Material, das bewies, dass Gäste sogar in Spitzenzeiten ohne nennenswerte Verzögerung Plätze fanden, während online von stundenlangen Wartezeiten zu lesen war.
Ohne Erfolg. Die Angaben, so ein Sprecher von Google, beruhten auf einem Algorithmus, der weltweit gleich und somit nicht veränderbar sei. Auf welcher Grundlage der Algorithmus diese Angaben erstellt, konnte oder wollte man nicht sagen. Auf das Abmahnschreiben des Bräustüberl-Anwalts reagierte der Internetkonzern mit einer Standard E-Mail, die auf die Supportseiten der Homepage verwies.
Es ist die Ohnmacht gegenüber einem riesenhaften Konzern, der längst in das Leben jedes einzelnen Menschen eingreift, selbst aber kaum fassbar scheint, die Peter Hubert besonders aufbringt: "Hier werden falsche Informationen wie Tatsachen dargestellt, und um sie richtigzustellen, muss ich als regionaler, mittelständischer Unternehmer einen Rechtsstreit gegen einen Weltkonzern anfangen, der nicht nur teuer und belastend ist, sondern auch völlig offen in Bezug darauf, wie er ausgeht."
Allein, um die Klageschrift zustellen zu dürfen, muss Hubert jetzt ein Gericht bemühen. Die Zustellung an die Google-Zentrale in Hamburg sei dreimal gescheitert, weil die Post den Brief dort nicht einwerfe oder abgebe. Nun muss das Landgericht München beurteilen, ob ein Gerichtsvollzieher die Klageschrift überbringen soll.
Langer Klage-Weg
Der Bräustüberl-Wirt weiß, dass er einen langen Atem braucht. Trotzdem will er sich von einem Algorithmus nicht das Geschäft beschädigen lassen. Dass ein solch negativer Effekt eintritt, davon ist Thomas Glückstein, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht der Kanzlei Lausen überzeugt. Denn wenn Interessenten online lange Wartezeiten sehen, liege es auf der Hand, dass diese Nutzer andere gastronomische Betriebe vorziehen und nicht als Gast ins Bräustüberl kommen.
Am 28. August 2019 wird das Landgericht in der Verhandlung entscheiden. Sollte es der Zustellung der Klageschrift in Deutschland zustimmen, wäre bereits das ein großer Erfolg für das Bräustüberl. Und: Es wäre ein Präzedenzfall, der anderen Mittelständlern – ob aus Gastronomie, Einzelhandel oder Handwerk – den Weg ebnen könnte, sich bei Falschangaben von Internetdiensten leichter zur Wehr zu setzen.
Lehnt das Gericht die Zustellung in Deutschland ab, wird Anwalt Glückstein die nächsthöhere Instanz anrufen. Kommt von dort ein weiteres Nein, müssen Fachübersetzer ran sowie weitere bürokratische und juristische Hürden genommen werden, bis die Klageschrift schließlich ihren Weg in den USA antreten kann.
Schnellerer Erfolg als gedacht
Ganz unabhängig vom Klageweg, den der Wirt weiter einschlagen will, vermeldete er jetzt einen "Teilerfolg: Google hat die irreführenden Angaben offensichtlich gelöscht. "Das muss irgendwann in den letzten zehn Stunden passiert sein", sagte Bräustüberl-Wirt Peter Hubert am Freitagnachmittag dem BR. Hubert ist sich sicher, der öffentliche Druck durch Medienberichte habe Wirkung gezeigt.
kri/am